Die Jansenisten

[260] Die Jansenisten; so nennt man die Anhänger einer Secte in der Römisch-katholischen Kirche, welche von einem Bischofe zu Ypern, Cornelius Jansen, den Namen führt. Dieser Mann hatte wahrscheinlich gar nicht die Absicht, das Haupt einer Partei zu werden, sondern wollte nur die Lehrsätze des berühmten Kirchenlehrers Augustin in ihrer ursprünglichen Reinheit wieder herstellen, und arbeitete deßwegen ein weitläuftiges gelehrtes Werk aus, dessen Herausgabe er aber nicht selbst besorgen konnte, sondern seinen Freunden überlassen mußte, weil er schon im Jahre 1638 starb. Die damahls mächtigen Jesuiten glaubten in diesem Buche gewisse, ihrem Orden schädliche Grundsätze und Meinungen zu entdecken, und bewirkten daher im Jahre 1653 vom Papst Innocenz X. die feierliche Verdammung der ihnen anstößigen Stellen. So wie gemeiniglich Bücherverbote noch mehrere Leser anlocken, als sie vielleicht außerdem gefunden haben würden, so war es auch hier der Fall; das Werk von Jansen wurde überall begierig gelesen, und fand besonders in Holland, den Niederlanden und Frankreich viel Beifall. Die gelehrtesten Männer, ein Pascal, Arnaud und Andre, schlugen sich auf die Seite der Jansenisten; und man kann nicht läugnen, daß der Orden der Jesuiten dadurch wirklich den ersten Stoß erhielt. Nichts desto weniger wurde der Streit von bei den Seiten bis in die erste Hälfte dieses Jahrhunderts hinein lebhaft fortgesetzt; und selbst die Aufhebung des Jesuiterordens konnte ihn nicht ganz ersticken. Man verfolgte die Jansenisten überall als Ketzer mit unerbittlicher Strenge, und gab ihnen Schuld, daß sie die rechtgläubige katholische Kirche mit Lutherischen und Calvinistischen Irrthümern anfüllen wollten. Allein kein Verdacht war ungegründeter als dieser: denn die Jansenisten hielten die genannten Religionsverwandten ihrer Seits auch für Ketzer, und wollten bloß die strenge Moral der ersten Christen wieder einführen; daher die freiwilligen Büßungen, die sie sich auflegten, und der [260] strenge Lebenswandel, den sie führten. Man muß gestehen, daß die Meisten unter ihnen zu weit gingen und durch ihre Sonderbarkeiten der Wahrheit mehr schädlich als nützlich wurden. Arnaud, Nicole, Sacy und Quesnel machten sich unter ihnen am berühmtesten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 260-261.
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