Ohrwurm

[334] Ohrwurm, auch Öhrling heißt ein in unsern Obst- und Blumengärten mitunter sehr häufiges und dann schädliches Insekt, das bei sehr geringer Breite gegen einen Zoll lang wird, einen platten und überaus beweglichen und gewandten Körper hat und gewöhnlich glänzend braun aussieht. Die Ohrwürmer haben sechs Füße, sehr kleine und kaum über den halben Leib reichende Flügeldecken, unter denen aber überraschend große und nicht blos der Länge, sondern auch die Quere gefaltete Flügel liegen und am Hintertheil eine bewegliche, verhältnißmäßig starke Zange. Diese dient ihnen als Vertheidigungswaffe und man hat sie davon auch Zangenkäfer genannt. Die Ohrwürmer halten sich einzeln und gesellig unter Steinen, zwischen der Baumrinde und an ähnlichen Orten auf und wählen vorzüglich gern enge und dunkle Höhlungen zu ihrem Versteck. Man benutzt diese Neigung, um sie zu vermindern, wo sie lästig werden, weil sie mit ihrer Gefräßigkeit, die sie sogar zu Angriffen aufeinander verleitet, an manchen Blumen und besonders an Nelken und Georginen, sowie an [334] den feinern Obstsorten viel Schaden anrichten. Man befestigt nämlich Stückchen Rohr, ausgehöhlte Hollunderstäbchen oder Stengel von Sonnenrosen, auch Papiertüten und ähnliche hohle Dinge an die Gewächse oder legt sie in deren Nähe, sodaß die Öffnungen nach unten gewendet sind, in die sie über Nacht hineinschlüpfen und am Morgen daraus gesammelt und getödtet werden können. Nur indem sie dieser Neigung folgen, geräth in seltenen Fällen auch wol ein Ohrwurm in das Ohr eines Menschen, wo er leicht durch Eingießen von Öl getödtet, auch herausbefördert werden kann, indem man eine mit Baumwolle umwickelte und mit Terpenthin getränkte Schraubensonde einführt und im Ohre umdreht, bis der Ohrwurm daran hängen bleibt. Merkwürdig ist bei der Fortpflanzung dieser Insekten, daß die Weibchen bei ihren in die Baumrinde, unter Steine und an ähnliche Orte gelegten Eiern bleiben, sie gleichsam bebrüten, wenn sie zerstreut werden, dieselben wieder zusammensuchen und zum Auffinden ihrer Nahrung auch die ausgekrochenen Larven eine Zeit lang anführen, welche dem vollkommenen Insekt ähnlich sind und blos der Flügel entbehren, die sie erst bekommen, nachdem sie sich etliche Mal gehäutet haben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 334-335.
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