Brillen

[322] Brillen heißen die runden und ovalen, flachgewölbten oder hohlgeschliffenen, zuweilen blau- oder grünfarbigen Gläser, welche zur Unterstützung der Sehkraft vor den Augen getragen werden. Sie sind eine Erfindung des Mittelalters und erweisen sich außerordentlich wohlthätig, wenn sie dem Zustande der Augen genau angepaßt werden, können aber im entgegengesetzten Falle und besonders wenn sie zu scharf sind, ungemein schaden. Die gewöhnlichen müssen vom besten, völlig reinen und farblosen Glase verfertigt und sorgfältig geschliffen und polirt werden. Kurzsichtige, d.h. Solche, die 15–20, ja nur 7–8 Zoll von den Augen entfernte Gegenstände nicht mehr deutlich zu erkennen vermögen, bedürfen hohlgeschliffener, Weit- oder Fernsichtige oder Solche, die nur in weit größerer Entfernung deutlich, in der Nähe fast nichts sehen können, gewölbt geschliffener Brillen; im Allgemeinen Schwachsichtige bedienen sich am zweckmäßigsten der sogenannten Plan- oder Flachgläser. Die Nothwendigkeit, sich einer Brille zu bedienen, verräth sich durch verschiedene, die Mängel der Sehkraft andeutende Wahrnehmungen, ob aber eine Brille dem Auge die seinem Bedürfnisse angemessene Unterstützung gewährt, wird daran erkannt, daß man damit ebenso lesen, schreiben und ähnliche Geschäfte verrichten kann, als ob man ein ganz gesundes Gesicht hätte; daß ferner anhaltender Gebrauch derselben die Augen nicht angreift, sondern im Gegentheil das Gefühl einer gewissen Behaglichkeit und Ruhe in ihnen hervorbringt und daß die Gegenstände in der dem gesunden Auge bequemen Entfernung weder verkleinert noch vergrößert erscheinen, mithin z.B. auf eine Entfernung von 12–16 Zoll Schrift von mittlerer Größe ohne alle Anstrengung lesbar bleibt. Die entgegengesetzten Erscheinungen, zu denen sich häufig Kopfweh, Druck über den Augenbrauen, in den Augen selbst und andere Unbequemlichkeiten gesellen, zeigen also an, daß eine Brille ihren Zweck nicht erfüllt. Zuweilen ist aber ein Auge dem andern an Sehkraft überlegen, ja das eine kann kurzsichtig sein, während das andere fernsichtig ist, was theils angeboren, theils die Folge des häufigen Gebrauches von Ferngläsern, einfachen Lorgnetten und sogenannten Lesegläsern sein kann, die immer nur ein Auge in Anspruch nehmen, und dann muß natürlich für jedes ein besonderes, seinem Zustande angemessenes Glas ausgewählt werden. Manche bedürfen nur bei künstlicher Beleuchtung der Brillen, Andere, wie vorzüglich Weit- und Schwachsichtige, sind gezwungen, sich des Abends schärferer Gläser zu bedienen, als sie gewöhnlich am Tage tragen. Die grünen Brillengläser pflegen Denen empfohlen zu werden, welche an Lichtscheu und übermäßiger Empfindlichkeit der Augen leiden, erfüllen aber nicht den beabsichtigten Zweck, sondern schaden dem Gesicht gradezu, indem sie die Gegenstände verdunkeln, zur Unterscheidung derselben also einen größern Aufwand von Sehkraft erheischen und das Auge von dem hellen Tageslichte entwöhnen. Mit Nutzen bedient man sich ihrer jedoch, wenn man genöthigt ist, glänzendweiße Flächen, z.B. den Schnee bei hellem Sonnenschein lange anzusehen oder ein anderes blendendes Licht lange zu ertragen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 322.
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