Petrus

[388] Petrus, der Apostel, eigentlich Simon, Sohn Jonas, Bruder des Andreas, Fischer aus Kapernaum, mit Johannes und Jakobus einer der vertrautesten Jünger Jesu, nach Matth. 16, 18 von ihm wegen seines festen Bekenntnisses P. (vom grch. petra, d.i. Fels) genannt, nach Jesu Tod neben Jakobus (s.d.) dem Gerechten eine Hauptsäule der judenchristl. Gemeinde zu Jerusalem. Nach der durch die Apostelgeschichte begründeten Tradition gilt P. als erster und hauptsächlicher Heidenapostel, was den Paulinischen Briefen widerspricht. Die Behauptung der röm. Tradition, daß P. 25 Jahre lang (angeblich 42-67) der erste Bischof von Rom gewesen sei, weshalb sich die Päpste Nachfolger Petri nennen, ist unhaltbar; es ist ungewiß, ob er überhaupt nach Rom gekommen ist; auch seine Kreuzigung (mit dem Haupt nach unten) unter Nero ist sagenhaft. – Der erste Brief Petri gehört der paulinischen Richtung und der Zeit Domitians, Nervas oder Trajans an, der zweite stammt aus dem spätern 2. Jahrh. (Zeit der Antonine). Außerdem wurden dem P. beigelegt: das Kerygma (Predigt) Petri, eine judenchristl. Schrift, vielleicht Grundlage der Clementinischen Homilien (s. Clemens Romanus); eine Apokalypse des P., sowie ein Evangelium des P., beide im 2. Jahrh. als neutestamentliche Schriften geachtet, bald jedoch unterdrückt und verloren, Bruchstücke von beiden 1886 in Ägypten wieder entdeckt (hg. Par. 1892); das vielfach untersuchte Bruchstück des letztern gibt die Leidens- und Auferstehungsgeschichte Jesu, ohne neue Aufschlüsse, nur mit phantastischen Zutaten; beste Ausg. mit Photographie der Handschrift von Gebhardt (1893). Über P. handeln apokryphische Apostelgeschichten in gnostischer wie kath. Bearbeitung (vgl. Lipsius, »Die apokryphen Apostelgeschichten«, Bd. 2, 1887), Gedächtnistag: 29. Juni, als Peter-Paulstag [s. Beilage: Heilige etc.], an welchem Tage 258 die Übertragung der angeblichen Gebeine der Apostel P. und Paulus nach dem Vatikan erfolgte, aber seit dem 4. Jahrh. als gemeinsamer Todestag der beiden Apostel aufgefaßt und gefeiert; über dem Grabe des P. die Peterskirche; in derselben die Petrusstatue (aus dem 5. Jahrh.). Seit dem 6. Jahrh. feiert die kath. Kirche die Errichtung des römischen (am 18. Jan.) und des antiochenischen (am 22. Febr.) Bischofsstuhls durch P. in dem Feste Petri Stuhlfeier (festum cathedrae Petri), jetzt am 18. Jan. begangen. Das Fest der Kettenfeier Petri (Festum catenārum S. Petri, Petri ad vincŭla) am 1. Aug. bezieht sich auf die vom Papste verwahrten angeblichen Ketten des P. aus seinen Gefängnissen in Jerusalem und Rom, ursprünglich Kirchweihfest der Kirche Pietro in Vincoli in Rom.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 388.
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