Seelenwanderung

[192] Seelenwanderung. Der Glaube der Vorwelt ahnete schon die Fortdauer der Seele, doch nach ihrer bildlichen und dichterischen Vorstellungsweise gelangte sie nur durch allmälige Uebergänge in den Zustand der Vollkommenheit. Daher die Annahme einer[192] Seelenwanderung. Früher schon sollte das geistige Vermögen in einem thierischen Körper vorhanden gewesen sein, und nach der Trennung von dem Leibe sich wieder mit einem vereinen. – Doch wäre dieß eine fortschreitende Annäherung an die Gottheit? Wäre ein Beweisgrund da, daß die Seele sich schon ein Mal in einer Körperhülle befand? Könnte ein Weiser behaupten, in welchen Zeiten und Formen sie an das Ziel ihrer Vollendung gelange? – Der weiseste unter den Weltlehrern, Christus, hat darüber geschwiegen. Bessert und veredelt sich die Seele, so schreitet sie auch täglich weiter auf ihrer Wanderung zur Vollkommenheit. Mit diesem Glauben beruhige sich der Bekenner des Christenthums, wie der Israelit.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 192-193.
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