Die Kupferstecherkunst

[341] Die Kupferstecherkunst, Die Kunst, durch Striche und Punkte die Formen, Lichter und Schatten von Gegenständen in Kupfer darzustellen, welche Darstellungen dann vermittelst des Drucks vervielfältigt werden. Der Kupferstecher verhält sich zu dem Mahler, wie ein Uebersetzer zu seinem Autor; so wie es aber unmöglich ist, eine gute Uebersetzung von einem geistvollen Product zu liefern, ohne selbst Geist zu haben und die Kunst der Composition in ihren feinsten Theilen zu verstehen; so wird auch von einem guten Kupferstecher erfordert, daß er in die Geheimnisse der Zeichenkunst eingeweiht sei, damit er nicht kalte, leere Darstellungen der bloßen Formen, Lichter und Schatten seines Gemähldes liefere, sondern in dem eigenthümlichen Geiste seines Originals Darstellungen mit Geist, in welchem frei und leicht der Charakter der Gegenstände aufgefaßt, das rauhe, glänzende oder matte Gewand derselben wiedergegeben und zugleich die eigenthümliche Farbe derselben angedeutet wird. Bedenkt man, daß der Kupferstecher zu diesem allen kein Mittel hat als Punkte und Striche, so wird man gewiß keinen Augenblick anstehen, dem Talent eines guten Kupferstechers die ehrenvolle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die dasselbe verdient. Es ist zu gleicher Zeit sonderbar und zu bedauern, daß die Griechen gar nicht auf den Kupferstich fielen, da sie doch die Kunst in Edelsteine zu schneiden kannten, auch sogar Siegel hatten, die sie in Wachs abdrückten; wir würden dadurch mehrere Meisterstücke der Mahlerei von den größten Künstlern des Alterthums aufbewahrt erhalten haben. Diese Kunst wurde in Europa erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfunden; die Chineser sollen dieselbe schon lange vorher gekannt haben. Unter den Europäischen Völkern streiten die Deutschen, die Italiäner und die Holländer um diese Erfindung; jedoch scheint bis jetzt die Sache [341] für die Deutschen entschieden zu sein. Der erste namhafte Kupferstecher ist ein Deutscher, Martin Schön (gestorben ums Jahr 1486); man hat noch viele Blätter von ihm. Auch sind noch eine Menge Blätter da, welche zwar ohne Jahrzahl und Namen sind, aber doch älter als Schöns Blätter zu sein scheinen. Die Kupferstecherkunst entwickelte sich unstreitig aus dem Formschneiden; und die ersten Abdrücke sind wahrscheinlich von Arbeiten der Goldschmide und Silberstecher gemacht worden. Von eigentlichen Kupferstichen ist die Arbeit mit dem Grabstichel die älteste; die andern Methoden oder Manieren der Kupferstecherkunst sind erst nachher erfunden worden. Ich werde die vorzüglichsten dieser Manieren anführen, und zwar in der Ordnung, wie sie nach und nach aufgekommen sind, wobei ich jedoch bemerken muß, daß man oft mehrere dieser Manieren mit einander zu verbinden pflegt.

1. Das Kupferstechen mit dem Grabstichel, oder die Kupferstecherkunst im engern Sinne des Worts. Man zeichnet die Umrisse und Formen seines Stoffs mit einer spitzen Nadel, welche die kalte Nadel genannt wird, in das Kupfer, und schneidet nachher vermittelst des Stichels mehr oder weniger große und tiefe Furchen, welche Furchen Taillen oder Schraffirungen genannt werden. Diese Manier ist der größten Nettigkeit und Präcision fähig, auch ist sie die schwerste unter allen. So wie aber alle mittelmäßige Arbeit hierin sehr unangenehm ausfällt, so ist auch die zu genaue Regelmäßigkeit und Schärfe des Strichs in derselben nicht für alle Dinge in der Natur passend. Bause, Bloemaert, Edelink, Sharp, Wille u. A. sind vorzügliche Meister in derselben.

2. Das Aetzen oder Radiren. Diese Manier kam nach der eben beschriebenen auf. Man überzieht die Kupferplatte mit dem so genannten Radirgrunde, welcher in einem gewissen Firniß besteht, und den man am besten mit Wachsruß anlaufen läßt; dieser Grund wird nach der darzustellenden Zeichnung mit der Radirnadel bis auf das Kupfer aufgerissen, auch wohl etwas in das Kupfer hinein geritzt; hierauf zieht man rings um die Kupfertafel herum einen Rand von Wachs, und gießt Scheidewasser darauf, welches in[342] die vom Aetzgrunde entblößten Stellen eindringt, dieselben vertieft und so die Figuren in Kupfer darstellt. Außer dem Talent der Zeichnung wird zu dieser Manier vorzüglich die Kenntniß, mit dem Scheidewasser (welches Diderot sehr glücklich das Entzücken und die Verzweiflung des Künstlers nennt) wohl umzugehen erfordert. Uebrigens kann den geätzten Platten durch den Grabstichel (welcher sehr bald mit der Radirnadel vereinigt wurde) die gehörige Vollendung in Rücksicht auf Reinheit und Kraft gegeben werden. Die Aetz- oder Radirmanier ist die bequemste Art, auf Kupferplatten zu zeichnen. In Rücksicht auf ihre Wirkung macht sie zwar weniger Effect als andere Manieren, ist aber doch für alles, wo es auf treffende Darstellung des Süjets, auf richtige Zeichnung der Formen und auf Ausdruck der Charaktere ankommt, beinahe ganz hinreichend, dem wahren Kenner das Wesentliche zu geben; besonders kann in Landschaft überhaupt und in allen ihren Haupt-Bestandtheilen zu einem hohen Grade von Ausführung geätzt werden. Ohne sich eigentlich mit der Kupferstecherkunst zu beschäftigen, haben mehrere große Mahler Werke von sich radirt; und diese Arbeiten werden vorzüglich hoch geschätzt. Stephandella Bella, Callot, die Carrache, Daniel Chodowiecki, le Clerc, Cochin, Albrecht Dürer, den man für den Erfinder der Aetzkunst hält, welches jedoch nicht so ausgemacht ist, als daß er diese Kunst sehr vervollkommnet hat, Geyser, Hogarth, Meil, Mathias Merian, Rembrandt, Salvator Rosa u. A. sind diejenigen Künstler, deren radirte Arbeiten am höchsten geschätzt werden.

3. Die Punktirmanier, mit dem Hammer oder Punsen und mit dem Roulet (Opus mallei). Da die Kupferstecherkunst von den Goldschmiden ausging, so ist zwar der Hammer der Goldschmide gleich anfangs dabei gebraucht worden; allein es war vorzüglich im 16. Jahrhunderte, daß die gehämmerte Arbeit aufkam, wo man mit einem Spitzhammer seine Punkte in die Platte schlug, und so die Figuren herausbrachte, dabei aber gewöhnlich zugleich mit dem Grabstichel nachhalf. Im engern Sinne des Worts heißt jedoch gegenwärtig punktirte Manier diejenige Vervollkommnung derselben, an welcher Bartolozzi[343] in England wo nicht den ersten, doch den vorzüglichsten Antheil hat. Sie ist eine Zusammensetzung von Punkten und Schraffirungen, in welcher aber die Punkte der herrschende Theil und gewöhnlich in dem Fleischigen und den Gründen angebracht sind. Man kann sich dazu des Scheidewassers bedienen oder nicht. Diese Manier ist, wie der Grabstichel, mühsam und langwierig, giebt weniger Bestimmtheit als dieser, aber mehr Sanftheit. Mit Bartolozzi zugleich und nach ihm haben Burke, Collyer, der unglückliche Ryland u. A. und unter den Deutschen Daniel Berger, C. Feller, G. Fr. Schmidt u. A. in dieser Manier gearbeitet. Uebrigens sind in dieser Manier auch rothe und bunte Abdrücke vorhanden.

Wahrscheinlich ist die eben erwähnte punktirte Manier die sich vorzugsweise in den Händen der Englischen Künstler befindet, aus der sogenannten Crayon-Manier entstanden, welche auch zur Punktirmanier gehört, mit dem Roulet und andern Werkzeugen gearbeitet wird, und Handrisse von schwarzer und rother Kreide nachahmt. Sie wurde in der Mitte dieses Jahrhunderts von Francois erfunden und von Des marteaux zur Vollkommenheit gebracht. Sie ist vorzüglich geschickt, angehenden Künstlern Muster zum Copiren zu liefern; denn derjenige, der nach Kupferstichen zeichnet, gewöhnt sich an eine harte und steife Manier.

4. Die schwarze Kunst, oder die Schabemanier, von den Engländern, wiewohl nicht ganz richtig, auch Mezzotinto genannt; eine Manier, deren Erfindung ungefähr in das Jahr 1643 fällt, und dem berühmten Pfälzischen Prinzen Ruppert, der in England lebte, zugeschrieben wird, die aber erst in unsern Tagen in England ihre wahre Vollkommenheit erlangt hat, und daher auch die Englische Manier genannt zu werden pflegt. Die schwarze Kunst ist von der Manier mit dem Grabstichel und der Radirnadel gänzlich verschieden. Die Kupferplatte wird bei der schwarzen Kunst so bearbeitet, daß sie ganz rauch und krause wird, so daß sie abgedruckt einen durchaus schwarzen Abdruck geben würde. Auf diesen Grund wird nun die Zeichnung gemacht, und derselbe nach Verhältniß des Lichts, das man über sein Blatt verbreiten [344] will, nach und nach hinweggeschabt. Anstatt daß man also in jenen beiden genannten Manieren von dem Lichte zum Schatten übergeht, indem man seiner Platte nach und nach Farbe und Wirkung giebt, geht man in der schwarzen Kunst im Gegentheil von den Schatten zu den Lichtern über. – Bei der schwarzen Kunst findet eine sehr feine und geschwinde Behandlung Statt; die Weichheit, die sie in die Arbeit bringt, ist für viele Gegenstände zweckmäßig, für andre hingegen weniger gut; und das dominirende Schwarz (daher der Name »schwarze Kunst«) dieser Manier macht sie für alles, was für auffallenden Effect des Lichts gearbeitet ist, sehr brauchbar. Wo aber Schönheit und Bestimmtheit der Umrisse und Klarheit der Farbengebung das vorzüglichste Verdienst ausmachen, da wird sie das nicht leisten, was man wünschen kann. Die berühmtesten Meister in der schwarzen Kunst sind Englische Künstler, vorzüglich Burke, Collyer, Dixon, die beiden Green, Jones, Polland, Watson u. A.

5. Die Tuschmanier oder Aquatinta, welche getuschte Handrisse in Kupfer nachahmt. Diese Manier scheint in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts von Verschiedenen zugleich auf verschiedne Art erfunden worden zu sein. Le Prince vervollkommnete sie ums Jahr 1770, und sie erhielt seinen Namen. Er bediente sich weder des Grabstichels noch der Radirnadel, sondern bloß einer Beitze, die er vermittelst des Pinsels auf die Kupferplatte trug, und deren Geheimniß er seiner Nichte hinterließ. Durch den Engländer Paul Sandby wurde diese Manier noch weiter gebracht; und sie erhielt den Namen gewaschene Manier, Aquatinta. Diese Manier ist ganz dazu gemacht, Zeichnungen mit dem Pinsel in Tusch, Bistre, Sepia u. d. recht glücklich nachzuahmen, besonders wo der Effect eigentlich durch Hauptmassen, und folglich mit wenigen Tönen, hervorgebracht werden soll. Neben Sandby, welcher in dieser Manier unerreichbar ist, haben sich der Mahler Barry, der Kupferstecher Inkes, die Geschwister Green u. A. mit gutem Erfolg darin versucht.

Was die bunnten Kupfer betrifft, welche, wiewohl nicht zum Vortheil der echten Kunst, in England so sehr Mode worden sind, so muß man illuminirte [345] Kupfer von bunten Abdrücken unterscheiden, welche letztere theils mit mehr als einer Platte, theils mit einer einzigen gemacht werden. Bunte Abdrücke mit mehr als einer Platte wurden schon im vorigen Jahrhunderte, besonders zu Anfange des gegenwärtigen von Le Blond versucht; seit zwölf bis funfzehn Jahren aber hat man vorzüglich in England sich mit bunten Abdrücken beschäftigt, unter denen die mit einer Platte die besten, aber auch die theuersten sind.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 341-346.
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