8. Kapitel. Das Vorspiel zu den Makkabäerkämpfen.

[246] Feindseliger Geist der Philister, Idumäer und Samaritaner gegen Judäer. Ansiedelung von Judäern in Städten mit griechischer Bevölkerung, in Joppe, Jamnia, in Galiläa und in den neu entstandenen Städten, Sepphoris, Gischala, Jotapata, Gamala von Babylonien aus. Neigung vieler Judäer, sich durch griechische Sitten den Nachbarvölkern zu nähern und von ihnen ebenbürtig behandelt zu werden. Die Partei der Griechlinge oder Hellenisten. Abneigung gegen Lehre, Gesetz und Sitte. Partei der Chaßidäer. Ragesch oder Razis, »Vater der Judäer«, strenger Bekämpfer der hellenistischen Neuerungen. José ben Joëzer und José ben-Jochanan. Die Mittelpartei. Onias III. Simon, Tempelaufseher, und seine Brüder Menelaos und Lysimachos und die Tobiaden. Hyrkanos' Reichtum und Bauten. Simons Angeberei bezüglich des Tempelschatzes. Heliodor, für den Tempelraub abgeordnet, kehrt unverrichteter Sache zurück. Neue Verleumdungen gegen Onias. Seine Reise nach Antiochien. Neue Ränke gegen ihn, ihn zu entsetzen. Sirachs Spruchdichtung gegen die Verirrungen der Zeit.


(187-175.)

Die Zersetzung im Inneren des judäischen Gemeinwesens, welche mit dem Führer und Steuerpächter Joseph begonnen hatte, nahm infolge der Kriege zwischen den Seleuziden und Lagiden um den Besitz von Cölesyrien und der zwieträchtigen Parteiung des Volkes mit überraschender Schnelligkeit und in großer Ausdehnung zu. Die Parteiführer und ihr Anhang, die Tobiaden, waren nicht wählerisch in den Mitteln, die ihnen geeignet schienen, ihrer Sache oder ihrer Rechthaberei den Sieg zu verschaffen und die Gegenpartei zu vernichten. Vor allem waren sie darauf bedacht, einen Stützpunkt außerhalb ihres Volkes zu suchen, nicht bloß bei den Machthabern in Antiochien, sondern auch bei der Nachbarbevölkerung. Bei den in den Städten Palästinas angesiedelten Griechen, welche die Oberhand hatten, und nicht weniger bei den Urbewohnern, waren aber die Judäer verhaßt. Diese konnten es nicht verzeihen, daß sie so lange von den judäischen Steuerpächtern gedemütigt und mißhandelt worden [246] waren. Die Gehässigkeiten der alten Zeit wiederholten sich wieder, und auch die alten Namen der Feinde waren geblieben, so daß die Vorgänge den Schein erwecken, als wenn die Lage noch wie zur Zeit der Richter oder zur Zeit der Schwäche des Davidischen Reiches fortdauerte und überhaupt im Bereiche der Geschichte keine Veränderung vorgegangen wäre. Da waren noch Philister, die in Gaza, Askalon, Azotos, in den Städten längs der Meeresküste und bis Gazara (Gaser)1 unweit Lydda ihr uraltes Gebiet einnahmen. Im Süden hatten die Idumäer das ehemals zu Juda gehörende Gebiet von Marescha und Adoraïm in Besitz und selbst – unbekannt zu welcher Zeit – Hebron, die älteste Stadt Palästinas, ehemals Stammsitz von Juda, älter als Jerusalem, an sich gerissen2

Idumäer, wie Philister waren wie ehemals voll feindseliger Gesinnung gegen die Judäer und ließen sie bei jeder Gelegenheit ihren Haß empfinden3. Im Norden taten dasselbe die Samaritaner, [247] welche in Berührung mit der mazedonischen Besatzung, die sie bereits unter Alexander erhalten hatten, sich hellenisiert hatten. Inmitten dieser feindlichen Völkerschaften, unter Philistern, Idumäern und Mazedoniern, wohnten Judäer in den Städten. Infolge des Wohlstandes, der seit der Zeit des Tobiassohnes in Judäa verbreitet war, hatten sich nämlich Judäer auch an solchen Plätzen niedergelassen, die für Geschäftsverbindungen günstig waren. So wohnten Judäer in den Meeresstädten Joppe, Jamnia4 und Akko-Ptolemais5. In der fruchtbaren Hochebene zwischen dem Mittelmeer und dem Harfensee, welche in dieser Zeit Galiläa6 genannt wurde, waren ebenfalls Judäer angesiedelt; diese stammten aber nicht aus Judäa, sondern entweder unmittelbar aus babylonischen Gemeinden oder aus Abkömmlingen solcher, welche die Seleuziden nach Syrien verpflanzt hatten. Als alte Städte Galiläas mit judäischer Bevölkerung werden genannt Sepphoris (Zippori), Gischala (Guschchalab), Jotapata (Jodpat) und Gamala7 östlich vom Jordan.

[248] Diese Städte können erst unter Antiochos dem Großen von Judäern bevölkert worden sein, da dieser Landstrich erst durch seinen entscheidenden Sieg an der Jordanquelle ihm dauernd zugefallen war. Er hat überhaupt Judäer aus Babylonien und der Euphratgegend in die westlichen Provinzen seines Reiches verpflanzt. Als die Bevölkerung von Lydien und Phrygien einen aufrührerischen Geist gegen seine Herrschaft kund gab, ließ er zweitausend judäische Familien aus Mesopotamien und Babylonien in die Festungen dieser kleinasiatischen Landstriche verpflanzen, damit sie, von deren Anhänglichkeit er überzeugt war, den Urbewohnern das Gleichgewicht halten sollten. Er räumte ihnen viele Freiheiten ein, wies ihnen Äcker und Weinberge an und sicherte ihnen Religionsfreiheit zu8. Diese zweitausend Familien waren wohl die ersten judäischen Bewohner von Kleinasien. Auch die in Galiläa angesiedelten Judäer stammten wahrscheinlich aus Babylonien. Denn, während die in Judäa sich stets der hebräischen Sprache bedienten, die nur einige aramäische Elemente enthielt, sprachen die galiläischen Juden nur aramäisch oder chaldäisch, also wohl die Sprache, welche sie aus ihren früheren Wohnplätzen mitgebracht hatten. Selbst für das Hebräische gebrauchten sie eine andere, durch das Chaldäische veränderte Aussprache mit dunkeln Vokalen, ganz anders als die Judäer im Süden. Da sie um drei Jahrhunderte später die Gegend von Babylonien verlassen hatten, so waren eben so wie ihre Sprache, so auch ihre Anschauungen und Sitten verschieden von den Südjudäern. – Auch jenseits des Jordans9 in Gilead (Galaditis) und Basan (Batanäa) waren Judäer angesiedelt vom Süden, dem Lande der Ammoniter, bis zum Norden an der Grenze von Haurau (Auranitis). Jenseits wie diesseits wurden sie ebenfalls von den heidnischen Völkerschaften gehaßt10.

Um sich mit ihnen in ein freundnachbarliches Verhältnis zu setzen, schien es kein anderes Mittel zu geben, als sich ihnen durch Sprache, Sitten und Lebensgewohnheiten zu nähern, ganz besonders aber äußerlich als Griechen aufzutreten. Als solche glaubten sie von den griechisch-mazedonischen Herren, Oberbefehlshabern und Beamten des Landes Schutz gegen Angriffe zu finden und Achtung zu erringen. In Jerusalem sannen diejenigen, welche sich bereits äußerlich hellenisiert hatten, darauf die judäische Jugend nach griechischem Muster zu erziehen, sie durch Wettkämpfe in Rennen und Ringen in abgeschlossenen Plätzen (Gymnasion, Ephebeion) abzuhärten und[249] für den Waffendienst tüchtig zu machen11. Würden die judäischen Jünglinge durch frühzeitige Übung gewandt, anstellig und kriegsfähig werden, dann könnten sie sich den Feinden rings umher gegenüberstellen, die auf den Judäern lastende Verachtung in Achtung verwandeln und den Haß entwaffnen. Auf den Übungsplätzen mußten zwar Knaben und Jünglinge ganz nackt zum Wettkampfe erscheinen, so erforderte es die griechische Sitte; diese Sitte oder Unsitte gab so sehr Gelegenheit zu unnatürlichen Lastern, daß besonnene griechische Gesetzgeber Vorkehrungen dagegen trafen. Ungeachtet dessen waren die Bewunderer des Griechentums in und außerhalb Jerusalems wie versessen darauf, Gelegenheit zu haben, Gymnasien für die judäische Jugend zu errichten und die schamlose Unsitte einzuführen. Diese Affen der griechischen Mode, judäische Griechlinge oder Hellenisten, bildeten eine starke Partei im Volke, selbstverständlich aus Reichen und Vornehmen bestehend, und zu ihnen gehörte auch ein Hoherpriestersohn Jesua, der sich Jason nannte, und andere Ahroniden. Die noch lebenden Söhne des Steuerpächters Joseph und seine Enkel, die Tobiaden (Tobiassöhne) genannt, gesinnungslos wie sie waren, waren ihre Parteiführer12. Da das judäische Gesetz und die judäischen Sitten solchen Neuerungen entgegen waren und besonders das Ablegen der Körperhülle gleich einer unzüchtigen Handlung ansahen, so kehrte sich der Ingrimm der Griechlinge gegen das väterliche Gesetz und die altväterlichen Sitten und sannen darauf, es ganz und gar abzuschaffen13, um unbehindert das judäische Volk zu hellenisieren. Vermischung, vollständige Vermischung mit den heidnischen Griechen (ἐπιμιξία) war das Ziel ihrer Wünsche. Was nützte die Umzäunung, welche Esra, Nehemia und der hohe Rat um das Judentum gezogen hatten? Die Hellenisten rissen die Zäune um und wollten auch die steinalten Stämme umhauen.

Wie öfter im Geschichtsleben, wenn ein Volk nicht abgestumpft oder verdummt ist, rief das Übermaß auf der einen Seite die Übertreibung auf der anderen Seite hervor. Diejenigen, welche mit Schmerz und Zorn die Versuche der Hellenisten sahen, gruppierten sich zu einem Verein, um sich fest am Gesetze und den Sitten der Väter anzuklammern und sie wie den Augapfel zu schützen. Sie bildeten den »Verein der Frommen« oder »Chaßidäer« (Chassidim)14, welcher aus den Nasiräern sich herausgebildet hat. [250] Dieser wollte jeden religiösen Brauch als ein unantastbares Heiligtum betrachtet wissen. Ein schrofferer Gegensatz, als diese beiden Parteien läßt sich kaum denken. Sie verstanden einander nicht mehr, als wenn sie gar nicht Söhne desselben Stammes, Genossen desselben Volkes gewesen wären. Was den Griechlingen ein heißer Herzenswunsch war, verabscheuten die Chaßidäer als bodenlose Verworfenheit, als Freveltat, als beispiellosen Verrat und brandmarkten die Urheber als »Gesetzübertreter und Frevler am Bunde15«. Was diesen wieder teuer und heilig war, verspotteten die Griechlinge als Torheit und verwünschten es als Hindernis für das Wohlergehen und Bestand des Gemeinwesens. Der Name eines solchen Chaßidäers oder vielleicht des Oberhauptes der Strengfrommen hat sich in verstümmelter Form erhalten: Razis oder Ragesch aus Jerusalem, der wegen seiner Vaterlandsliebe, seines Rufes und seiner edlen Gesinnung »Vater der Judäer« genannt wurde. Dieser hat ein strenges Gericht zur Erhaltung des Judentums gegen die beabsichtigte Vermischung eingeführt16. Zu diesen Strengfrommen gehörten ohne Zweifel zwei Gesetzeslehrer dieser Zeit, José (Joseph) Sohn Joëzers aus dem Städtchen Zereda, und José, Sohn Jochanans aus Jerusalem, welche zwei Schulen bildeten17. Der eine legte mehr Gewicht auf die theoretische Beschäftigung mit dem Gesetze, und der andere betonte mehr die praktische Frömmigkeit. [251] José aus Zereda schärfte seinen Jüngern ein: »Dein Haus sei ein Versammlungshaus für die Weisen, laß dich vom Staub ihrer Füße bestäuben und sauge mit Durst ihre Worte ein.« Sein Genosse aus Jerusalem dagegen lehrte: »Dein Haus sei zur Weite geöffnet, Arme mögen deine Hausgenossen sein und sprich nicht viel mit einem Weibe.«

Den Grad der Abneigung und Gehässigkeit der Hellenisten und Chaßidäer gegeneinander gibt ein Psalm an, welcher wahrscheinlich von einem der Jünger aus einer der beiden Schulen zu dieser Zeit gedichtet wurde:


»Glücklich der Mann,

Der nicht im Rate der Frevler wandelt,

Nicht auf dem Wege der Sünder stehen bleibt,

Nicht in der Sitzung der Spötter sitzt,

Sondern an Gottes Gesetz seine Lust hat,

Und an sein Gesetz denkt Tag und Nacht.

Er wird wie ein Baum an Wasserbächen gepflanzt sein,

Der seine Früchte zu seiner Zeit gibt,

Dessen Blatt nicht welket.

Alles, was er tut, gelingt.

Nicht so die Frevler,

Sondern wie Spreu, die der Wind verwehet.

Darum werden die Frevler nicht im Gerichte bestehen,

Die Sünder nicht in der Gemeinde der Frommen.

Denn Gott beachtet den Weg der Frommen,

Der Weg der Frevler aber führt zum Untergang18


Zwischen diesen beiden einander schroff entgegengesetzten Parteien, war, wie zu jeder Zeit bei Parteiungen innerhalb eines Volkes, die Menge in der Mitte vom Übermaß beider entfernt. Sie hatte allerdings Gefallen an der von den Griechlingen eingeführten Lebensbehaglichkeit und Verfeinerung, mochte sich nicht von der düsteren Strenge der Chaßidäer einengen lassen, billigte aber auch nicht die Ausschreitungen der Griechlinge, mochte nicht mit der Vergangenheit des Volkes brechen, noch sie durch die umwandelnden Neuerungen auslöschen lassen. Die Glieder der Mittelpartei19 mögen von beiden [252] Parteien als Halbe und Unaufrichtige geschmäht worden, der einen als weltlich gesinnt und der anderen als beschränkt und im Alten verdumpft erschienen sein. In den leidenschaftlichen Vernichtungskampf, welcher zwischen Hellenisten und Chaßidäern ausbrach, wurden selbstverständlich die Mitteninnestehenden hineingezogen und mußten Farbe bekennen.

Noch hatten die Frommen oder Nationalgesinnten die Oberhand in der Leitung des Gemeinwesens. An der Spitze derselben stand der Hohepriester Onias III., Sohn Simons II. (o. S. 240), der zugleich politisches Oberhaupt war. Er wird als ein vortrefflicher Mann geschildert, der zwar milden Sinnes war, aber als Eiferer für das Gesetz, Feind des Bösen und Beförderer der Frömmigkeit, den Ausschreitungen der Griechlinge mit Strenge Einhalt tat20. Dafür wurde er von ihnen gründlich gehaßt. Seine Hauptfeinde waren drei Brüder aus vornehmer benjaminitischer Familie, die an Verwegenheit einander gleich waren, Simon21, Onias, Menelaos genannt, und der dritte Lysimachos, und außerdem noch die mit ihnen eng verbundenen Tobiaden. Sie haßten den Hohenpriester nicht bloß wegen seiner entschiedenen Abneigung gegen ihre Neuerungen, sondern auch wegen seiner Verbindung mit Hyrkanos, den seine Brüder und Verwandten noch immer mit glühendem Hasse verfolgten. Dieser hatte, wie es scheint, auch an dem ägyptischen Hofe des jungen Königs Ptolemäus V. Epiphanes Gunst gefunden und ein Amt oder die Steuerpacht über ein Gebiet jenseits des Jordans erhalten, dessen Einnahmen durch die Verheiratung des Königs mit der syrischen Königstochter Cleopatra (o. S. 244) Ägypten zufließen sollten. Er hatte wahrscheinlich wie sein Vater eine Truppe zur Verfügung, welche ihn in seiner Amtsverwaltung unterstützen sollte. Judäer, welche sich in dieser Gegend angesiedelt hatten, standen ihm wahrscheinlich bei oder wurden von ihm verwendet. Mit diesen vereint brandschatzte er die in der Gegend von Hesbon und Medaba wohnenden Araber22 oder Nabatäer eben so rücksichtslos, [253] wie sein Vater Joseph es während seiner Verwaltung in Cölesyrien getan hatte. Setzten sie sich zur Wehr, so bekriegte sie Hyrkanos, tötete die Führer, machte Gefangene, die er als Sklaven verkaufte, und erbeutete das Vermögen der widersetzlichen Plätze. Auf diese Weise sammelte er reiche Schätze. Aus diesen erbaute er sich unweit Hesbon auf einem Felsen eine Art Burg, die zugleich Festung und Paradies im kleinen war. Die Burg war durchweg aus weißem Marmor erbaut und von Künstlerhand mit halb erhabenen großen Tierfiguren in Marmor geschmückt. Die Gebäude mit Wohnräumen und Sälen hatte Hyrkanos in den Felsen viele Stadien weit aushauen und für Bequemlichkeit und Ergötzlichkeit einrichten lassen. Selbst ein Springbrunnen war in dem weiten Hofe, welcher die Gebäude umgab, zur Erfrischung aus dem Felsen gehauen und geräumige Gärten angelegt. Diese eigentümliche Burg, Tyros genannt, war zur Sicherheit mit einem breiten und tiefen Wassergraben umgeben, und zu noch größerer Sicherheit, um nicht von seinen Brüdern überfallen zu werden, waren die Eingänge in die Felsengebäude so eng angelegt, daß die Besucher nur einzeln eintreten konnten. Hier brachte Hyrkanos mehrere Jahre (181-175?)23 zu mit Hausgenossen und Freunden, die er gewiß mit leckeren Schmausereien und anderen Ergötzlichkeiten bewirtete, nach dem Beispiel des lagidischen Hofes, an dem er lange Zeit zugebracht hatte.

Den Überschuß der Schätze, welche Hyrkanos angesammelt hatte, sandte er von Zeit zu Zeit nach Jerusalem zu noch größerer Sicherheit, damit sie im Tempel, der auch für Heiden als unverletzlich und unangreifbar war, für ihn aufbewahrt werden sollten. Hyrkanos war, wie bereits angegeben, mit dem Hohenpriester Onias III. befreundet und vertraute deswegen seine Gelder dem Schutze des unter demselben stehenden Heiligtums. Aus diesem Grunde und wegen seiner strengen abwehrenden griechischen Sitten und Unsitten haßten ihn die Tobiaden und der Parteiführer der Hellenisten Simon so leidenschaftlich, daß dadurch Reibungen und Fehden in Jerusalem [254] ausbrachen. Simon hatte ein Amt im Tempel und scheint dem Hohenpriester vermöge desselben Widersetzlichkeiten entgegengestellt zu haben. Um die einreißende Zwietracht aus Jerusalem zu bannen, verbannte dieser Simon und wahrscheinlich auch die Tobiassöhne aus Jerusalem24. Er hat aber dadurch das Feuer der Zwietracht noch mehr geschürt.

Simon hatte einen verruchten Plan ausgedacht, allein oder mit seinen hellenistischen Genossen, wie er Rache an den Hauptfeinden nehmen könnte. Er begab sich zu dem militärischen Oberhaupt von Cölesyrien und Phönizien, Apollonios, Sohn des Thrasseios, um ihm die verräterische Anzeige zu machen25, daß große Schätze im Tempel zu Jerusalem lägen, die nicht dem Heiligtum gehörten und demgemäß von Rechtswegen dem Könige gebührten. Seine Berechnung ging dahin, daß der syrische Herrscher in Geldnot, wie er war, die Gelegenheit ergreifen würde, sich des Schatzes zu bemächtigen, daß dadurch Hyrkanos um seine hinterlegten Gelder kommen, daß anderseits der Hohepriester sich sträuben würde, sie auszuliefern und dadurch sich die königliche Ungnade zuziehen würde. Apollonios säumte selbstverständlich nicht, dem Könige Seleukos IV. (187-175) Anzeige davon zu machen, und dieser erteilte Befehl, den reichen Schatz zu heben. Dieser tatenlose König hatte nämlich an den Folgen der Torheit seines Vaters zu leiden. Er mußte jährlich an die Römer, welche seinen Vater besiegt und gedemütigt hatten, mehr als tausend Talente abzahlen, und seine Schatzkammer war daher stets leer. Seleukos ließ zwar die Steuern von den ihm noch zugehörigen Ländern mit Härte eintreiben26; aber die eingelaufenen [255] Gelder, was nicht davon für die Hofhaltung gebraucht war, mußten nach Rom wandern. Die Aussicht auf Hebung des Tempelschatzes war daher für Seleukos zu verlockend, als daß die von seinem Vater gewährleistete Unverletzlichkeit des Heiligtums in ihm Bedenken hätten erregen sollen. So sandte denn der König seinen Schatzmeister Heliodor nach Jerusalem, um für den Fall, daß sich Simons Angeberei bestätigen sollte, die Gelder, welche nicht zum Tempel gehörten, zu konfiszieren. Wie vorauszusehen war, widersetzte sich Onias diesem durchaus widerrechtlichen Ansinnen, die Gelder auszuliefern. Er beteuerte Heliodor gegenüber, daß ihrer gar nicht so viel wären als der boshafte Simon angegeben, daß nur etwa vierhundert Talente Silbers und zweihundert Goldes in der Schatzhalle lägen, und daß der größte Teil derselben das Eigentum von Witwen und Waisen wäre und ein Teil Hyrkanos angehörte, und es wäre himmelschreiend, diese der Heiligkeit und dem Schutze des Tempels anvertrauten Gelder zu entnehmen. Heliodor berief sich aber auf den königlichen Befehl, daß er das im Tempel befindliche Gold und Silber konfiszieren müßte und schickte sich zum Eintritt in das Heiligtum an27. Groß war die Aufregung der ganzen Bevölkerung Jerusalems, daß ein Heide in das Innere des Heiligtums dringen und Raub an demselben begehen sollte. Da ereignete sich etwas, das den Schatzmeister verhinderte, die Tempelschändung zu vollführen. Was vorgefallen ist, läßt sich nicht ermitteln, die fromme Sage hat einen Wunderschleier darüber gebreitet. Man erzählte sich, eine wunderbare Erscheinung, Engel auf anstürmenden Rossen, hätten Heliodor in einen so plötzlichen Schrecken versetzt,[256] daß er halbentseelt zu Boden gestürzt sei und davon getragen habe werden müssen28. Heliodor kehrte ohne den Schatz zum König zurück.

Simon ruhte aber nicht, um den von ihm unversöhnlich gehaßten Hohenpriester zu Falle zu bringen. Er klagte ihn an, daß er die Hebung des Tempelschatzes vereitelt habe. Er soll sogar Meuchelmörder bestellt haben, Onias aus dem Wege zu räumen. Der Heerführer Apollonios, der ihm Gehör schenkte, vermehrte durch seine Parteinahme für die Hellenisten die Übel, welche in Jerusalem infolge der Spaltung herrschten. Onias sah daher ein, daß die Ruhe und der Friede in der judäischen Hauptstadt nur wiederhergestellt werden könnten, wenn er dem König Seleukos den Stand der Parteiung auseinandersetzen, die Ungerechtigkeit seiner Feinde aufdecken und von ihm Hilfe gegen sie erlangen könnte. Er entschloß sich daher, sich nach Antiochien zu begeben29, und bestimmte seinen Bruder Jesua, Jason genannt, als stellvertretenden Hohenpriester. Während seiner Abwesenheit begannen die Hellenisten noch eifriger Ränke zu schmieden, um ihn zu stürzen und die Hohenpriesterwürde, die noch immer eine Macht war, an sich zu reißen. Ein Hoherpriester aus ihrer Mitte wäre nicht bloß Herr über den Tempelschatz, sondern auch über die Gemüter des Volkes; er könnte die Einführung der von ihnen ersehnten Neuerungen griechischer Lebensweise fördern und ihnen vermöge seines geistlichen Amtes Nachdruck geben. Das Haus Zadok, aus welchem seit Salomos Regierung bis zum Untergange des Tempels, und seit der Rückkehr aus Babylonien mehr als dreihundertundfünfzig Jahre, die Hohenpriester hervorgegangen waren, sollte beseitigt und eine andere priesterliche Familie mit dieser Würde bekleidet werden. Die Griechlinge waren so entartet, daß ihnen nichts mehr heilig war. Indessen so geheim sie auch anfangs ihre Ränke gegen den abwesenden Onias gehalten haben mögen, verschwiegen blieben sie nicht und regten gewiß die Gemüter derer tief auf, denen die Umkehrung der alten Ordnung und die Gleichgültigkeit gegen die alten Erinnerungen als eine arge Freveltat erschien.

Ein Spruchdichter, der im tiefsten Innern durch diese Vorgänge betrübt war, versuchte diejenigen, welche er auf abschüssiger Bahn wandeln sah, vor dem sicheren Sturz in den Abgrund zu warnen. Es war Jesua Sirach, Sohn Eleasars, aus Jerusalem30. Die [257] Verirrungen, die er in seiner Geburtsstadt überhand nehmen sah, erfüllten ihn mit Trauer und Schmerz und gaben ihm den Gedanken ein, ein Spruchbuch anzulegen, um auf die Schäden derselben hinzuweisen und dadurch seine Zeit- und Stammesgenossen auf den rechten, alten Weg zurückzuführen. Er war ein Spätling der Spruchdichter. – Von Jesua Sirachs Lebensumständen ist gar wenig bekannt. Von Jugend aufsuchte er Weisheit und flehte im Tempel zu Gott, daß er sie ihm zu Teil werden lasse, und als er sie gefunden, hielt er fest an ihr und wich in seinem ganzen Leben nicht davon31. Er war glücklich, daß ihm Gott eine beredte Sprache gegeben, und setzte seinen Lebenszweck darein, ihn mit seinen Lippen zu preisen32. Sirach hatte viel gelitten, und durch Leiden und Prüfungen hat er Erfahrung gesammelt:


»Wer nicht geprüft wurde, weiß wenig,

Wer aber geprüft ist, nimmt zu an Klugheit.

Vieles habe ich in meiner Prüfung gesehen,

Und viele Dinge kamen über mich,

Vielmal bin ich bis zum Tode gelangt,

Bin aber deswegen gerettet worden33


[258] Gesetz, Propheten und andere Schriften von erweckendem und belehrendem Inhalte waren seine Vertrauten34, und besonders vertiefte er sich in die Spruchsammlung (Mischlé) und eignete sich ihre Form an. Er erreichte aber deren künstlerische Einfachheit nicht, weder die zugespitzte Kürze und Knappheit der Weisen in der älteren Sammlung, noch die Eindringlichkeit und Lebendigkeit der später entstandenen Einleitung. Jesua ben Sirach war kein Dichter, seine Sprüche sind gut gemeint, aber der Form nach mehr künstlich als künstlerisch; sie sind breit gezogen und vereiteln dem Hörer und Leser die freudige Überraschung der selbstgefundenen Lösung zugespitzter Sentenzen. Weil er eben keine Künstlerbegabung hatte und doch den unabweislichen Drang fühlte, seine Zeitgenossen zu belehren, machte ihm die Ausarbeitung seiner Sentenzen große Mühe, wie er selbst eingestand:


»Auch ich habe mich zuletzt abgemüht,

Wie ein Winzer hinter den Nachlesern,

Und mit Gottes Segen war auch ich eifrig,

Und füllte wie ein Winzer die Trotte35


Sirach gehörte nicht zu den düsteren Chaßidäern, welche auch erlaubten Genüssen entsagten und an anderen verdammten. Er redete vielmehr dem geselligen Mahle bei Wein und Musik ein warmes Wort und gab in wohlgesetzten Sprüchen eine Art Tafelordnung für Anstand und Mäßigkeit. Gegen die Freudenstörer, welche die Heiterkeit des Gelages durch allzuernste Gespräche zu verscheuchen pflegten, sprach er einen feinen ironischen Tadel aus:


»Sprich, Ratsmitglied, in gründlicher Kenntnis,

Denn das ziemt dir; aber sei der Musik nicht hinderlich.

[259] Wo Wein getrunken wird, bringe dein Gespräch nicht an,

Und zeige dich nicht zur Unzeit weise.

Wie ein Siegelring von Smaragd in goldener Fassung,

So das Lied beim süßen Weine36


Gegen die Überfrommen, welche die Heilkunst verschmähten und als ein sündiges Tun betrachteten, weil die körperlichen Leiden nur durch Gebet zu Gott abgewendet werden sollten, betonte Sirach die Notwendigkeit der Heilkünstler und Heilmittel, daß auch sie von Gott zu ihrem Zwecke geschaffen seien37.

Sein Eifer war nichtsdestoweniger erglüht beim Anblick des sittlichen und religiösen Verfalls seiner Zeitgenossen und bei der Wahrnehmung der dadurch herbeigeführten Demütigung von seiten der mit Übermut auftretenden Völker rings herum. Die schmerzliche Empfindung über die politische Schwäche seines Volkes kleidete er in ein Gebet38:


»Erbarme dich unser, Herr des All,

Blicke herab und gib deinen Schrecken

Auf alle Völker, die dich nicht anerkennen!

Erhebe deine Hand wider die fremden Völker,

Daß sie deine Macht erkennen.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Daß sie gleich uns erkennen mögen,

Daß es keinen Gott außer dir gibt.

Erneuere die Zeichen und wiederhole die Wunder.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zerschmettere die Schädel der Feinde,

Die da sprechen: ›Es gibt nichts außer uns.‹

Sammle alle Stämme Jakobs, laß sie erben

Wie in den Tagen der Vorzeit.

Erbarme dich deines Volkes,

Das auf deinen Namen genannt ist,

Israels, das du als Erstgeborenen verglichen.

Erbarme dich deiner heiligen Stadt Jerusalem,

Des Ortes deines Weilens.

Fülle Zion mit deiner Größe

Und mit deiner Herrlichkeit deinen Tempel.

Möge eintreffen die Prophezeihung derer,

Die in deinem Namen gesprochen.

Gib Lohn denen, die auf dich hören,

Und deine Propheten mögen bewahrheitet werden.«


Mehr noch als die politische Gedrücktheit beschäftigte ihn die sittliche Gesunkenheit. Sirach geißelte mit stachelnden Worten den [260] Übermut, die Falschheit und die Lüsternheit der Reichen, den Grundstock der Griechlinge, welche den Mammon anbeteten. »Wer Pech angreift, beschmutzt sich, und wer mit einem Frevler umgeht, wird diesem gleich ... Was kann der Topf mit dem Kessel für Gemeinschaft haben? Dieser wird anstoßen, und jener zerbrochen werden, Der Reiche tut Unrecht und er brummt noch dazu, der Arme leidet Unrecht und er bittet noch dazu. Wenn du ihm dienlich sein kannst, benutzt er dich und wenn du Mangel hast, verläßt er dich; wenn du vermöglich bist, lebt er mit dir und beutet dich aus. Bedarf er deiner, so verführt er dich, lächelt dich an und macht dir Hoffnung ... Jedes lebende Geschöpf liebt seinesgleichen und jeder Mensch seinen Nächsten. Alle Kreatur vereinigt sich nach Geschlechtern, und seinesgleichen schließt sich der Mann an. Welche Gemeinschaft hat der Wolf mit dem Lamme? So hat keine der Sünder mit dem Frommen. Welchen Frieden hält die Hyäne mit dem Hunde und welchen Frieden der Reiche mit dem Armen? Jagdbeute der Löwen sind die Waldesel in den Steppen, so sind die Weiden der Reichen die Armen. Ein Greuel ist dem Hochmütigen die Niedrigkeit, so ist ein Greuel dem Reichen der Arme39

Sirach rügte den unzüchtigen Verkehr der Geschlechter, warnte vor dem Umgang mit Sängerinnen und Tänzerinnen40, vor der schönen Sünde, welche die Judäer von den Griechen gelernt hatten. Er entwarf in einem Spruche ein häßliches Bild von den Töchtern Israels, das, wenn vielleicht auch übertrieben, sie nicht in günstigstem Lichte zeigt. »Eine Tochter ist ihrem Vater ein geheimer Kummer, und die Sorge um sie raubt ihm den Schlaf. In ihrer Jugend, daß sie nicht verblühe, und verheiratet, daß sie nicht verhaßt werde. In ihrer Jungfräulichkeit, daß sie nicht geschändet und in ihrem Vaterhause schwanger werde41.« Er veranschaulichte die herrschende Geilheit im Kreise der Griechlinge in einer Gebetform, scheinbar von sich selbst redend:


»Herr, Vater und Gott meines Lebens!

Lüsternheit der Augen gib mir nicht.

Und die Lust wehre von mir ab.

Des Fleisches Lust möge mich nicht erfassen,

Und schamlosem Sinne überliefere mich nicht42


Gegen die Verdorbenheit der Jugend eiferte er besonders: »Wünsche dir nicht eine Menge ungeratener Kinder, noch freue dich frevelhafter [261] Söhne. – Denn besser ist einer als tausend und kinderlos sterben, als gottlose Kinder haben43

Als Grundübel und Wurzel dieser Gesunkenheit betrachtete Sirach die Geringschätzung der Lehre des Judentums, und dieser zu steuern war der Zweck seiner Spruchdichtung. Mit Entrüstung rief er aus: »Wehe euch, frevelhafte Männer, die ihr das Gesetz des Höchsten verlassen habet! – denn nicht jegliche Scham zu beachten ist gut. Schämet euch vor Vater und Mutter der Unzucht, vor der Versammlung des Volkes der Gesetzesübertretung ... Dieser Dinge schäme dich, aber des Gesetzes des Höchsten und des Bundes schäme dich nicht44!« – Wodurch kann dieses tiefätzende Übel geheilt werden? Sirach hielt es für seine Aufgabe, ein erprobtes Heilmittel zu zeigen und anzupreisen: das Gesetz, die Gebote Gottes und ihre Heilighaltung. Begeistert wie er für die Lehre des Judentums war, schilderte er ihren hohen Wert mit dichterischem Schwunge, und pries sie als die verkörperte Weisheit. Er ließ diese selbst sprechen:


»Ich ging hervor aus dem Munde des Höchsten,

Und wie Nebelgewölk bedeckte ich die Erde.

Ich wohnte in höchster Höhe,

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Im Himmelskreise kreiste ich,

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

In den Wogen des Meeres und auf der ganzen Erde,

Und über jedes Volk und jeden Stamm herrschte ich.

Bei diesen allen suchte ich Ruhe,

In wessen Eigentum ich wohnen soll.

Dann gebot mir der Schöpfer des All,

Und mein Bildner bereitete mir das Zelt

Und sprach zu mir:

›In Jakob wohne und in Israel nimm Besitz!‹

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Im heiligen Zelte diente ich vor ihm,

Und in Zion wurde ich gefestigt.

In der heiligen Stadt gab er mir Ruhe,

Und in Jerusalem ist meine Macht.

Ich faßte Wurzel im verherrlichten Volke

Im Anteil des Herrn, seinem Erbe.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wie ein Weinstock ließ ich Anmut blühen,

Und meine Blüten sind Frucht und Pracht der Fülle.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

[262] Alles dieses ist das Bundesbuch des Höchsten,

Das Gesetz, das Mose befohlen,

Als Erbe der Gemeinde Jakobs45


Gott, der Menschen aus Erde nach seinem Ebenbilde geschaffen, gab ihnen Weisheit und Einsicht, seine Werke zu bewundern und ihn zu preisen. Er vererbte ihnen das Gesetz des Lebens, schloß mit ihnen ein ewiges Bündnis, die Größe seines Ruhmes sahen ihre Augen und die Herrlichkeit seiner Stimme vernahm ihr Ohr. Er sprach zu ihnen: »Haltet euch von jedem Unrecht ferne,« und erteilte jedem ein Gebot im Verhalten zum Nächsten. Den Reuigen gestattete er Umkehr und die, welche ihre Zuversicht verlassen, tröstete er. »Kehret doch um und lasset von der Sünde46!« so rief der jüngste Spruchdichter seinen in Sünden versunkenen Zeitgenossen zu.

Sirach berührte auch eine peinliche Frage, welche die Gemüter der höheren Kreise Jerusalems innerlich beschäftigte, die vermessenen Ränke der Hellenisten, den Hohenpriester Onias seines Amtes zu entsetzen und einem der Ihrigen, wenn auch nicht von den Nachkommen Ahrons, diese Würde zu übertragen. Mußte denn das Hohepriesteramt in einer einzigen Familie erblich sein? Diese Frage hatten die Ehrgeizigen aufgeworfen. Bei den Griechen in der Nähe Judäas war das Priestertum nicht erblich, sondern konnte den Mitgliedern der vornehmen Familie durch Wahl oder durchs Los zugeteilt werden, Warum soll am Tempel in Jerusalem nicht eben so verfahren werden? Gegen dieses Gerede und die Verschwörung, die allerheiligste Ordnung umzukehren, ließ Sirach ebenfalls seine Warnung in Spruchform vernehmen. Er durfte nur zart darauf anspielen, nicht die Sache beim rechten Namen nennen.


»Warum ragt ein Tag vor dem andern hervor,

Und doch kommt jedes Tageslicht von der Sonne?

Durch die Weisheit des Herrn wurden sie geschieden,

Und er zeichnete Zeiten und Feste aus.

Einige Tage erhöhte und heiligte er,

Und einige bestimmte er als Werkeltage.

Und so sind alle Menschen von Staub geschaffen,

Und aus Erde wurde Adam gebildet,

Indes schied sie Gott in seiner Weisheit.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Einige von ihnen segnete und erhöhte er,

Einige heiligte er und brachte sie sich näher,

Und einigen fluchte er und stellte sie niedrig.«


[263] Die Ordnung der Berufung eines Hauses zur Heiligkeit für den Tempeldienst stamme von Gott, will der Spruchdichter sagen, eben so wie die unbestrittene Auszeichnung gewisser Tage als heilige Feste. An dieser Ordnung soll der Mensch nicht vermessen rütteln. Diese Auseinandersetzung beschloß Sirach mit einer feierlichen Warnungsanrede:


»Höret mich, Große des Volkes,

Und Führer der Gemeinde, merket auf mich!47«


Diese Warnung schien ihm so wichtig, daß er noch einmal darauf zurückkam und sie noch nachdrücklicher betonte. Durch Beispiele aus der Geschichte des israelitischen Volkes wollte er seine Zeitgenossen belehren, welche glückliche Folgen das Festhalten am Gesetz und an der Ordnung und welchen schlimmen Ausgang die Umkehrung derselben für die Vermessenen hat. Er führte zu diesem Zwecke die lange Reihe der geschichtlich berühmt gewordenen Persönlichkeiten aus dem Altertum vor und faßte kurz ihre Taten oder Untaten zusammen. Als Einleitung dazu entwarf Sirach ein Naturgemälde, um darin Gottes Größe erkennen zu lassen. Und derselbe Gott, der die Meerestiefe erforscht, erforsche auch das Menschenherz. »Er verkündet das Vergangene und Zukünftige, kein Gedanke entgeht ihm, verborgen ist vor ihm auch nicht ein Wort48.« In scharfen und kurzen Zügen zeichnete Sirach die Wunder der Natur, die Glut der Sonne, den regelmäßigen und die Zeiten abteilenden Wandel des Mondes, des Himmels [264] Schönheit mit der Gestirne Glanz, die Wolken, die wie Vögel fliegen, die Stimme des Donners, das sanfte Säuseln des Windes und das Aufbrausen des Sturmes, den Reif, der wie Salz gestreut ist, und die Kälte, »die das Wasser wie mit einem Panzer bekleidet,« den Tau vom Ostwind erfrischt und erfrischend, das Meer mit den darin emporragenden Inseln und den Ungeheuern in seiner Tiefe:


»Vieles mögen wir sagen,

Und nicht werden wir ihn erfassen,

Das Ende der Worte: »Das All ist er.«

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Alles schuf der Herr,

Und den Frommen verlieh er Weisheit.«


Nach dieser Einleitung führte Sirach die geschichtlichen Persönlichkeiten aus der israelitischen Vorzeit vor die Seele seiner Leser und verweilte am längsten bei denen, deren Tugenden oder Freveltaten ihm geeignet schienen, den Nachkommen als Muster oder als abschreckendes Beispiel zu dienen:


»Einige hinterließen einen Namen,

So daß man ihr Lob verkündet,

Und andern blieb kein Gedächtnis,

Und sie wurden, als wären sie nicht gewesen.«


Mit Enoch, »der das Beispiel der Reue gegeben,« eröffnete er die Reihe, dann folgt Noa, »der Gerechte zur Zeit der Flut,« Abraham, »der Vater einer Menge Völker, der das Gesetz des Höchsten befolgte,« Isaak und Jakob, »die Stammväter der zwölf Stämme,« endlich Mose, »geliebt von Gott und Menschen,« den er an Ruhm den Heiligen gleichstellt. Länger noch als bei Mose verweilt die Schilderung des Spruchdichters bei Ahron, als Heiliger seinem Bruder ähnlich, dem Gott das Priestertum des Volkes verliehen und der zum Dienste Prachtgewänder anlegte mit dem Brustschild der Urim und Thummim und dem Diadem:


»Nicht legte sie ein Fremder an,

Nur seine Nachkommen ganz allein für immer,

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Er erwählte ihn aus allen Lebendigen.«


Mit augenscheinlicher Absichtlichkeit erzählte Sirach bei dieser Gelegenheit den Aufstand der Rotte Korahs gegen Ahron, »der Vermessenen, die eifersüchtig auf ihn waren in Zorn und Glut; aber sie wurden durch Flammen vernichtet und Ahrons Glanz wurde erhöht«. Es sollte ein Wink für die Zeitgenossen sein, daß es den Eifersüchtigen auf den Hohenpriester Onias, Ahrons Enkel, nicht wie der [265] Rotte Korahs ergehe. – Ebensolange verweilt die Schilderung bei Pinehas, Ahrons Enkel, »dem dritten an Ruhm,« welcher Sühne erwirkte für Israel. Darum wurde mit ihm ein Bündnis geschlossen, Vorsteher des Heiligen und des Volkes zu sein, daß ihm und seinen Nachkommen des Priestertums Herrlichkeit in Ewigkeit verbleibe. Und so wie das Bündnis mit David war, daß das Erbe des Königtums nur von Sohn zu Sohn übergehe, ebenso gehöre das hohenpriesterliche Erbe Ahron und seinen Nachkommen. – Ehe Sirach von der Schilderung der ersten zwei Hohenpriester zu den anderen geschichtlichen Persönlichkeiten überging, richtete er eine Ermahnung, deren Spitze gegen die Priester gekehrt ist:


»Darum preiset Gott, daß er Weisheit in euer Herz gebe,

Sein Volk in Gerechtigkeit zu richten,

Auf daß nicht schwinden möge ihr Glück

Und ihr Ruhm für ihre Geschlechter.«


Die Schilderung Josuas und Kalebs, die darauf folgt, die von den Sechshunderttausend allein übrig geblieben, das Volk in sein Besitztum einzuführen, schließt mit der Nutzanwendung:


»Auf daß alle Kinder Israels hören,

Daß es gut sei, dem Herrn zu folgen.«


Dann nach kurzer Erinnerung an die Richter läßt der Spruchdichter die zwei Propheten, Samuel und Nathan, folgen, nennt Sauls Namen nur nebenher, um länger bei David und Salomo zu verbleiben, und übergeht nicht den Schandfleck in Salomos Leben, seinen Hang zu den Weibern und als Folge desselben die Spaltung des Reiches. Er berührte dabei die Hoffnung, daß aus Davids Nachkommen doch noch einmal ein Herrscher über Israel kommen werde:


»Er verließ nicht seines Auserwählten Sprößling,

Und den Samen seines Geliebten vertilgte er nicht.

Er gab Jakob einen Überrest

Und David ... eine Wurzel49


Rasch schritt er über die unglückliche Zeit der Reichsspaltung und die daraus entstandene Sündenanhäufung hinweg und verweilte lange bei der Tätigkeit der Propheten Eliahu, Elisa, Jeremia und Ezechiel und der frommen Könige Chiskija und Josia. Aus der nachexilischen Zeit führte er nur Serubabel, den Hohenpriester Josua und Nehemia vor und überging auffallenderweise Esras Tätigkeit. Und ganz zuletzt schilderte Sirach den ruhmreichen [266] Hohenpriester Simon den Gerechten50 aus der jüngsten Vergangenheit, seine Taten und seine priesterliche Hoheit. Er war der Stammvater der zeitgenössischen hohenpriesterlichen Familie und auch der Tobiassöhne; sein Beispiel sollte belehrend und warnend wirken und die vermessenen Ehrgeizigen, welche die Hand nach dem hohenpriesterlichen Diadem auszustrecken gedachten, von ihrem Vorhaben abschrecken. Um seiner Anspielung auf die Zeitverhältnisse Deutlichkeit und Nachdruck zu geben, fügte Sirach ganz zum Schlusse seiner Schilderung der Wunder Gottes in der Natur und in der Geschichte Israels ein Gebet hinzu:


»Und nun preiset alle den Großes tuenden Gott,

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der mit uns nach seinem Erbarmen getan.

Er gebe uns Freude des Herzens,

Daß Friede unter uns sei.

Und bleibe mit Simon dem Gerechten und seinen Nachkommen,

Wie in Tagen der Vorzeit.

Es verharre bei uns sein Erbarmen,

Und er erlöse uns zu seiner Zeit51


Aber statt der erflehten Eintracht vermehrte sich noch die Zwietracht und statt der Erlösung erfolgte eine noch drückendere Knechtschaft für das judäische Volk, und es kam durch die Ränke und Verworfenheit der Griechlinge hart an den Rand des Unterganges.


Fußnoten

1 Vergl. über die Lage von Gazara – רזג Bd. I. S. 80 Anm. 1.


2 Makkab. I, 5, 65. Über die Enklaven der Idumäer in Judäa, vergl. Monatsschrift, Jahrg. 1875, S. 61f. Auch im Westen des Toten Meeres in Akrabatana waren Idumäer, vergl. im letzten Kap.


3 Über die Spannung zwischen Judäern und Nachbarvölkern in dieser Zeit ist Sirach 50, 25-26 instruktiv: ἐν δυσὶν ἔϑνεσι προσώχϑισεν ἡ ψυχἠ μου, καὶ τὸ ιρίτον οὐκ ἔστιν ἔϑνος οἱ καϑἠμενοι ἐν ὄρει Σαμαρείας, Φυλιστιείμ, καὶ ὁ λαὸς μωρός ὁ κατοικῶν ἐν Σικίμοις. Statt Samaria hat die Peschito לבג, d.h. Gabalene und die Vulgata in monte Seïr. Man muß also Σƞείρ statt Σαμάρεια lesen. Allein unmöglich kann darunter das eigentliche Idumäa verstanden sein. Denn dieses war damals nicht von Idumäern, sondern von Nabatäern bewohnt, welche ein dominierendes Volk waren und mit den Judäern in gutem Einvernehmen standen (vergl. Monatsschr. das. S. 48f.). Es kann sich nur auf die idumäische Enklave innerhalb Judäas beziehen, die auch mit dem Namen Seïr belegt und auch Gabalene genannt wurde. In den Talmuden kommt öfter vor, daß Gesetzeslehrer nach Gabalene reisten und dort jüdische Gemeinden antrafen. (Ketubot 112a) אלבגל עלקא יול ןב עשושהי 'ר; (Aboda Sara 59a): ןרבעמד לארשי תונב אזח אלבגל עלקא אבא רב אייח 'ר םירכנמ. Dazu bemerken Thossaphot mit Recht, Gabala oder Gabalene müsse in Palästina gelegen haben. Denn als R'Josua ben Levi dort große Trauben bemerkte, apostrophierte er das heilige Land, daß es Fremden den Segen spende: ימל ךיתוריפ יסינכה ץרא ץרא וללה םייברעל ךיתוריפ האיצומ תא. Ferner Jerus. Megilla III, 73d: אנלבגל לזא הימרי 'ר, ebenso Aboda Sara II, 11c. Entscheidend dafür ist die Tradition (das. Schebiit VI, p. 36d.), daß eine talmudische Autorität im 4. Jahrh. Gabalene vom Sabbatjahr-Gesetz befreien wollte und ein anderer sich dagegen erklärte: 'ר 'וכו אנמ 'ר יבגל אתא (הנולבג) הנולבי ןהה ירשמ יעב אנוח . Daraus ergibt sich, daß das idumäische Gebiet im Süden Palästinas um Bet-Gubrin ebenfalls Gabalene und Seïr genannt wurde. Entscheidend dafür, daß auch die südjudäische Gegend Gabalene benannt wurde, ist auch die Angabe Hieronymus' (Komment. zu Obadja I.) Gebalene in finibus Eleutheropoleos, ubi ante habitaverunt Horraei. Eleutheropolis d.h. Bet-Gabrin. Bet-Gabris lag in Südjudäa (vergl. Monatsschr., Jahrg. 1875 S. 61, flg. Jahrg. 1876, S. 10). Folglich heißt Südjudäa oder die Gegend von Eleutheropolis auch Gabalene.


4 Makkab. II, 12, 3f.

5 Das. 4, 8 vergl. darüber Kapitel 9.


6 Über die Benennung Galiläa s. Bd. I. S. 284 Anm. 4.


7 Aus Makkab. I, 5, 14f. geht hervor, daß zur Zeit der Makkabäerkämpfe bereits Judäer in Ober- und Untergaliläa angesiedelt waren, da sie von den Bewohnern von Tyrus und von Ptolemais mißhandelt wurden. Nun werden in der Mischna (Erachin IX, 6) als alte feste Städte in Galiläa aufgezählt: 'המוח ירע יתב ןה ולאו ירופצ לש הנשיה הרצק ןוגכ ןונ ןב עשוהי תומימ המוח תזפקמ... אלמגו הנשיה תפדויו בלח שוג לש ארקחו. Die Benennung ירופצ לש... הרצק gleich ירופצ לש הרטסק (Sabbat 121a) führt darauf, daß der Platz, wo noch jetzt das Kastell beim Dorfe Sifurijjeh steht, als das alte Sepphoris angesehen wurde, und ebenso die Akra bei Gischala und das alte Jotapata zum Unterschiede von einer neu angelegten Stadt Neu-Jotapata. Der Name Jotapata scheint mazedonischen Ursprungs zu sein, etwa von einem griechischen Namen Ἰωτάπƞ; es gab auch eine Stadt dieses Namens in Cilicien und eine Insel im Roten Meere Ἰωτάπƞ. – Nach Makkab. das. V. 23 wohnten Judäer ἐν Γαλιλαίᾳ καὶ Ἀρβάττοις. Ein Territorium Arbatta ist ohne Parallele. Makkab. I, 9, 2 wird von einem Zuge des Bacchides berichtet: εἰς Γάλγαλα.. ἐπὶ Μαισαλὼϑ τὴν ἐν Ἀρβἠλοις. Statt Galgala hat die syrische Version איללג, also Galiläa, und statt Maisaloth haben einige richtig emendiert Χασαλώϑ (Hugo Grotius z. St.). Die L.-A. Ἀρβἠλα ist gesichert durch die Parallele bei Josephus (Altert. XII, 9, 1) und durch den Zusatz, daß dort Höhlen waren (vergl. das. XIV, 15, 4). Man muß also auch Makkab. I, 5, 23 lesen Ἀρβἠλοις statt Ἀρβάττοις, nicht mit H. Grotius umgekehrt. Die Gegend westlich vom Tiberiassee, wo die Stadt Arbela lag, und die Ebene Jesreël hieß also damals Arbela. Vergl. Eusebius Onomastic. s.v. Arbela, daß es 9 röm. M. von Legio eine Stadt Arbela gegeben hat


8 Josephus Altert. XII, 3, 4.


9 Makkab. I, 5, 9f., 25f.


10 Das. 5, 1.


11 Makkab. I, 1, 15. II. Makkab. 4, 9. Vergl. weiter unten.


12 Makkab. II, 4, 8-9; Josephus Altert. XII, 5, 1.


13 Das. 4, 15.


14 Makkab. I, 2, 42 συναγωγὴ Ἀσιδαίων, wie der alexandrinische Text liest, statt Ἰουδαίων, ebenso Vulgata: tunc congregata est ad eos synagoga Assideorum. Daraus folgt, daß sie einen geschlossenen Verein bildeten. Vergl. das. 7, 13 und Makkab. II, 14, 6. – Ps. 149, 1 םידיסח להקב ותלהת hat dieselbe Partei im Sinne. Dasselbe bedeutet auch םיקידצ תדע Ps. 1, 5 vergl. Note 17.


15 Daniel 11, 14 ךמע יצירפ ינב; 30 שדק תירב יבזע und 32 תירב יעישרמ; 12, 10 םיעשר; Makkab. I, 1, 11 παράνομοι u.a. St.


16 Makkab. II, 14, 37-38. Ῥασὶς δέ τις τῶν ἀπὸ Ἱεροσολύμων πρεσβυιέρων ... πατὴρ τῶν Ἰουδαίων.. ἦν γὰρ ἐν τοῖς ἔμπροσϑεν χρόνοις τῆς ἀμιξίας κρίσιν εἰςενƞνεγμένος Ἰουδαϊσμοῠ κ. τ. λ. Statt des unsinnigen ἀμιξία emendierte H. Grotius mit Recht ἐπιμιξία wie 14, 3. Aber das Wort κρίσιν (so Vaticanus statt κρίσις) hat er mißverstanden; es bedeutet allerdings טפשמ, aber im Sinne von »strenges Gericht« wie Ps. 149, 9 טפשמ םהב תושעל. Der syrische Vertent hat den Vers richtig paraphrasiert: שגר המשד... דח ןיד ארבג אאטח אוהנד אוה קבש אלו אנידב םידק ןמ ריג איה יהותיא... .אידויד אמעב


17 Abot I, 5. Über die antagonistische Bedeutung ihrer Sentenzen vergl. Monatsschrift, Jahrg. 1869, S. 20f. Das Zeitalter dieser beiden zeitgenössischen Gesetzeslehrer ergibt sich aus der Relation, woraus auch hervorgeht, daß der Neffe des José aus Zereda, namens םיקי, mit dem abtrünnigen Hohenpriester Alkimos identisch zu sein scheint (Midrasch zu Genesis c. 65): רזעוי ןב יסוי לש ותוחא ןב היה (הדרצ) תודורצ שיא םיקי הדירצ שיא. Vergl. weiter unten.

18 Ps. 1. S. Note 17.


19 Daß es zwischen den beiden extremen Parteien eine Mittelpartei gegeben hat, läßt sich ohne weiteres voraussetzen. Sie ist aber auch durch eine Tatsache erwiesen. Die von Jason abgeordneten Herolde zu den olympischen Spielen mochten das mitgebrachte Geld nicht zu Opfern für Herakles verwenden, obwohl sie zu den Hellenisten gehörten. Makkab. II, 4, 19: ἀπέστειλεν Ἰάσων ... ϑεωροὺς ... Ἀντιοχεῖς ὄντας παρακομίζοντας ἀργυρίου δραχμὰς ... εἰς τὴν τοῠ Ἡρακλέους ϑυσίαν, ᾃς καὶ ἠξίωσαν οἱ παρακομίσαντες μὴ χρῆσϑαι πρὸς ϑυσίαν διὰ τὸ μὴ καϑἠκειν. Für diese gab es noch ein bindendes Religionsgesetz, das sie nicht übertreten mochten. Vergl. weiter unten.


20 Makkab. II, 3, 1f. 4, 2; 15, 12. Makkab. IV. oder Pseudo-Josephus, de Maccabaeis 4. Freudenthal hat es zur Wahrscheinlichkeit erhoben, daß diese beiden Makkab. nur Sekundärquellen sind und aus der Schrift von Jason von Kyrene (Makkab. II, 2, 23) geschöpft haben (die Fl. Josephus beigelegte Schrift über die Herrschaft der Vernunft S. 74f.).


21 Das. Da Menelaos, Simons und Lysimachos' Bruder, ein gewissenloser Hellenist war (nach Makkab. II.), so versteht es sich von selbst, daß auch er den Hohenpriester haßte. Die Verbindung der Tobiaden mit Menelaos, und also auch mit Simon, folgt aus Josephus (Altert. XII, 5, 1). Über die Abstammung der drei Brüder vergl. weiter unten.


22 Josephus das. 4, 11: ἐπολέμει τοὺς Ἄραβας. Das. 4, 9: φορολογῶν τοὺς βαρβάρους muß gelesen werden: Ἄραβας wie Diodor. XV, 2 Ende: Βαρβάρων βασιλεὺς, nach Wesseling Ἀράβων zu lesen. Die Araber in dieser Gegend waren übrigens zu dieser Zeit Nabatäer. – Den fortdauernden Haß der Brüder gegen Hyrkanos belegen die Worte das.: μὴ πολιορκƞϑεὶς ὑπο τῶν ἀδελφῶν κ. τ. λ.


23 Josephus (Altert. XII, 4, 11) muß die Zahl der Jahre, welche Hyrkanos in der Gegend von Hesbon zugebracht hat, korrumpiert sein. Sie ist nämlich auf sieben angegeben, aber es ist dabei bemerkt: die ganze Zeit, so lange Seleukos Philopator regierte: πάντα τὸν χρόνον, ὃν Σέλευκος.. ἐβασίλευσεν; Seleukos regierte aber zwölf Jahre.


24 Makkab. IV, 4 deutet an, daß Simon als Flüchtling Jerusalem verließ: φυγὰς ῷχετο (Σίμων), τὴν πατρίδα προδώσων. Das II. Makkab. 3, 5 sagt einfach: ἦλϑε πρὸς ᾽Λπολλώνιον. Josephus, welcher in der kurzen Darstellung dieser Vorfälle im jüd. Krieg (I, 1, 1) einer unbekannten Quelle folgte, referiert, daß Onias III. die Tobiaden aus Jerusalem verbannt hat; Ὀνίας μὲν εἷς τῶν ἀρχιερέων ... ἐξέβαλε τῆς πόλεως υἱοὺς Τωβία. Er verwechselt zwar das. Onias III. mit seinem Sohne Onias IV. und setzt diese Verbannung in Antiochus Epiphanes' Zeit. Aber neben dieser Ungenauigkeit kann doch das Faktum von der Verbannung der Tobiaden und Simons bestehen. In Altert. XII, 5, 1 deutet er an, daß Menelaos und die Tobiaden, von Jason bedrängt, Jerusalem verlassen mußten: ὑφ᾽ οὗ (Ἰƞσοῠ – Ἰάσωνος) πονούμενοι ὅ τε Μενέλαος καὶ οἱ Τωβίου παῖδες πρὸς Ἀντίοχον ἀνεχώρƞσαν. Hier verwechselte er wieder Jason mit Onias III. und Antiochus mit Seleukos. Es folgt also daraus, daß Onias III., als er noch Hoherpriester war, Simon und die Tobiaden, vielleicht auch Menelaos aus Jerusalem verbannt hat.


25 Makkab. II. das. und IV. das.


26 In Daniel 11, 20 wird dieser König mit einem einzigen Worte charakterisiert: שגנ ריבעמ, der den Steuereinnehmer durch die Städte ziehen läßt. Es ist daher ganz undenkbar, daß dieser Seleukos aus seinen Einnahmen alle Opferbedürfnisse in Jerusalem habe bestreiten lassen. Abgesehen davon, daß das Motiv für seine Zärtlichkeit unfindbar ist, war er nicht imstande, solche Luxusausgaben zu machen. Die L.-A. in Makkab. IV, 4: Σέλευκος Νικάνωρ (l. Νικάτωρ), Βασιλεὺς τῆς Ἀσίας, empfiehlt sich daher als richtig. Nicht Seleukos IV., sondern Seleukos I. hat Spenden an den Tempel in Jerusalem gegeben, vielleicht zur Zeit, als er noch Hoffnung hatte, Cölesyrien zu erhalten. Das II. Makkab. 3, 3 hat offenbar denselben Sel. im Sinne gehabt.


27 Makkab. II, 3, 7f. Makkab. IV, 4. Das letztere läßt den Strategen Apollonios selbst, dem Simon die Mitteilung vom Tempelschatze gemacht hat, nach Jerusalem kommen. Wenn beide eine gemeinsame Quelle benutzt haben sollten (o. S. 253, Anm. 1), so ist es denkbar, daß der Verfasser des IV. Mak. oder der Prediger, der diesen geschichtlichen Vorgang eingeflochten hat, einen lapsus memoriae begangen hat, da ihm am Detail weniger gelegen war. Er läßt auch Simon mit Apollonios nach Jerusalem kommen, und noch dazu mit einem starken Heere, was ebenfalls ungenau sein muß.


28 Makkab. II, 24f., IV. das. Hier sehr gekürzt.


29 Makkab. II, 4, 1-6.


30 So nennt sich der Verfasser am Schlusse seiner Spruchsammlung: Ἰƞσοῠς υἱὸς Σειρὰχ (Σιρὰχ) Ἱεροσολυμίτƞς. Der alexandrinische Text hat noch den Zusatz: υἱὸς Σιρὰχ Ἐλεαζάρ. Da Sirach sein Familienname war, so mußte doch wohl auch der Name seines Vaters genannt werden, wie es Sitte war, und dieser lautete Eleasar. – Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Sirach – wie er nach dem Familiennamen genannt wird – in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, und also während der Hellenisten-Wirren und noch vor dem Ausbruch des Makkabäerkampfes oder der gewaltsamen Hellenisierung gelebt hat. Denn sein Enkel, der Übersetzer aus dem Hebräischen ins Griechische, erzählt von sich im Vorworte zur Übersetzung, er sei im 38. Jahre des Königs Euergetes nach Ägypten gekommen. Unter diesem Euergetes kann nur der zweite, Physkon, gemeint sein, da der erste nur 25 Jahre regiert hat. Euergetes II. begann mit seinem Bruder Ptol. Philopator zugleich 170 zu regieren und regierte nach dem Tode seines Bruders noch 29 Jahre, im ganzen 54 Jahre. Das 38. Jahr seiner Regierung ist also das Jahr 132 ante. Dadurch ist auch die Lebenszeit seines Großvaters gegeben. Anspielungen auf die Hellenisten-Verirrungen und Frevel kommen in Hülle und Fülle in Sirachs Spruchsammlung vor, ja, diese ist erst durch diese Vorgänge recht verständlich. – Sie wird unter dem Titel ןב רפס אריס oder auch אריס ןב ילשמ zitiert. Die Kirchenväter nannten sie σοφία Σειράχ oder auch Ecclesiasticus. Das Buch muß viel gelesen worden sein, denn in der talmudischen und agadischen Literatur werden viele Verse daraus zitiert.


31 Sirach 51, 13f., syr. Version 51, 15. Diese Version hat gerade in diesem Gebetstücke viele Lücken. So fehlt V. 14: ἔναντι ναοῠ ἠξίουν περὶ αὐτῆς usw.

32 Das. V. 22.


33 Das. 31, 11-12. Bekanntlich ist im Texte der griechischen Kodizes von Kap. 30, 25 an eine arge Versetzung eingetreten, so daß dadurch zwei zusammenhängende Stücke in vier unverständliche Parzellen auseinander gerissen wurden. Die syr. und altlat. Version haben dagegen eine sinngemäße Folge, und die Verse hängen zusammen. Die eben zitierten Verse stehen in diesen beiden Versionen 34, 10-12. – Im griechischen Texte ist ὁ δὲ πεπλανƞμένος und πολλὰ ἑώρακα ἐν τῇ ἀποπλανἠσει μου eine falsche L.-A. Die syrische Version hat אתמכח יגסל סנדו und תיזח יגס תיסנ דכ. Man muß dafür lesen πεπειρασμένος und ἀποπείρασις. Ebenso 51, 13: ἔτι ὢν νεώτερος πρὶν ἢ πλανƞϑῆναι – πειρασϑῆναι. Vom »Umherirren« des Verf. ist sonst keine Andeutung. Das Meer hat er schwerlich befahren (43, 24b).


34 Vorwort des Übersetzers. Vergl. Sirach 39, 1.


35 Das ist eines der zerrissenen Versstücke im gr. Texte 33, 16 Κἀγω ἔσχατος ἐγρύπνƞσα, wozu ergänzt werden muß 30, 25: ὡς καλαμώμενος ὀπίσω τρυγƞτῶν. Im Syrischen zusammenhängend (33, 15): אתבטבו אפוטק רתב אמרכד אנרעבמ ךיא תיתא תירחא אנא םאו תמק אנא אהלאד. Das Wort תיתא kann aber nicht richtig sein, da es dem ἐγρύπνƞσα gar nicht entspricht; vielleicht תיאל, ich habe mich abgemüht. Noch weniger richtig kann im Syrischen das Verbum תמק sein, da es dem gr. ἔφϑασα entsprechen muß. Man muß entschieden dafür lesen תמדק.


36 Sirach 35, 3f., 22, 1f.


37 Das. 38, 1f.


38 Auch dieses Gebet ist im gr. Text durch die Verschiebung und Versetzung zerrissen in Kap. 33, 1-13a und 36, 16b–22. Im Syrischen und Vulgata bildet das Gebet ein zusammenhängendes Ganze 36, 1-19.


39 Sirach 13, 1f. vergl. 5, 1f. 8, 2f.


40 Das. 9, 1f. 19, 2f. u.a. St.


41 Das. 42, 9f. Auch zitiert Synhedrin p. 100a.


42 Das. 23, 4f. 16f.


43 Sirach 16, 1f.


44 Das. 42, 8f.


45 Sirach 24, 1f.


46 Das. 17, 1f.


47 Es ist nicht zu verkennen, daß Sirach 36, 7-15a (syr. Text 33, 6-14), die Tendenz hat, die unerschütterliche Berufung des Priestertums zu betonen. Dann erhält auch die Apostrophe ein Relief: ἀκούσατέ με μεγιστάνες λαοῠ κ. τ. λ., die damit zusammenhängt (syr. Text das. V. 16, im griech. T. verschoben in 33, 27). Diese Auseinandersetzung von dem Unterschied der Menschen bezüglich des heiligen Berufes gleich dem Unterschied der Zeiten hatte in seinen Augen Wichtigkeit. Und sie kann es nur gehabt haben, wenn man voraussetzt, daß die Erblichkeit des Priestertums damals streitig gemacht wurde.


48 Sirach 42, 18-20. Es ist ein Irrtum in der Auffassung der letzten Kapitel Sirach, daß er K. 42, 15-43, 33 Preis des Herrn und 44-50 Preis der berühmten Männer des Volkes habe zeigen wollen. Beide Stücke bilden vielmehr ein einheitliches Ganze, um die Taten Gottes in der Natur und die in der Geschichte des Volkes Israel zu zeigen, daß sie aus ein und derselben Quelle stammen. Der Schluß des ersten Stückes (43, 33): πάντα γὰρ ἐποίƞσεν ὁ κύριος καὶ τοῖς εὐσεβέσιν ἔδωκε σοφίαν, verbindet dieses mit dem darauffolgenden, dem πατέρων ὕμνος. Im Grunde will diese Partie nicht die historischen Helden verherrlichen, sondern ihre Frömmigkeit und Tugenden als Muster aufstellen; darum hebt er auch als Schattenseite die Bene-beliaal in der Geschichte heraus, »die da waren, als wären sie nicht gewesen«, (44, 8). Das Hauptinteresse hatte für ihn die retrospektive Betrachtung der Geschichte; die Taten Gottes in der Natur sollten als Einleitung dazu dienen.


49 Sirach 47, 22. In dem Passus: καὶ τῷ Δαυὶδ ἐξ αὐτοῠ ῥίζαν fehlt hinter ἐξ ein Substantiv.


50 Vergl. o. S. 216, Anm. 1, daß unter Simon (Sirach 50, 1-21) nur Simon der Gerechte gemeint sein kann.


51 Die VV. 51, 22-24 bilden die Pointe der ganzen Schilderung und verdeutlichen die Wirren der Zeitlage. Die syr. Vers. hat durchweg hier die dritte Person statt der zweiten des gr. Textes.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1902], Band 2.2, S. 268.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon