Clemens Alexandrinus

[95] Clemens Alexandrinus, Titus Flavius, aus Athen (oder Alexandrien),[95] in Alexandrien Schüler des Pantänus, floh infolge einer Christenverfolgung nach Kappadokien, gest. 211 n. Chr.

Cl., der Lehrer an der Katechetenschule zu Alexandrien war, ist nebst Origenes der bedeutendste Vertreter der orthodoxen Gnosis, welche ihre Aufgabe darin setzt, den Glauben zum Wissen zu erheben, die Lehren der Religion und die Geschichte des Christentums selbst philosophisch zu begreifen und zu begründen, ohne aber (wie die »häretischen« Gnostiker) historisch-religiöse Momente und Prozesse metaphysisch-theosophisch zu hypostasieren. Beeinflußt ist Cl. besonders von Plato, Aristoteles und den Stoikern, auch von Philo Judaeus.

Nach Cl. stammt alle Erkenntnis vom göttlichen Logos her, welcher schon die Juden, aber auch Heiden – die großen Philosophen (besonders Plato) – erleuchtet hat. Die Philosophie ist daher nicht zu verachten, sondern vielmehr zur Vollendung des Glaubens zu verwerten. Der Glaube ist der Prüfstein der Erkenntnis, diese darf ihm nicht widersprechen, aber erst die »Gnosis«, die klare Erkenntnis alles dessen, was im Glaubensinhalt liegt, ist das Höchste. Der Glaube enthält einen freien Willensakt der Zustimmung (vgl. Strom. II, IV, VI, VII). Gott ist über alle endlichen Prädikate erhaben, sogar über die Einheit; erkennbar ist eigentlich nur Gott als der Logos. Dieser ist vom Vater zeitlos geschaffen, das Urbild der Welt, alles durchdringend und erkennend, die Einheit der Ideen und göttlichen Kräfte. Die menschliche Seele besteht, aus einem leiblichen und vernünftigen Teil (Strom. VI, 16). Der Gnostiker, d.h. der Weise, überwindet das Sinnliche und Weltliche und strebt nach geistiger Vereinigung mit Gott, in dem seine Seele ruht.

SCHRIFTEN: Logos protreptikos pros 'Hellênas (Ermahnungsrede an die Hellenen), Paidagôgos (Erzieher). Strômateis (»Teppiche«). Opera, 1550, 1831-34, 1869, 1905 f.; bei Migne T. VIII – IX., – Fragmente verlorener Schriften in: Supplementum Clementinum, 1884. – Vgl. F. J. WINTER, D. Ethik des Cl. von Al., 1882. – P. ZIEGERT, D. Psychol. d. Cl. Al. 1892, 1894. – ERNESTI, Die Ethik des C., 1902.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 95-96.
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