Paulus

[366] Paulus, eigentlich Saul, der Heidenapostel, aus Tarsus in Cilicien, Schüler Gamaliels und als eifriger Pharisäer anfangs Verfolger der Christen, nach seiner Bekehrung (um 36 n. Chr.), welche nach harten innern Kämpfen in einer Vision Christi als des auferstandenen Messias zum Abschluß kam, derjenige Apostel, welcher die übrigen an Tiefe und Richtigkeit der Erfassung des Christentums, Schärfe des Denkens und Energie der Wirksamkeit weit überragte. Der Kreuzestod und die Auferstehung Christi bilden den Mittelpunkt seines Glaubenssystems. Nachdem ihm einmal gewiß geworden, daß Jesus der gottgesandte Messias sei, schloß er, daß dessen Tod eine von Gott beabsichtigte Bedeutung haben müsse, nämlich die Erlösung der gesamten Menschheit von der Macht der Sünde. Darum sei das Kreuz Christi zugleich das Ende des äußerlich gebietenden Gesetzes, dessen Strafforderung sein Tod befriedigt habe, dessen Zweck aber mit der Vernichtung der sündigen Macht des Fleisches in dem mit Christi Tod und Auferstehung geeinten Gläubigen hinfällig werde, weil er das Gute aus dem Antriebe des Geistes Christi zunehmend erfüllen lernt. Das ist der neue Weg des Heils, nicht aus dem Gesetz durch Werke, sondern allein aus der Gnade durch den Glauben (Paulinismus). Die Folge dieser Auffassung war der Bruch mit dem Judentum und Judenchristentum. Seine Lehre ist erst durch die Reformation zur vollen Geltung gekommen. P.' Missionsreisen [Karten zur Biblischen Geschichte I, 6, bei Palästina] erstreckten sich (45-58) auf Cypern, Kleinasien (bes. Ephesus), Mazedonien und Griechenland; auf Betrieb der Juden 59 in Jerusalem verhaftet, wurde er zwei Jahre zu Cäsarea, dann in Rom gefangen gehalten und 64 das. enthauptet. – Von den 13 sog. Paulinischen Briefen des N. T. sind die an die Römer, Korinther und Galater allgemein, meist auch der an die Philipper, der erste an die Thessalonicher und der an Philemon als echt anerkannt. – Vgl. Baur (2. Aufl. 1866-67), Hausrath (2. Aufl. 1872), Renan (deutsch 1869); über den Paulinismus Pfleiderer (2. Aufl. 1890), Holsten (1880 u. 1898), Pfleiderer, »Das Urchristentum« (2. Aufl. 1902).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 366.
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