Die Schauspielkunst

[86] Die Schauspielkunst. In welchem traurigen Zustande dieselbe in den frühesten Zeiten in Deutschland sein mußte, das die Mönche gleichsam in Finsterniß gefangen hielten, indem es unter der Regierung andächtelnder Fürsten, unter der Wuth der Religionskriege seufzte, ersieht man schon aus der kurzen fragmentarischen Geschichte unter d. Art. Schauspiel. – Die Histrionen und Joculatoren, von denen man die erste Entstehung einer Schauspielkunst ableiten muß, wurden – als das Spanische Hofceremoniel unter Carl V. nach Deutschland kam, sich bald an alle kleinere Deutsche Höfe verbreitete und dem Deutschen Ernst eine Spanische Grandezza mittheilte – durch Decrete für ehrlos und anrüchtig erklärt, so daß selbst ihre Erbschaft nach ihrem Tode der Obrigkeit zufiel (s. Sachsenspiegel 1. Buch. Art. 37). Unter solchen Umständen wurde die Schauspielkunst nur von den rohesten, uncultivirtsten Leuten ausgeübt, die nur darauf sahen, oft zum größten Nachtheil der Sitten, die Zuschauer zu belustigen. – Schon zu Anfange des siebzehnten Jahrhunderts lesen wir von Schauspieler-Gesellschaften, namentlich der Treuischen, als der ersten, besonders auch noch darum merkwürdig, daß der berühmte Dänische Ober-Hofprediger Johann Laßenius einer der vorzüglichsten Acteurs bei derselben war. Einer Sage nach soll vor dieser Truppe schon die eines gekrönten [86] Poeten, Namens von Sonnenhammer, und die eines Carl Pauli (eines Obristlieutenants-Sohns), welcher letztere sich mit mehrern studirten und wohlerzogenen Leuten verband, existirt haben. Die Entstehung mehrerer anderer Schauspieler-Gesellschaften finden wir im Taschenbuch für die Schaubühne aufgezeichnet. Magister Veltheim, der sich mit einigen Leipziger und Jenaischen Studenten verbunden hatte, brachte zuerst die extemporirten Stücke in Gang.

Der spät erst in Deutschland emporkeimende Patriotismus war besonders der Schauspielkunst nicht zuträglich. Ehe wir Dichter unserer Nation kannten, bewunderten wir in Schau- und Trauerspielen die der fremden Nationen, besonders der Französischen; natürlich stellten nun auch die Schauspieler auf der Bühne uns fremde Sitten und Gebräuche dar. Da nun auch besonders durch Voltaireʼs Erscheinung der Geschmack an Französischen Schauspielen aufs neue begünstigt wurde; so mußten natürlich auch die Deutschen Schauspieler, wenn es deren gleich so manche brave gab, und wenn sie gleich – wie Iffland sagt – weit besser waren als die Schauspiele, worin sie auftreten mußten, dennoch unbemerkt bleiben. Endlich als Deutsche Dichter denn doch auftraten, die jenen Ausländern entgegen gestellt werden konnten; als selbst der Uebermuth Französischer Schauspieler zu sehr um sich griff; die Oeconomie an mehrern Deutschen Höfen nicht mehr ungeheure Summen an jene Franzosen verschwenden wollte; als selbst auch Patriotismus sich der Deutschen mehr bemächtigte: da wirkte dieß alles gemeinschaftlich zur Abschaffung der Französischen und zur Einführung der Deutschen Schauspiele. Mit Eckhoff (nach Engels Urtheil dem größten Deutschen Schauspieler) und der Seilerin in den Jahren 1740 u. folg. entstand nun wirklich Deutsche Schauspielkunst; sie waren die ersten, die richtige Ansichten von der Kunst, Charaktere in verschiedenen Verhältnissen darzustellen, aufgefaßt hatten. Ihnen folgten nun mehrere große Künstler, ein Schröder, ein Brockmann, Reinicke, Fleck nebst ihren Gattinnen, eine Unzelmann (jetzt Bethmann), ein Christ und – ein Iffland. Was dieses große [87] theatralische Genie für das Schauspiel ist, das findet man in dem eignen Artikel Iffland (Theil 2. S. 227 u. folg.).

Menschenkunde ist der Inbegriff menschenbildender Darstellung, wobei es besonders zweier Haupterfordernisse bedarf, des mündlichen Vortrags und der Geberden-Sprache. Zum mündlichen Vortrage gehört für den Schauspieler 1) ein gutes sonores Organ, um jedem Worte die gehörige Wirkung durch den Ton zu geben, 2) ein gutes Gedächtniß. – Das Geberden-Spiel drückt sich durch alle bemerkbare Theile des Körpers eines Schauspielers aus, ist aber, so wie der mündliche Vortrag, der Natur jedes darzustellenden Charakters unterworfen; beide müssen die Darstellung in beständiger Harmonie liefern. Die veredelte Natur stellt uns der denkende Künstler auf der Bühne dar.

Engels Ideen zu einer Mimik, Lessings Hamburgische Dramaturgie, Ifflands Fragmente über Menschen - Darstellung auf den Deutschen Bühnen, Bottchers Entwickelung des Ifflandischen Spiels – nicht minder auch die neuen im Jahr 1802 abgefaßten Gesetze und Anordnungen für das königl. Theater zu Berlin – enthalten die wichtigsten und nützlichsten Winke und Belehrungen über diese Kunst.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 86-88.
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