Slaven

[300] Slaven (Sclaver, Sclaven), ist der Name einer einst sehr mächtigen Nation, die sich durch Ungarn, Pohlen, Rußland, Preußen, Pommern, Böhmen, Schlesien etc. ausbreitete. Sie kamen ungefähr im 6. oder 7. Jahrhunderte aus dem innern Scythien, brachen mit ungeheuern Kriegsheeren in Europa ein, und zwar der eine Theil unter dem Anführer Lech, der andere unter dessen Bruder Zech; bezwangen Thracien, Mysien, Macedonien, einen Theil von Ungarn etc., gingen über die Weichsel, und brachten alle Länder bis an die Elbe und das Baltische Meer in ihre Gewalt. Sie sollen sich auch von diesen ihren so glücklichen Unternehmungen eben den Namen Slaven, die Glorreichen (weil Slava Lob und Ruhm bedeutet), beigelegt haben. – Man theilt sie übrigens am füglichsten in die östlichen Slaven (welche Anfangs unter den Griechischen Kaisern lebten, nachher selbst ein Königreich, das [300] Moravische, aufrichteten, welches auch bis auf Carln den Großen fortgeführt, endlich aber von Heinrich I., weil sie zu viel Unruhen anstifteten, ganz vertilgt wurde), und in die mitternächtlichen Slaven, zu denen die Wenden, Sorben etc. gehörten. Sie waren übrigens Götzendiener (ihr vornehmster Gott hieß Bog, und seine Göttin Siwa; nächstdem hatten sie einen guten, Czernebog, und einen bösen, Belbog), bis sie unter Carln dem Großen, oder, nach Andern, unter Kaiser Lothar dem Frommen, sich zur christlichen Religion bekehrten. Sie sind übrigens unter allen Europäischen Völkern die ersten, bei welchen die heilige Schrift in ihre Muttersprache übersetzt wurde. – Heut zu Tage erstreckt sich dieses Volk von den Gränzen Italiens, oder des Venetianischen und Tyroler Gebiets in Westen, an dem linken oder östlichen Ufer des Adriatischen Meeres abwärts neben Albanien, und rückwärts nach Norden an das Eismeer, dann über Kamtschatka fort bis nach Nordamerika; hauptsächlich aber findet man diese Slavische Nation in Ungarn, besonders in Dalmatien, Illyrien und Sclavonien (s. Sclavonien). Es ist eine beherzte, wohl auch etwas grausame, übrigens aber sehr lustige und muntere Nation, gastfrei, den Trunk liebend: sie reden noch ihre eigne Sprache, haben ihre eignen Sitten und Gebräuche, sind sehr fleißig und treiben meisten Theils Ackerbau, oder auch ein Theil von ihnen (z. B. die Istrier etc.) Weinbau; auch übertreffen sie die Ungarn bei weitem an Geschicklichkeit und Verstandeskräften.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 300-301.
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