Die Wallachei

[363] Die Wallachei, eine große Landschaft, gegen Osten an die Moldau, gegen Westen an Siebenbürgen und Ungarn, gegen Süden an die Donau (welche sie von Servien und Bulgarien trennt) grenzend, ist ein sehr fruchtbares Land an Getreide, Wein, Obst und ergiebigen Salzgruben; Pferde- und überhaupt Vieh-Zucht ist ebenfalls sehr gedeihlich. Einige Flüsse, welche [363] sie durchströhmen, führen zum Theil Goldkörner. Die Wallachei theilet sich in die westliche oder eigentliche Wallachei (diesseits der Olta), welche 12 Districte in sich begreift, und in die östliche (jenseits der Olta), die 5 Districte enthält. Bisweilen wird auch die Wallachei in weiterer Bedeutung genommen, und dann rechnet man auch die Moldau dazu; indessen werden beide Länder von einerlei Volk bewohnt, und sie reden auch ziemlich einerlei Sprache. Lebensart und Wohnung der Einwohner (welche übrigens noch weit zahlreicher sein könnten, aber wegen der schlechten Verfassung immer mehr sich vermindern) sind ganz nach Türkischer Art; ihre Religion aber ist die Griechische, und das Haupt der Clerisei der Metropolit oder Erzbischof, welcher unter dem Patriarchen zu Constantinopel steht. An sich selbst aber fehlt es noch sehr an besserer Cultur; Wissenschaften und Künste – etwa die Arzneiwissenschaft ausgenommen – sind in schlechtem Zustande, und Unwissenheit und Aberglaube haben die Oberherrschaft. An sich selbst ein träges, unthätiges Volk, überlassen die Wallachen die besten Arbeiten, in Handwerken u. dgl. den Armeniern, Juden, oder, was schlechtere Arbeit betrifft, den Zigeunern, welche häufig und leibeigen hier sind. – Wahrscheinlich kommt der Name Wallach von Asiatischen Wlachen (welche Benennung überhaupt Nomaden bezeichnet) oder Wolochen her, die mit den Bulgaren zu Ende des 5. Jahrhunderts in diese Gegend zogen, und die Slaven von der Donau verdrängten. Den eigentlichen Anfang des Wallachischen Staates setzt man in das 12. Jahrhundert. Die ersten Fürsten hießen Woiwoden oder Heerführer, dann führten sie den Titel Hospodaren oder Despoten. Anfangs des 15ten Jahrhunderts wurden sie den Türken zinsbar, obgleich der von der Pforte ernannte Fürst seine Stelle Zeitlebens behielt; in der Folge aber wurde die Einsetzung alle 3 Jahre, und endlich jedes Jahr erneuert – ein Grund, wodurch das Land ganz ausgesogen wurde; denn jeder Fürst suchte nun durch ungeheure Geschenke an den Sultan und die übrigen Großen seinen Besitz wieder zu erkaufen.

Die vornehmsten Staatsdiener nach dem Fürsten[364] sind die Bojaren, welche vormahls ihren Hospodar wählten, der dann von der Pforte bestätiget wurde; allein jetzt bestimmt diese ihn ganz willkührlich. Der Divan macht das höchste Staatscollegium aus, in welchem auch der Metropolit sitzt. Uebrigens ist der Hofstaat und die ganze Regierungsverfassung – Asiatisch, das heißt: von den traurigsten Folgen für das arme gedrückte Land.

(Die neuesten Vorfälle in der Wallachei, wo der von Rußland protegirte Fürst (Hospodar) Ipsilanti von der Pforte abgesetzt und kaum noch durch die Flucht gerettet wurde, so wie der Erfolg davon, bleiben den künftigen Nachträgen vorbehalten.)

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 363-365.
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