Entwöhnen

[447] Entwöhnen. Wenn man einem an der Brust genährten Kinde diese entzieht und ihm andere Nahrungsmittel dafür reicht, so wird es entwöhnt. Ueber die Zeit, in welcher dieß vorgenommen werden soll, herrschen die verschiedensten Ansichten, weil man, die Nebenumstände verkennend, jedes Beispiel als Norm ansieht. Wenn Mütter oder Ammen ganz naturgemäß leben, ist das Stillen bis zum Jahre und selbst länger anzurathen. Wie wenig Menschen leben aber naturgemäß! Wenn man es auch von den armen Landbewohnern sagen kann, die sich anstrengend abmühen müssen und die Säfte zu einer gesunden Milch verarbeiten, so kann es unmöglich von Frauen in Städten und von Ammen, die in Familien leben, gelten. Die Thätigkeit jener ist nicht von der Art, die Nahrungssäfte gehörig zu verdünnen und die Milch vor den erregenden schweren Stoffen zu bewahren; diesen entzieht man häufig alle Arbeit oder gibt ihnen bei sehr guter ungewohnter Nahrung[447] eine solche, die gegen die frühere im Widerspruch stehet. Die Folge davon ist, daß die Amme dick oder wenigstens ihre Milch fett und für das Kind zu schwer wird. Dieses nährt sich scheinbar erfreulich, aber bald zeigen sich Drüsenanlagen und die in Städten so häufig vorkommenden Gehirnleiden. Wenn ein Kind in der Stadt drei, höchstens vier Monate an der Brust getrunken hat, entwöhne man es dreist; es hat die fürs Auffüttern gefährliche Zeit überstanden und wird sehr gut gedeihen. Außerdem wird das Entwöhnen nöthig, wenn andere Funktionen wieder eintreten, das Kind gar nicht gedeiht, eine böse Brust nicht heilen will, die Mutter ärgerlich, übellaunig, kränklich, nervenschwach ist und öfters ohne Ursache weint, beim Anlegen nervös zittert, zusammenfährt und ein lästiges Ziehen im Nacken spürt. Eine Mutter, die entwöhnen will, vermindere nach und nach die Mahlzeiten für das Kleine, indem sie ihm anstatt der ausfallenden eine andre bietet. Auf diese Weise wird es weniger beschwerlich. Wenn das Kind ganz auf andre Nahrung angewiesen wird, muß die Mutter einige Tage lang sehr karg leben, bis der Milchandrang vorüber ist, sich warm halten und wo möglich das Bette hüten.

D.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 447-448.
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