Zwerge

[494] Zwerge. Diese bekannten Abarten von Menschen, welche theils aus Krankheit, theils aber auch aus andern physischen Ursachen unförmlich klein sind, haben ehedem zu vielen Fabeleien der Dichter Veranlassung gegeben, dahin z. B. die Pygmäen (s. dies. Art.) gehören. Seit uralten Zeiten waren sie, so wie die Hofnarren, ein Gegenstand fürstlicher Prahlerei und Aufwandes, so daß sie in manchen Zeiten einen Theil des Hofstaates ausmachten, und große Herren sich an ihrer komischen Gestalt, oder an ihrer Blödsinnigkeit belustigten. Zur Zeit des Ritterwesens war es das eigenthümliche Geschäft der Zwerge, von den Thürmen der adlichen oder fürstlichen Schlösser durch ein Horn das Zeichen zu geben, wenn sich vornehme Ritter oder Damen nahten; auch wurden sie wohl zu Pagen und Botschaftern gebraucht: daher spielten sie auch in den Gedichten der damahligen Romanciers immer eine bedeutende Rolle. – Bei den Römern machte man sogar aus den Zwergen einen Gegenstand des Handels; und dieß gab Veranlassung zu der Grausamkeit, daß öfters sogar Kinder mit Fleiß verkrüppelt wurden, um elende Zwerge aus ihnen zu machen. Auch sogar zu Fechterspielen wurden Zwerge gebraucht. – Kaiser Alexander Severns schaffte endlich die Zwerge und Zwerginnen ab. An Türkischen und andern orientalischen Höfen hat man auch solche Zwerge, und [494] zwar wurden diejenigen, welche von Natur stumm, taub, und über dieß noch verschnitten sind, für die schönsten und besten gehalten. Auch in Italien suchte man ehemahls eine Art Luxus darin, viel und häßliche Zwerge zur Bedienung zu haben; und in Rußland wurden in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Zwerge viele gefunden, da man diese kleinen Geschöpfe daselbst mit einander verheirathete.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 494-495.
Lizenz:
Faksimiles:
494 | 495
Kategorien: