Ebbe und Flut

[475] Ebbe und Flut (Tiden oder Gezeiten), das abwechselnde Fallen und Steigen des Meeresspiegels, das meist zweimal in 24 Stunden und 50 Min. sich vollzieht. Das Steigen des Wassers von Niedrigwasser zu Hochwasser heißt Flut, das Fallen von Hoch- zu Niedrigwasser Ebbe. Zwischen beiden liegt das Stauwasser oder Stillwasser. In manchen Gebieten, z.B. den Golfen von Mexiko und von Tongking, sind die Gezeiten so gestört, daß nur ein Hochwasser am Tage eintritt. Während eines Mondumlaufs sind E. u. F. unter normalen Umständen am stärksten zur Zeit der Syzygien (s.d.), man hat dann Springflut, am schwächsten in den Quadraturen (s.d.), dann ist taube Flut oder Nippflut; der Flutwechsel ist außerdem stärker, wenn Mond und Sonne in Erdnähe, als wenn sie in Erdferne sich befinden (halbmonatliche Ungleichheit). Den Zeitabstand des Hochwassers am Vollmond- oder Neumondtage von der gleichzeitigen Kulmination des Mondes und der Sonne nennt man die Hafenzeit (engl. establishment). Diese ist für jeden Ort eine konstante Größe. Aus ihr läßt sich das (normale) Hochwasser aller andern Tage berechnen, nach der täglichen Verspätung von 50 Minuten und einer Verbesserung, für die besondere Tafeln berechnet sind. Die Erklärung des Zusammenhanges der E. u. F. mit dem Mondlauf hat sich durch Newtons Gravitationslehre ergeben. Die richtige Theorie, die auf der Betrachtung der E. u. F. als einer Wellenbewegung unter dem Einfluß der mit dem wachsenden Quadrat der Entfernung abnehmenden Anziehung von Sonne und Mond beruht, hat sich jedoch erst allmählich entwickelt und ist noch nicht so weit gelangt, die Hafenzeit und den Flutwechsel eines Ortes auf anderm Wege, als durch Beobachtung (am genauesten durch Flutmesser, s.d.) zu bestimmen.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 475.
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