Bericht der zur Untersuchung des angeklagten Gustav Krupp v. Bohlen ernannten Ärztekommission.[138] 1

7. November 1945.


Am Morgen des 6. November 1945 untersuchten wir, die Unterzeichneten, den Patienten, der von den verantwortlichen Militärbehörden als Gustav Krupp von Bohlen bezeichnet wurde, und zwar in Anwesenheit seiner Frau und seiner Krankenschwester.

Wir stimmen vollkommen darin überein, daß der Patient an folgendem leidet: Senile Gehirnerweichung, selektiv die vorderen Lappen der Gehirnrinde und Streifenhügel angreifend, das Ergebnis einer Entartung des Gefäßsystems.

Es ist unsere ungeteilte, wohlerwogene ärztliche Meinung, daß der geistige Zustand des Patienten Gustav Krupp von Bohlen ein solcher ist, daß es ihm unmöglich ist, eine Gerichtsverhandlung zu verstehen, oder ein Verhör zu verstehen und sich daran zu beteiligen.

Der körperliche Zustand des Patienten ist so, daß er nicht ohne Lebensgefährdung transportiert werden kann.

Wir sind der wohlerwogenen Meinung, daß sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert, sondern in Zukunft sogar eher verschlechtern wird.

Daher nehmen wir einstimmig an, daß er körperlich und geistig nie in der Lage sein wird, vor dem Internationalen Militärgerichtshof zu erscheinen.


Unterschrift: R. E. TUNBRIDGE

Brigadier, O.B.E., M.D., M.Sc., F.R.C.P., Beratender Arzt der Britischen Rheinarmee.


Unterschrift: RENE PIEDELIEVRE

M.D., Professor der Pariser Medizinischen Fakultät; Gerichtssachverständiger.


Unterschrift: NIKOLAS KURSHAKOV

Professor der Medizin am Medizinischen Institut Moskau, Chefinternist, Kommissariat für Volksgesundheit, USSR.


[138] Unterschrift: EUGEN SEPP

M.D., emeritierter Professor der Neurologie am Medizinischen Institut Moskau, Mitglied der Akademie der Medizinischen Wissenschaften, USSR.


Unterschrift: EUGEN KRASNUSCHKIN

Professor der Psychiatrie am Medizinischen Institut Moskau.


Unterschrift: BERTRAM SCHAFFNER

Major im Sanitätskorps der Armee der Vereinigten Staaten, Neuropsychiater.


1 Bei einer Besprechung des Internationalen Militärgerichtshofes am 30. Oktober 1945 »kam man überein, einen Ausschuß von vier Sanitätsoffizieren zu ernennen, Jeder der Richter sollte ein Mitglied bestimmen. Wenn der Ausschuß der Hauptankläger keinen Widerspruch erhebt, sollte der Ärzteauschuß Krupp untersuchen und ermächtigt sein, falls es notwendig erschien, Spezialisten hinzuzuziehen.«

Der Bericht dieser Ärztekommission wurde am 7. November 1945 vorgelegt.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 138-139.
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