Nachbild

[703] Nachbild ist die Nachdauer einer Gesichtsempfindung, (physiologisch) beruhend auf der Nachwirkung des chemischen Processes in der Netzhaut. Es gibt positive und negative Nachbilder. So erklärt WUNDT: »Aus der Annahme, daß die Lichtreizung auf chemischen Vorgängen in der Netzhaut beruhe, läßt sich nun auch das relativ langsame Ansteigen der Empfindung und ihre[703] relativ lange Nachdauer nach vorausgegangener Reizung erklären.« Diese Nachdauer, indem man sie auf das als Reiz benützte Object bezieht, nennt man Nachbild des Eindrucks. »Zunächst erscheint das Nachbild in einer dem Reiz gleichen Helligkeits- oder Farbenbeschaffenheit: also weiß bei weißen, schwarz bei schwarzen und gleichfarbig bei farbigen Objecten (positives oder gleichfarbiges Nachbild); nach kurzer Zeit geht es dann aber bei farblosen Eindrücken in die entgegengesetzte Helligkeit, Weiß in Schwarz, und Schwarz in Weiß, bei Farben in die Gegen- oder Complementärfarbe über (negatives und complementäres Nachbild). Bei der Einwirkung kurz dauernder Lichtreize im Dunkeln kann sich dieser Übergang mehrmals wiederholen, indem dem negativen abermals ein positives Nachbild folgt u.s.w., so daß ein Oscillieren der Empfindung zwischen beiden Nachbildphasen stattfindet. Das positive Nachbild läßt sich nun einfach darauf zurückführen, daß die durch irgend eine Lichtart bewirkte photochemische Zersetzung nach der Einwirkung des Lichtes noch eine kurze Zeit andauert; das negative und complementäre kann man dagegen daraus ableiten, daß jede in einer bestimmten Richtung eingetretene Zersetzung eine teilweise Consumtion der zunächst an ihr beteiligten lichtempfindlichen Stoffe zurückläßt, wodurch sich bei der Fortdauer der Netzhautreizung die photochemischen Vorgänge in entsprechendem Sinne verändern müssen. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß sich in einem gegebenen Stadium des Abklingens eines Nachbildes die Netzhaut irgend einem plötzlich einwirkenden andern Lichtreize gegenüber genau so verhält, wie die unermüdete Netzhaut dem um den Betrag der Nachbildhelligheit oder Nachbildfarbe veränderten Reize gegenüber (Fechner-Helmholtasches Gesetz der negativen und complementären Nachbilder)« (Gr. d. Psychol.5, S. 84 f.). »Mit den positiven und negativen Nachbildern hängen wahrscheinlich die Erscheinungen der Licht– und Farbeninduction nahe zusammen. Sie bestehen darin, daß in der Umgebung irgend welcher Lichteindrücke gleichzeitig Erregungen von gleicher oder entgegengesetzter Beschaffenheit entstehen« (l.c. S. 85 f.). Vgl. FECHNER, Poggendorffs Annal. d. Phys. Bd. 44, 50; HERING, Pflügers Arch. f. Physiol. Bd. 43; WIRTH, Philos. Stud. XVI – XVII. Vgl. Gedanke.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 703-704.
Lizenz:
Faksimiles:
703 | 704
Kategorien: