Der Rhythmus

[264] Der Rhythmus, (ein Griechisches Wort) ist, in der allgemeinsten Bedeutung, eine successive Bewegung nach gewissen bestimmten Verhältnissen: näher angewendet auf Musik und Poesie, ist er bei dieser die relative Dauer der Zeiten, welche man zur Aussprache der Sylben eines Verses gebraucht – Sylbenmaß, Redefall; bei jener, der Musik, ist er die periodische Eintheilung einer Reihe von Tönen, wodurch das Einförmige derselben Mannigfaltigkeit und Abwechslung erhält. Er hat eine natürliche Empfindung zum Grunde, indem alle Menschen in gewisse Verrichtungen etwas Rhythmisches bringen, ohne zu wissen, warum; es ist der natürliche Hang, da, wo wir anhaltende gleichartige Empfindungen haben, Abwechselung hineinzubringen. In so fern nun, was die Musik anbelangt, die Folge von Tönen in gleich lange Glieder eingetheilt wird, so daß zwei, drei, vier oder mehr Schläge ein Glied dieser Reihe ausmachen, was man eigentlich auch den Takt nennt, in so fern hat man den einfachen Rhythmus; wenn aber aus mehreren Takten wieder größere Glieder gebildet werden, so daß zwei, drei, vier Takte allemahl einen dem Gefühl vernehmlichen Abschnitt in der Reihe [264] der Töne oder der Bewegungen machen, so entsteht der zusammengesetzte Rhythmus. – in der Poesie bestimmt das Sylbenmaß den Takt und zugleich den einfachen Rhythmus, die Versart aber, oder das Metrum, den zusammengesetzten; und hier sind denn auch die Einschnitte oder Absätze, entweder gleichartig (wie Jamben, Trochäen, Spondäen), oder aus verschiedenen wechselnden Füßen zusammengesetzt (wie Hexameter, Pentameter etc.). – So wie es nun besondre Versmaße zu Gedichten von traurigen, und wieder besondre zu Gedichten von fröhlichem Inhalte giebt, eben so ist es auch in der Musik mit dem Rhythmus, welcher einer Melodie ein unterscheidendes Merkmahl giebt. Uebrigens verstanden die Alten unter Rhythmus bald den Wohlklang in der ungebundenen Rede, bald das Sylbenmaß, bald in der Musik das, was wir Takt nennen (unser gerader oder ungerader Takt hieß bei ihnen gleicher oder ungleicher, gerader oder ungerader Rhythmus), bald auch im Tanze das, was bei uns Pas oder Tanzschritt genannt wird.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 264-265.
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