Vogt, der

[1222] Der Vōgt, des -es, plur. die Vögte, ein sehr altes Wort, welches von den ältesten Zeiten an in zwey Hauptbedeutungen vorkommt.

1. Ein Beschützer, sowohl überhaupt, als auch in engerer Bedeutung, derjenige, der eines Unfähigen Beßtes wahrnimmt. In dieser Bedeutung wurden ehedem nicht allein die Beschützer der Stifter und Klöster, welche sie nicht allein beschützten, sondern sie auch in weltlichen Sachen vertraten, und die Gerichte in ihrem Nahmen handhabeten, die Advocati, im Deutschen Vögte, Klostervögte, Stiftsvögte genannt, sondern der Nahme Vogt war ehedem auch die gewöhnliche Benennung sowohl eines Vormundes unmündiger, als auch eines Curatoris weiblicher Personen, und in vielen Gegenden ist es in dieser Bedeutung noch üblich. Ja auch ein Advocat, d.i. ein gerichtlicher Fürsprecher, Sachwalter, wurde ehedem häufig Vogt genannt.

2. In einer andern, aber nahe verwandten Bedeutung, war der Vogt ehedem ein Vorgesetzter überhaupt, wo es besonders von folgenden Arten von Vorgesetzten vorkommt. (1) Ein Statthalter, sowohl einer Provinz, als auch derjenige, welcher eines Höhern Beßtes in einem gewissen Bezirke, oder auch in einem Orte verwaltet, ein Amtmann, Vizdom u.s.f. hieß ehedem sehr häufig ein Vogt, und führet diesen Nahmen in manchen Gegenden noch. Daher der Landvogt, Großvogt, Stadtvogt, der die Güter der Stadt in seiner Aufsicht hat, der Schloßvogt, der die Aufsicht über ein Schloß, Hausvogt, der sie über ein Haus, einen Pallast hat, u.s.f. (2) Ein Richter, der Präsident eines Gerichtes, der das Recht im Nahmen eines Höhern handhabet, in welchem Verstande Vogt ehedem oft einen Richter überhaupt bedeutete. In diesem im Hochdeutschen gleichfalls veralteten Verstande sagt noch Opitz: der Tag,[1222] An dem der höchste Vogt soll Recht und Urtheil sagen;

d.i. der höchste Richter. In manchen Reichsstädten gibt es noch Vögte, kaiserliche Vögte, Reichsvögte, u.s.f. welche die Gerichtsbarkeit im Nahmen des Kaisers verwalten, und zuweilen auch Schuldheiß und Meyer heißen, obgleich an andern Orten der Vogt die peinliche, der Meyer aber die bürgerliche Gerichtbarkeit übet. (3) In einigen Gegenden Obersachsens ist der Vogt auf den Landgütern soviel als ein Hofmeister oder Verwalter, welcher die Aufsicht über die Feldwirthschaft und das geringere Gesinde führet. (4) In noch geringerer Bedeutung ist der Vogt in manchen Gegenden ein Unterbedienter, welcher den frohnbaren Unterthanen die Arbeit ansaget, sie zur Arbeit anhält, und die Aufsicht bey derselben über sie führet. An noch andern Orten ist es ein Gerichtsbedienter, der die Parteyen vorladet, in Verhaft nimmt u.s.f. Auch derjenige Unterbediente, welcher die Feldgüter vor den Dieben und andern frevelhaften Beschädigungen bewachet, und gemeiniglich der Flurschütz heißt, wird in andern Gegenden der Vogt oder Feldvogt genannt. Die Bettelvögte sind geringe Bediente der Polizey, frevelhaften Bettlern zu steuern u.s.f.

Anm. Das Wort ist im Deutschen alt, und lautet in der Bedeutung eines Beschützers schon bey dem Notker Phogat, in den spätern Zeiten Voget, Vogit, Voigt, wie es noch von einigen, obgleich ohne alle Ursache geschrieben wird, Fauth, im Nieders. Vagd. Einige lassen es von dem Hebr. פקיד, ein Vorgesetzter, andere von dem Griech. βοηθης, die meisten aber von dem Lat. Advocatus abstammen, welche letztere Meynung sehr viele Wahrscheinlichkeit hat, indem in Pflaster, Spital, und andern gleichfalls die erste Sylbe verbissen worden, von Emplastrum, Hospitale, Vogt, auch in seinen höhern Bedeutungen im mittlern Lateine beständig durch Advocatus gegeben wird. Es müßte alsdann schon sehr frühe aus dem Lateinischen aufgenommen und mit dem Deutschen Bürgerrechte begabet seyn, weil es schon zu Notkers Zeiten in Phogat naturalisiret war; daher es immer noch zu untersuchen ist, ob dieses Wort nicht ächten alt-deutschen Ursprunges ist. Bey dem Ulphilas ist Fath, im Angels. Wäta, ein Heerführer, Herzog, wohin auch das Slavonische Wojwode gehöret, welche Gothische und Angelsächsische Form mit der an manchen Orten noch nicht ganz veralteten Form Fauth für Vogt genau überein kommt, so daß der Gaumenlaut in der Mitte von einer rauhen hauchenden Aussprache entstanden seyn könnte. Übrigens ist das Wort Vogt in seinem weitesten Umfange, als ein allgemeines Nennwort, im Hochdeutschen veraltet, und nur noch hin und wieder in besondern Fällen üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1222-1223.
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