Die Grafen von Bernstorf

[114] Die Grafen von Bernstorf (öfters auch Bernsdorf): Schwerlich wird es unter den deutschen adlichen Geschlechtern viele geben, die sich rühmen könnten, in einer Folge so viele verdiente Staatsmänner als dies Geschlecht hervorgebracht zu haben. Unter ihnen zeichnen sich besonders aus:

Johann Hartwig Ernst Graf von Bernstorf, königlich dänischer Staatsminister, geheimer Rath und Ritter des Elephanten-Ordens, im Hannöverischen am 13. Mai 1712 geb. Durch seinen Vetter, den hannoverischen ersten Staatsminister, Andreas Gottlieb von Bernstorf († 1726) einer sehr guten Erziehung theilhaftig, kam er, ohngefähr 20 Jahre alt, in dänische Dienste, wo er zuerst in Gesandtschaften gebraucht und besonders seit 1741 zu Regensburg und Paris als Gesandter angestellt wurde. Nach einiger Zeit Kammerherr, dann (1746) Ritter des Danebrogsorden, (1750) Staatssekretair und geheimer Rath, und im folgenden Jahre in den geheimen Staatsrath eingeführt, zeigte sich seine Thätigkeit zum Besten Dänemarks und sein vortrefliches Herz immer mehr. Er war der erste, der in Dänemark seinen Bauern Freiheit und Eigenthum gab, Gemeinweiden und Frohndienste aufhob, Hebammenschulen errichtete und vorzüglich seine Vorsorge auf [114] die Armen richtete, unter die er jährlich den vierten Theil seiner Einkünfte vertheilte und, auch nach seinem Weggange aus Dänemark, jährlich 3000 Thaler auszahlen ließ. Er bewirkte Dänemarks Neutralität im siebenjährigen Kriege, brachte es dahin, daß Friedrich V., König von Dänemark, nach dem Tode des letzten Herzogs von Holstein-Plön, 1761 dessen Lande mit seiner Krone vereinigte, und als der Herzog von Holstein und nachmalige russische Kaiser Peter III. sowohl deshalb, als wegen Schleswig seine Forderungen geltend machen wollte, sorgte Bernstorf für alle mögliche Zurüstungen zum Kriege. Allein er sollte das Glück haben, seinem Staate Vergrößerung zu schaffen, ohne eines Menschen Blut zu vergießen. Peters Tod (1762) hinderte den Ausbruch des Krieges, indem Catharina II. diese Streitigkeit auf gütliche Ausgleichung aussetzte, die auch durch die nachherige Vertauschung Oldenburas und Delmenhorsts gegen Holstein erfolgte. Bernstorf war auch ein großer Freund und Beförderer der Gelehrsamkeit und selbst Kenner. Es war daher nicht Glück, sondern Belohnung seiner Verdienste, daß er zu immer höhern Ehrenstellen gelangte. Auch als Friedrich V., dessen Regierung er so treflich geleitet hatte, 1766 starb, genoß er die Gnade des neuen Königs Christian VII., der ihn 1767 in den Grafenstand erhob. Allein dessen neuer Liebling Struensee (s. dies Art.) brachte es bald dahin, daß Bernstorf am 15. September 1770 durch ein eigenhändiges Schreiben des Königs (mit dem er nur erst von einer Reise aus Schleswig und Holstein zurückgekommen war) in Gnaden seine Entlassung, mit einem jährlichen Gehalte von 6000 Thalern, erhielt. Er ging jetzt nach Hamburg, wo er bald genug Struenseeʼs Fall erlebte, und nun die Genugthuung genoß, seine Verdienste auf die ausgezeichnetste Art anerkannt zu sehen, indem er wieder nach Dänemark zurückberufen; aber, bereit, diesen Ruf willig anzunehmen, durch seinen unvermutheten Tod (am 19. Februar 1772) daran gehindert wurde. Die Nachricht von demselben erregte in Dänemark allgemeine Betrübniß, da seine Menschenliebe, seine [115] ungeheuchelte Frömmigkeit, seine Vorsorge für Arme, Wittwen und Waisen ihm Aller Liebe erworben hatte. Ein Beweis der Liebe und Achtung, die er noch nach seinem Tode genoß, war es, daß noch im Jahr 1783 am 28. August die Bauern seines Gutes in Dänemark, wegen der von ihm ausgehobenen Leibeigenschaft und bewirkten landschaftlichen Verbesserungen, auf den Feldern seines Gutes, ohngefähr eine Meile von Kopenhagen, ihm eine Ehrensäule errichten ließen, die als ein freiwilliges Monument der Dankbarkeit merkwürdig ist. Sehr schön sagt übrigens Spittler von diesem großen Manne: »In der Reihe der treflichen Minister, die König Friedrich V. von Dänemark hatte, glänzt Graf Bernstorf als ein Mann der ersten Größe. Was irgend ein Minister in seiner Lage thun konnte, das hat er vollendet, und wenn er keine großen durchgreifenden Unternehmungen ausführte, sondern alles dem allmählichen Besserwerden überließ, das sich von selbst ergiebt, sobald die wichtigsten vacant werdenden Plätze mit fähigen, edlen Männern besetzt werden; so folgte er einem Reformationsplan, der hier seinen Einsichten eben so viele Ehre machte, als seinem Herzen.« – Eben so große, und in mancher Hinsicht noch größere Verdienste um den dänischen Staat erwarb sich auch der Vetter des vorigen,

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 114-116.
Lizenz:
Faksimiles:
114 | 115 | 116
Kategorien: