Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

[617] Frank wurde zum Chef der Zivilverwaltung für die besetzten polnischen Gebiete ernannt und erhielt am 12. Oktober 1939 den Posten eines Generalgouverneurs der besetzten polnischen Gebiete. Am 3. Oktober 1939 umschrieb er folgendermaßen die Politik, die er zu verfolgen beabsichtigte: »Polen soll wie eine Kolonie behandelt werden, die Polen werden die Sklaven des Großdeutschen Weltreiches werden«. (EC-344, US-297.)17 Das Beweismaterial hat ergeben, daß diese Besatzungspolitik auf der vollständigen Zerstörung Polens als nationale Einheit und einer rücksichtslosen Ausbeutung seiner menschlichen und wirtschaftlichen Hilfsquellen für den deutschen Kriegseinsatz aufgebaut war. Jeder Widerstand wurde mit äußerster Härte niedergeschlagen. Ein Terrorregime wurde eingeführt, das von Polizeischnellgerichten unterstützt war, die Maßnahmen wie öffentliche Erschießungen von Gruppen von 20 bis 200 Polen und weitverbreitete Geiselerschießungen anordneten. Das Konzentrationslagersystem wurde im Generalgouvernement durch die Errichtung der berüchtigten Lager von Treblinka und Maidanek eingeführt. Frank gab einen Hinweis auf das Ausmaß seines Terrorregimes schon am 6. Februar 1940, als er einem Zeitungsberichterstatter mit Bezug auf von Neuraths Anschläge, die die Hinrichtung tschechischer Studenten bekanntgaben, zynisch erklärte: »Wenn ich für je sieben erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, um das Papier herzustellen für solche Plakate.« (2233-PS, USSR-223.)18

Am 30. Mai 1940 erklärte Frank auf einer Polizeisitzung, daß er sich die Offensive im Westen zunutze machen werde, die die Aufmerksamkeit der Welt von Polen ablenken werde, um Tausende von Polen zu vernichten, die möglicherweise der deutschen Herrschaft über Polen Widerstand entgegensetzen könnten, einschließlich »der führenden Vertreter der polnischen Intelligenz«. (2233-PS, USSR-223.) Diesen Anweisungen folgend wurde die brutale [617] A-B-Aktion begonnen, in deren Verlauf die Sicherheitspolizei und der SD diese Vernichtungen durchführten, die nur teilweise den Beschränkungen eines gerichtlichen Verfahrens unterworfen waren. Am 2. Oktober 1943 gab Frank einen Erlaß heraus, demzufolge jeder Nicht-Deutsche, der deutsche Aufbauarbeiten im Generalgouvernement sabotierte, Schnellgerichten der Sicherheitspolizei und des SD zuzuführen und zum Tode zu verurteilen war.

Die an das Generalgouvernement gestellten wirtschaftlichen Anforderungen überstiegen bei weitem den Bedarf der Besatzungsarmee und standen in gar keinem Verhältnis zu den Hilfsquellen des Landes. Die aus Polen fortgeführten Nahrungsmittel wurden in einem so großen Umfang nach Deutschland geschickt, daß die Rationen der Bevölkerung in den besetzten Gebieten auf ein Hungerniveau herabgedrückt wurden und Seuchen weiteste Verbreitung fanden. Zwar wurden einige Schritte unternommen, um die Ernährung der landwirtschaftlichen Arbeiter, die zur Einbringung der Ernte benötigt wurden, sicherzustellen; die Bedürfnisse der übrigen Bevölkerung jedoch fanden keine Beachtung. Es ist zweifellos richtig, daß, wie der Verteidiger anführte, eine gewisse Not im Generalgouvernement als Ergebnis der Kriegsverwüstungen und des sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Chaos unvermeidlich war. Aber die Not wurde durch gewollte wirtschaftliche Ausbeutungspolitik erhöht.

Frank führte die Deportation von Sklavenarbeitern nach Deutschland schon in den ersten Anfängen seiner Verwaltungstätigkeit ein. Am 25. Januar 1940 gab er seine Absicht bekannt, eine Million Arbeiter nach Deutschland zu deportieren und am 10. Mai 1940 schlug er den Gebrauch von Polizeirazzien zur Aufbringung dieses Kontingentes vor. Am 18. August 1942 berichtete Frank, daß er bereits 800000 Arbeiter für das Reich geliefert habe und erwarte, in der Lage zu sein, 140000 weitere vor Jahresende zu liefern.19

Bei Beginn seiner Aussage erklärte Frank, daß er eine »schreckliche Schuld« wegen der in den besetzten Gebieten verübten Grausamkeiten empfinde. Trotzdem war seine Verteidigung zum großen Teil dem Versuch gewidmet, den Nachweis zu erbringen, daß er tatsächlich nicht verantwortlich gewesen sei; daß er nur die notwendigen Befriedungsmaßnahmen angeordnet habe; daß die Ausschreitungen der Tätigkeit der nicht unter seiner Kontrolle stehenden [618] Polizei zuzuschreiben sei; und daß er nichts von den Vorgängen in den Konzentrationslagern gewußt habe. Es ist ebenfalls angeführt worden, daß die Hungersnot den Nachwirkungen des Krieges und der im Zeichen des Vierjahresplanes verfolgten Politik zuzuschreiben sei; daß das Zwangsarbeitsprogramm unter der Leitung Sauckels gestanden habe, und daß die Ausrottung der Juden durch die Polizei und die SS auf direkten Befehl Himmlers vorgenommen worden sei.

Es ist zweifellos zutreffend, daß der größte Teil des verbrecherischen Programms, das Frank zum Vorwurf gemacht wird, von der Polizei durchgeführt wurde, daß Frank Kompetenzstreitigkeiten mit Himmler bezüglich der Kontrolle der Polizei hatte und daß Hitler viele dieser Streitigkeiten zu Gunsten Himmlers entschieden hatte. Es mag auch wahr sein, daß einige der im Generalgouvernement begangenen Verbrechen ohne Franks Kenntnis und gelegentlich sogar gegen seinen Willen begangen worden sind. Es mag ebenso zutreffend sein, daß einige der verbrecherischen Unternehmungen, die im Generalgouvernement ausgeführt wurden, nicht von Frank ausgingen, sondern auf aus Deutschland stammende Befehle zurückzuführen waren. Aber es ist ebenso wahr, daß Frank ein williger und wissender Mitwirkender war, sowohl bei der Anwendung von Terror in Polen, bei der wirtschaftlichen Ausbeutung Polens, in einer Weise, die zum Hungertod einer großen Anzahl Menschen führte, bei der Deportation von mehr als einer Million Polen als Sklavenarbeiter nach Deutschland, und einem Programm, das den Mord von mindestens drei Millionen Juden zur Folge hatte.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 617-619.
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