I. Matthia b. Theophil I.

[739] Josephus erzählt (Altert. XVII, 6, 4), daß während der Funktion dieses Hohenpriesters unter Herodes ein Verwandter desselben am Versöhnungstage an seiner Stelle habe eintreten müssen, weil er selbst in der Nacht des Versöhnungstages eine Verunreinigung durch Pollution erfahren habe. Der ihn vertretende Hohepriester hieß Joseph, Sohn des Ellemos. Merkwürdigerweise hat sich dieser geringfügige Vorfall in der talmudischen Tradition mit näheren Umständen erhalten. Es wird erzählt: Joseph, Sohn Ellemos' aus Sepphoris, habe den Hohenpriester vertreten müssen, weil dieser verunreinigt war. Er habe den König befragt, auf wessen Kosten die dem Hohenpriester für diesen Tag obliegenden Opfer dargebracht werden sollten, und der König [739] habe darauf erwidert: er möge sich mit der Ehre begnügen, wenn auch nur einmal, im Allerheiligsten fungiert zu haben134. Aus dieser Antwort habe Joseph b. Ellem entnommen, daß er nie zur Hohenpriesterwürde gelangen werde135. Erhalten hat sich die Tradition von diesem im ganzen geringfügigen Faktum, weil es seit der Zeit stehender Brauch wurde, den zweiten nach dem Hohenpriester im Range, den Segân, ebenso zur Funktion für den Versöhnungstag sieben Tage vorzubereiten, wie den fungierenden Hohenpriester136, um einen untadelhaft levitisch Reinen für den Kultus des wichtigen Tages bereit zu haben.

Charakteristisch für diese Zeit ist der in den Talmuden tradierte Dialog zwischen diesem Joseph b. Ellem und dem Könige, der, wenn auch nicht stenographisch treu, doch dem Hauptinhalt nach historisch sein kann. Der König, der mit ihm redend eingeführt wird, war Herodes, unter welchem eben die Vertretung stattgefunden hat. Ihm deutete Joseph b. Ellem an, daß er, da er einmal fungiert habe, Hoherpriester bleiben möchte. Herodes, der den Wink versteht, deutet ihm aber an, daß er sich mit diesem einen Male begnügen müsse. Daraus entnahm Joseph, er werde nie zum Hohenpriester ernannt werden. Daran erkennen wir den ehrgeizigen Zug dieser hohenpriesterlichen Emporkömmlinge. Joseph b. Ellem hat kein Bedenken getragen, seinen Verwandten aus der Würde verdrängen zu wollen. Diesen Ehrgeiz hat Herodes, selbst Parvenu, geweckt und genährt.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 739-740.
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