Theodora

[124] Theodora, die berühmte Gemahlin des Kaisers Justinian, war weder ihrem Stande, noch ihrer Lebensart nach zu dieser Würde berechtiget. Ueber ihre Abkunft schweigen alle damahligen Schriftsteller; nur der einzige Procopius nennt ihren Vater Acacius, der die Aufsicht über die wilden Thiere bei den Phrasinen [124] zu Constantinopel gehabt habe. Er starb unter Anastasius; und diese seine Tochter erwählte, auf Anrathen ihrer Mutter, den Stand einer Schauspielerin, führte aber dabei eben nicht das keuscheste Leben. Justinian erblickte sie einmahl, und wurde so heftig in sie verliebt, daß er sie sogleich an seinen Hof zog. Obgleich noch nicht Kaiser, wollte er sie doch damahls schon ehelichen; nur seine Mutter, Vigilantia, und des Kaisers Justinus Gemahlin, Euphemia, so wie überhaupt die Römischen Gesetze waren seinem Vorhaben zuwider: dennoch wußte er nach jener Todte den Kaiser Justin zu einem Gesetze zu bewegen, wodurch die Ehe eines Römischen Patriciers auch mit einer solchen Person gebilliget wurde und – Justinian vermählte sich mit ihr. Als dieser nun nachher die Regierung erhielt, hatte Theodora ihn ganz in ihrer Gewalt: sie verleitete ihn zu vielen Thorheiten, zu vielen Ungerechtigkeiten; sie selbst, eine rachgierige Person, bereitete sehr Vielen ihren Untergang, und ihr Stolz, mit welchem sie die vornehmsten Staatsbedienten behandelte, war unerträglich. – Eine solche Patronin gehabt zu haben, die durch ihr Ansehn so viel vortheilhafte Gesetze und Privilegien für die Weiber einführen ließ, dürfte nun freilich für das schöne Geschlecht nicht gar zu schmeichelhaft sein; indessen haben sie jene Gesetze, die Justinians Gesetzbuche einverleibt und noch bis jetzt großen Theils zu ihrem Besten gültig sind – einer Theodora zu verdanken.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 124-125.
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