Zeug, der (das)

[1695] Der und das Zeug, des -es, plur. der doch nur in einigen Bedeutungen üblich ist, die -e, ein Wort, welches überhaupt theils den Stoff, die Materie, woraus etwas bereitet wird, theils das Werkzeug, womit solches geschiehet, theils aber auch die verfertigte Sache, und dann in weiterer Bedeutung, ein jedes Ding, eine jede Sache, bedeutet. Es wird sowohl im männlichen als sächlichen Geschlechte, obgleich nicht ohne Unterschied gebraucht; allein da das Geschlecht sich nicht genau nach den eben gedachten Bedeutungen richtet, so muß jedes besonders abgehandelt werden. Im Hochdeutschen unterscheidet man beyde so:

I. Der Zeug, im männlichen Geschlechte.

1. Der Stoff, die Materie, woraus etwas bereitet worden, oder bereitet werden soll. (a) * Überhaupt; eine Bedeutung, welche man im Hochdeutschen um der Vieldeutigkeit dieses Wortes Willen veralten lassen. Der Zeug der Lüste, Opitz.


Denn er kennt wohl den Zeug, der an uns allen

Zu finden ist, es ist ihm unentfallen,

Wie daß wir nichts als Staub und Asche sind,

Opitz. Ps. 102.


(b) In engerer Bedeutung, da es denn noch in vielen Handwerken und Gewerben für den Stoff gewisser Art gebraucht wird. So nennen die Papiermacher die gestampften Lumpen, woraus das Papier verfertiget wird, den Zeug. Der halbe Zeug sind bey[1695] ihnen Lumpen, welche nur einmahl gestampfet worden. Bey den Mäurern heißt der Mörtel an manchen Orten der Zeug, und bey den Bäckern wird in einigen Oberdeutschen Gegenden auch der Teig der Zeug genannt; daher der Butterzeug, Mandelzeug, Pastetenzeug, Pillenzeug u.s.f. Im Weinbaue heißen die Weinbeeren, und figürlich auch die Weinstöcke der Zeug, so wie bey den Buchdruckern die Materialien zu den Schriften, und folglich auch abgenutzte Schriften, welche wieder eingeschmolzen werden. Und so in vielen andern Fällen mehr. Besonders (c) im engsten Verstande ein Gewirk, so fern es das Material, oder der Stoff zu den Kleidungsstücken ist. Sowohl überhaupt. Sich den Zeug zu einem Kleide aussuchen, es sey Tuch, oder sonst ein Gewirke. Als auch, und zwar am häufigsten, im engsten Verstande, da nur gewisse leichte Gewirke, von Leinwand, Seide, Baumwolle oder Wolle, Zeuge genannt werden, und zwar von den wollenen nur solche, welche entweder nie gewalket werden, oder doch nur die halbe Walke bekommen. Ein wollener Zeug, seidener Zeug, Sommerzeug u.s.f. Tuch, Sammet und Leinwand gehören in dieser engsten Bedeutung nicht unter die Zeuge. In dieser ganzen Bedeutung ist das Wort ein Collectivum, oder vielmehr ein Materiale, daher der Plural nur von mehrern Arten und Quantitäten üblich ist.

2. Dasjenige, vermittelst dessen etwas verrichtet wird. Eigentlich ist es in dieser Bedeutung im Hochdeutschen sächlichen Geschlechtes; allein da man es im Oberdeutschen in diesem Verstande im männlichen gebraucht, so ist dieses auch im Hochdeutschen in einigen Fällen üblich geworden. Diese sind:

a) Ein lebloses Hülfsmittel, etwas zu bewerkstelligen. 1. Ein Werkzeug, wo es nur in einigen Fällen im männlichen Geschlechte gebraucht wird. Besonders im Bergbaue, wo eine Pumpe und eine jede Wasser Maschine der Zeug, vollständiger, der Kunstzeug, Kunstgezeug genannt wird. Den Zeug stellen, stehen lassen. Ingleichen bey den Jägern, wo theils alle zum Jagen gehörige Geräthschaften, theils aber auch nur die Tücher und Netze collective der Zeug heißen. Der finstere Zeug, die Tücher und Planen; der lichte Zeug, die Netze. Bey den Bäckern wird ein jedes Gährungsmittel zu den Sämmeln, welches weder Sauerteig noch Bierhefen ist, der Zeug genannt. Auf den Zeug backen, sich dieses Mittels bedienen. Auch im Kriegeswesen wurden das Geschütz und alle übrige Geräthschaften ehedem der Zeug genannt, welche Bedeutung zwar im Hochdeutschen veraltet ist, aber doch die Zusammensetzungen Zeughaus, Zeugmeister u.s.f. zurück gelassen hat.

b) * Personen, durch welche man eine Absicht erreicht, oder etwas verrichtet; als ein Collectivum, folglich ohne Plural. In dieser Bedeutung wurde ehedem ein Kriegesheer und ein einzelner Theil desselben häufig der Zeug genannt; in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Der reisige Zeug, die Reiterey. Ein wohlgerüsteter Zeug zu Roß und zu Fuß, in dem Deutschen Livius von 1514. So will ich mit dem andern Zeug nachrucken, mit den andern Truppen, Theuerd. In der Deutschen Bibel kommt diese Bedeutung noch häufig vor.

II. Das Zeug, im sächlichen Geschlechte.

1. Ein mechanisches Hülfsmittel, etwas zu bewerkstelligen, ein Werkzeug, als ein Collectivum, folglich ohne Plural, außer in manchen Fällen von mehrern Arten. Es ist in diesem Verstande im gemeinen Leben sehr häufig, in der anständigern Schreibart aber gebraucht man es am häufigsten in Zusammensetzungen. Das Hebezeug, Rüstzeug, Reißzeug, Schreibezeug, Spielzeug, Reitzeug, Pferdezeug u.s.f. In manchen Fällen wird es von einzelnen Dingen gebraucht, das Fahrzeug, Werkzeug, Rüstzeug im figürlichen Verstande u.s.f. Im Oberdeutschen ist es in[1696] dieser Bedeutung männlichen Geschlechtes, welches daher auch häufig in der Deutschen Bibel vorkommt, wo selbst Paulus ein auserwählter Rüstzeug genannt wird.

2. Das Geräth. Geräthschaften; nur in einigen Fällen. So wird leinenes Geräth collective leinen Zeug, oder weißes Zeug genannt. Irdenes, hölzernes, zinnernes u.s.f. Zeug, Geräthe. Das Kopfzeug, eine Bekleidung des Kopfes. Das Nachtzeug, Nachtgeräth, nächtliche Kleidung, Tischzeug, Silberzeug. 3. Eine verfertigte Sache, doch nur in weiterer Bedeutung, ein Ding, eine Sache überhaupt, sie sey von welcher Art sie wolle, aber nur im verächtlichen Verstande, und auch als ein Collectivum. Liederliches Zeug, schlechte Dinge, schlechte Geräthschaften. Albernes Zeug reden. Wer hat ihm dieses Zeug in den Kopf gesetzt? Ja selbst von Personen im gemeinen Leben. Liederliches Zeug, liederliches Gesindel. Diebeszeug, Zigeunerzeug, u.s.f.

Anm. Zeug, im Niedersächsischen Tüg, im Schwed. Tyg, stammet ohne Zweifel von zeugen her, so fern es ehedem machen, hervor bringen überhaupt bedeutete, und ist in so fern mit dem Griech. τευχος, von τευχειν, τυχειν, machen, bereiten, verwandt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1695-1697.
Lizenz:
Faksimiles:
1695 | 1696 | 1697
Kategorien:

Buchempfehlung

Musset, Alfred de

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

Gamiani oder zwei tolle Nächte / Rolla

»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«

72 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon