Weimar [2]

[393] Weimar, an dem Flusse Ilm gelegen, mit ungefähr 7000 Einwohnern. – Bei der Landestheilung 1445 (s. den Art. Thüringen) kam diese Stadt an Herzog Wilhelm II. und blieb seitdem fast ununterbrochen ein Wohnsitz der Landesfürsten. Jener Herzog sowohl, als seine Vettern, Ernst und Albrecht, [393] erwarben sich viele Verdienste um diesen Ort; und ob gleich die Geistlichen sich der Ausbreitung der Lutherischen Lehrsätze sehr widersetzten, so mußten sie sich doch der Visitation von 1527 fügen, ja die Franciscaner im Jahr 1533 die Stadt verlassen. – Und nun, welcher gebildete Leser nennt nicht mit Vergnügen einen Ort, der schon so lange Zeit der Aufenthalt der merkwürdigsten Dichter, Gelehrten und Künstler unsers Zeitalters war und noch ist! Ein Wieland, ein Göthe, ein Schiller, ein Herder – Namen, die jeder nur etwas Gebildete mit inniger Verehrung ausspricht, stehen an der Spitze. Daß diese alle unter dem Schutze und der Begünstigung einer der erhabensten Damen, wie die im April 1807 zur Trauer aller Edlen verstorbene verw. Herzogin Anna Amalia war; eines Regenten, wie der jetzige Herzog, sein Erbprinz, und dessen so allgemein verehrte und geliebte Gemahlin sind die höchste Stufe der Bewunderung erreichen mußten, wird Keinen Wunder nehmen, der es weiß, wie mächtig die Achtung und Verehrung hoher Porsonen für die Wissenschaften und schönen Künste wirkt. Wenn auch gleich die Stadt Weimar an sich selbst nur klein ist, so zeigt doch schon ihr ganzes Aeußere, welchen bedeutenden Inhalt sie fasse. Das neue Schloß (welches 1774 zwar abbrannte, aber dann wieder hergestellt wurde) nebst dem daran stoßenden reitzenden Park und das eine halbe Stunde davon liegende reitzende Belvedere – die ansehnliche Bibliothek, das Münzcabinett; ein Gymnasium, eine Zeichenschule, eine Torevticafabrik; das unter der Leitung eines Göthe und Schiller so berühmt gewordene Theater – Alles giebt die sprechendsten Beweise, daß hier eigentlich ein wahrer Sitz der Musen sei.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 393-394.
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