Corsica

[301] Corsica, eine der großen Inseln des Mittelländischen Meeres, zwischen den Genuesischen Küsten und der Insel Sardinien, welche in das Land diesseits der Gebirge, und in das Land jenseits der Gebirge eingetheilt wird. Das Erdreich ist sehr fruchtbar; es trägt guten Wein, auch Getraide und Baumfrüchte. Die Zahl der Einwohner dieser Insel beläuft sich auf 124000, und die Einnahme, die Frankreich davon zog, auf 600000 Livres. Die Einwohner dieser Insel hatten seit 1729 in einer fortdauernden Empörung gegen die sie beherrschende Republik Genua gestanden, welche, da sie dieselbe mit ihren Kräften nicht bezwingen konnte, im Jahr 1730 kaiserliche, und im Jahr 1738 Französische Truppen zu Hülfe rief. Im Jahr 1736 hatte ein Westphälischer Edelmann, Baron Neuhof, die Nation so gewonnen, daß sie ihn zu ihrem König [301] ernannte, und als einen solchen ehrte. Er verließ sie aber nach Ankunft der Franzosen unter dem Vorwand, auswärtige Hülfe zu suchen, kam einmal wieder, segelte aber wieder ab, und starb zu London im Gefängniß der bösen Schuldner. Die Franzosen brachten darauf die Einwohner zu einer scheinbaren Ruhe, verließen aber die Insel beim Ausbruch des Deutschen Krieges im Jahr 1741. Nun brach die Empörung unter verschiedenen Heerführern wieder aus. Im Jahr 1755 ernannte der Corsische Senat den Pascal Paoli zum General, der seine Sache so gut führte, daß den Genuesern wenig außer Bastia übrig blieb, und diese daran verzweifelten, jemals die Insel überwältigen zu können. In dem Verdrusse darüber überließen sie dieselbe an Frankreich durch einen Tractat, von welchem die Bedingungen nie recht bekannt worden sind. Frankeich glaubte anfangs, die Unterwerfung dieser Insel mit einer kleinen Kriegsmacht bewirken zu können. Allein Paoli that, in der Hoffnung auf Brittische Unterstützung, eine Weile so lebhaften Widerstand, daß die Kosten dieser Unternehmung schon auf 30 Millionen Livres angelaufen waren, ohne daß die Französischen Völker weit vorwärts gedrungen wären. Allein nunmehr verstärkte der Hof dieselben. England blieb, wider des Paoli Hoffnung und des übrigen Europa Erwartung, ganz unthätig bei der Sache, und in den verschiedenen Gefechten thaten die Corsicaner so wenig ihre Pflicht, daß Paoli allen fernern Widerstand aufgab, und im Junius dieses Jahres nach England entfloh, wo er nachher Jahre durch von einem königlichen Gnadengehalt lebte. Diese Erwerbung hat seitdem Frankreich weit mehr gekostet, als sie ihm einbrachte. Bei der Französischen Revolution trat diese Insel gleich anfangs als ein besondres Departement in die Verbindung des gesammten Frankreichs ein, und hatte auch ihre Deputirten zum Convent gesandt, Paoli, der bis dahin in England sich aufgehalten hatte, ging nun in sein freier gewordenes Vaterland zurück. Der Tod des Königs und die Aufhebung aller Religion, die man auch auf diese Insel ausdehnen wollte, machte natürlich viel Mißvergnügte entstehen. Die Schreckenmenschen in Paris traueten Paoli nicht mehr, und verlangten ihn nach Paris hin, wo der Tod im wohl gewiß genug war. Er machte also das [302] Volk den Britten geneigt, welche den 18. Februar dort landeten, den 22. Mai Bastia, und den 4. August endlich auch Calvi eroberten. Nun war die Nation leicht geleitet, sich dem Brittischen Scepter zu unterwerfen. Dieß geschah feierlich in einer allgemeinen Versammlung der Deputirten der Corsen zu Corte den 18. Jun. wo Elliot im Namen des Königs ihre Huldigung annahm. Corsica ward nun als ein viertes Königreich angenommen, ihm die Brittische Verfassung und Gesetze, und ein besonderes Parlament, so wie Irland es hat, gegeben. Aber jetzt scheint die Veränderung in Frankreich einen großen Theil der Corsen die Verbindung mit demselben wieder wünschenswerth zu machen; und es ist wohl nur der Brittischen Uebermacht in jenen Meeren zuzuschreiben, daß bisher noch kein Ausbruch von dieser veränderten Gesinnung erfolgt ist.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 301-303.
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