Jesus

[897] Jesus (hebr. Jeschua, verkürzt aus Jehoschua [Josua], »Jehova hilf«), der Stifter des Christentums (s. Christus), trat nach einer in Verborgenheit zugebrachten Jugend in seinem 29. Lebensjahre als Verkündiger einer neuen religiösen Glaubensweise auf. Das Wesen derselben ergibt sich aus seinen meist zuverlässig überlieferten Reden und Aussprüchen (bes. der Bergpredigt, Matth. 5-7), wonach er sich selbst in einem so nahen Verhältnis zu Gott wußte, daß er ihn als den »Vater« verkündigte, und vermöge seines Sohnesverhältnisses zu ihm zu einem reinen Leben in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes befähigt fühlte. Er entnahm aus dieser persönlichen Erfahrung, daß er den Beruf habe, auch die andern Menschen in ein ähnliches Verhältnis zu Gott zu bringen, um auch ihnen dadurch die Überwindung der Sünde und des durch diese verursachten Elends zu ermöglichen; in diesem Sinne begriff er sich selbst als den wahren, längst vorausverkündeten Messias (s.d.) und Bringer des »Gottesreichs«, indem er diese Ideen ihres sinnlich-polit. Charakters und ihrer Beschränkung auf Israel allein entkleidete. Statt wie das Judentum seiner Zeit die Erfüllung eines religiösen »Gesetzes« zur Bedingung des Friedens mit Gott zu machen und das sittliche Tun als Leistung für einen zu erhoffenden äußern Lohn zu betrachten, rief er vielmehr »die Sünder und Zöllner« dazu auf, trotz ihrer Schuld Gottes Leibe zu suchen und durch den in der Buße gewonnenen Frieden die Kraft zum Tun des Guten zu erlangen. Obgleich J. in allem, außer in dem Mittelpunkt seines religiösen Bewußtseins, die Anschauungen seiner Zeit teilte und stets an die alttestamentlichen Überlieferungen anknüpfte, erhob er doch alles dieses in ein so neues und überraschendes Sicht, daß nur wenige ihn verstanden, und unter diesen gerade die Vertreter der herrschenden Autorität nicht waren; diese faßten vielmehr seinen Messiasanspruch wie sein »Gottesreich« nach ihrer polit.-religiösen Art auf und verurteilten und straften ihn als Aufrührer gegen die Ordnungen des jüd. Gottesstaates. J.' Lehrtätigkeit vollzog sich vorzugsweise in Galiläa und dauerte nicht viel länger als ein Jahr; sie erregte durch ihre echt volkstümliche Weckung der tiefsten und edelsten Bedürfnisse des Menschenherzens die Gemüter aufs höchste, schreckte aber zugleich durch ihren Widerspruch mit allem hergebrachten religiösen Denken das Volk zurück, so daß es ihn bald umjubelte und anstaunte, bald verließ und verfolgte. Vor Ostern 29 oder 30 zog er mit seinen 12 Jüngern nach Jerusalem, stiftete am Passahabend (nach Johannes am Abend vorher) das Abendmahl, wurde in der folgenden Nacht auf Anstiften der Hohenpriester von Judas verraten und auf Befehl des Pontius Pilatus vormittags auf dem Hügel Golgatha gekreuzigt. Am dritten Tag bezeugten seine Erscheinungen bei den Jüngern und das leere Grab diesen seine Auferstehung; seine leibliche Himmelfahrt berichten nur Lukas und ein Zusatz zu Markus. – Darstellungen seines Lebens von Hase (5. Aufl. 1865; »Geschichte J.«, 2. Aufl. 1891); Strauß (1835; neue Bearbeitung 1864; 13. Aufl. 1903), Renan (deutsch, zuletzt 1902), Schleiermacher (1864), Schenkel (4. Aufl. 1873), Keim (1867-72; im Auszug, 2. Aufl. 1874), Wittichen (1876), Weiß (4. Aufl. 1902), Beyschlag (4. Aufl. 1902), P. W. Schmidt, »Geschichte J.« (4. Aufl. 1903) u.a.

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 897.
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