Wägen

[1335] Wägen, verb. regul. et irregul. act. im letztern Falle, Imperf. wog, Particip. gewogen, Imperat. wäge. 1. Eigentlich, das Gewicht, d.i. die Schwere eines Körpers, zu erforschen suchen, wie das Activum wiegen. Auf der Wage wägen. Einen Ballen Waare wägen lassen. Gott, der die Welten wägte, oder wog. Ich habe es gewägt oder gewogen. 2. In weiterer Bedeutung, die Abweichung einer Fläche von der wahren horizontalen Linie mit der Wasserwage zu bestimmen suchen. Einen Fluß wägen, dessen Fall zu messen suchen. Einen Platz, einen Bezirk wägen, oder abwägen. 3. Figürlich, die Güte einer unkörperlichen Sache genau zu erforschen suchen. Seines Gegners Gründe wägen. Welch ein zartes Gewissen, alle Worte zu wägen, und dann noch um Warnung gegen die Bitterkeit zu bitten, Hermes.

[1335] Anm. Im Niedersächsischen wägen, im Angelsächsischen waegan, im Schwedischen våga. Wägen scheint eigentlich die Niederdeutsche, wiegen aber die mehr Oberdeutsche Form zu seyn, nur daß wiegen auch neutraliter, eine bestimmte Schwere haben, gebraucht wird, in welcher Bedeutung wägen nicht üblich ist. Im Hochdeutschen werden wägen und wiegen in der thätigen Form ohne Unterschied gebraucht, und im Imperfecto und Participio auf einerley irreguläre Art conjugiret, ich wog, gewogen. Die reguläre Form des Wägen, ich wägte, gewägt, kommt zwar auch zuweilen vor, ist aber bey weitem noch nicht die herrschende. Könnten einzelne Schriftsteller an der Sprache ändern, so würde ich den Vorschlag thun, wägen jederzeit regulär und als ein Activum, wiegen aber in seiner irregulären Form nur als ein Neutrum zu gebrauchen; in welchem Falle man die Analogie von tränken und trinken, senken und sinken, ersäufen und ersaufen, setzen und sitzen, und andere mehr vor sich haben würde. Man mag nun aber auch wägen im Imperfecto und Participio irregulär beugen, so gehet es doch im Präsenti regulär, ich wäge, du wägst u.s.f. nicht wie manche Sprachlehrer lehren, ich wäge, du wiegst, er wiegt. In der Abstammung kommt es mit wiegen völlig überein, Siehe dasselbe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1335-1336.
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