II.

[422] Da das jüdisch-himjaritische Reich nur von kurzer Dauer war, so kann es höchstens auf Abu-Karibas Enkel übergegangen sein. Wie schon oben angegeben, nimmt Tabari drei Söhne desselben an: Hassân, Amru und Zorah (oder Zerah). Der letzte erhielt von einer Burg den Beinamen Dhu-Nowas, und das ist sein geschichtlicher Name geworden. Maßudi dagegen gibt Dhu-Nowas als Zorahs Sohn aus. Vor ihm regierte aber nach Übereinstimmung sämtlicher Quellen Lachiatha Janûf, der von den Ohrringen, die er zu tragen pflegte, Dhu-Schanatir hieß38. Er wird von sämtlichen Quellen als Usurpator bezeichnet. Ob Hassân und Amru sich zum Judentume bekannten, wird nicht berichtet. Dhu-Schanatir war gewiß nicht Jude, da er ganz offen Päderastie trieb, wie sämtliche Gewährsmänner berichten. Dhu-Nowas war aber, wie aus seiner Geschichte erhellt, Jude mit seinem ganzen Wesen. Auch der Name Jussuf, den er annahm, spricht dafür: Tabari (bei Schultens S. 108): וד חערז ףסוי ימסו רימח העמ תדוהתו רימח ךלמ רחא סאונ. Die jüdische Geschichte interessiert eigentlich nur der letzte jüdisch-himjaritische König Dhu-Nowas, über dessen Leben und Taten die Quellen reichlich fließen; aber neben dem Tatsächlichen kommen auch viele Entstellungen und Übertreibungen vor, welche die Kritik eliminieren muß. Auch die Data seiner Regierungsdauer und seiner Taten sind bisher noch nicht kritisch genau festgestellt worden. De Perceval läßt ihn regieren von 490 bis 525. Das erste Datum hängt mit seiner fehlerhaften Chronologie der himjaritischen Dynastie überhaupt zusammen, das Datum 525 wird aber durch authentische Zeugnisse widerlegt. Nach meiner Auffassung regierte Dhu-Nowas von ungefähr 520 bis 53039.

Um zu einer Gewißheit zu gelangen, muß man die verschiedenen Vorfälle in Dhu-Nowas' Regierungszeit und die Quellen, welche darüber berichten, voneinander unterscheiden. Das erste Stadium bildet Dhu-Nowas' Krieg mit einem König von Auxum. Die Hauptquellen darüber sind Johannes von Asien oder von Ephesos und Malalas, von denen einer vom andern abhängig ist, und zwar wahrscheinlich Malalas vom ersteren. Aus Malalas' Bericht haben geschöpft Theophanes, Nikophorus Kallistus und Cedrenus, wie sich auf den ersten Blick zeigt. Die Angaben der drei letzteren haben also für uns keinen geschichtlichen Wert. – Das zweite Stadium ist Dhu-Nowas' Krieg gegen die Christen von Naǵaran. Hier ist die Quelle das Sendschreiben des Bischofs Simeon von Bet-Arscham an den Abt Simeon von Gabula und einige Notizen bei arabischen Autoren. Die übrigen Quellen, Johannes von Asien und das Martyrologium des Metaphrastes, überbieten nur Simeons Übertreibungen und haben gar keinen historischen Wert. – Das dritte Stadium ist der Krieg des äthiopischen Königs gegen Dhu-Nowas. Hierbei ist Procop, Zeitgenosse der Begebenheiten und vorurteilsloser Erzähler, Hauptquelle und neben ihm über das Detail des Krieges Johannes von Asien und arabische Notizen. Die Forscher haben diese drei Stadien nicht voneinander unterschieden und sind daher in arge Konfusionen geraten. Die Annotatoren zu Malalas und Theophanes haben [423] Widersprüche gefunden zwischen den Angaben dieser Chronographen und Procops Bericht, wo gar keine sind, weil deren Berichte nicht einen und denselben Vorfall zum Inhalte haben. Wir wollen diese drei Stadien näher entwickeln.

A. Der Syrer Johannes von Asien und der Gräkosyrer Malalas berichten aus einer älteren Quelle folgendes: »Der jüdische König von Himjara hat römische (byzantinische) Kaufleute, welche durch seine Länder zogen, ergreifen und hinrichten lassen dafür, daß »die Christen in den römischen Ländern die Juden ihrer Länder mißhandelten und viele von ihnen töteten.« Dadurch wurde der indisch-äthiopische Handelsverkehr unterbrochen. Der jüdisch-himjaritische König heißt in diesen beiden Quellen und in den von ihnen abhängigen Dimianos, Dimiun, Damianos, Dimnos und Dunaan. Johannes von Asien bei Assemani bibliotheca orientalis T. I, p. 359: ... אימוהרד ןיד ארגאת איודנהד אתורתאל לאעמל אירימהד אתורתאב ןידבע דכ ךבלו ... (ןוימיד) סונימיד ךלמ ףלר .אדיעבד ךיא והב ורגתתמל םל לוטמד" רמא דכ ןוהתרוגאת הלכ זבו ןונא לטקו ןונא תיאד אידוהיל ןיקחש תיאשיב אניטסירכ אימוהרד אתורתאבד "אנא לטק ןילהל םל אדהלוטמ ןוהנמ אאיגסל ןילטקו ןוהתורתאב אישוכדו אידנהד אתיוג אתורגאת תלטבו .... Wörtlich damit übereinstimmend lautet es bei Malalas (Chronographia I, 433): τῶν οὖν πραγματευῶν (Ῥωμαίων) εἰσελϑόντων εἰς τὴν χώραν τῶν Ἀμεριτῶν (Ὁμƞριτῶν) ἐπὶ τὸ ποιἠσασϑαι πραγματείαν, ἐγνωκὼς Δίμνος (Theophanes Δαμιανὸς) ὁ βασιλεὺς τῶν Ἀμεριτῶν ἐφόνευσεν αὐτοὺς καὶ πάντα τὰ αὐτῶν ἀφείλετο: λέγων ὅτι οἱ Ῥωμαῖοι οἱ Χριστιανοὶ κακῶς ποιοῠσι τοῖς Ἰουδαίοις ἐν τοῖς μέρεσιν αὐτῶν καὶ πολλοὺς κατ᾽ ἔτος φονεύουσι ... καὶ ἐκ τούτων ἐκωλύϑƞ ἡ πραγματεία. So weit klingt die Nachricht durchaus historisch. Damianos oder Dimianos ist der jüdisch-himjaritische König Dhu-Nowas. Auch das, was die beiden Quellen weiter von den Folgen erzählen, hat einen historischen Anstrich, daß ein Nachbarkönig (Aidug, Andan, Adad) ungehalten über die Störung des Handelsverkehrs war und Damianos den Krieg erklärt habe, daß derselbe einen Sieg über ihn errungen und infolgedessen das Christentum angenommen habe. Das alles kann geschichtlich sein. Man hat in der Voraussetzung, daß der Nachbarkönig der Neǵus von Äthiopien gewesen sei, diesen Zug unhistorisch gefunden, da die äthiopischen Könige lange vor dieser Begebenheit sich zum Christentume bekannten. Allein, beide Quellen sprechen gar nicht von dem Beherrscher von Äthiopien, sondern von einem Könige, der in einem der sieben Reiche »von Indien und Äthiopien« herrschte: Ἰνδῶν καὶ Ἀιϑιόπων ... βασιλεία ἐπτά – עבש אישוכדו אידנהד אתוכלמ. Den König, der über Damianos gesiegt hat, (Aidug), nennen die Quellen bald den indischen, bald den äthiopischen. Malalas: Αὐξουμίτων βασιλεὺς; Johannes von Asien bald: גודיא אוה המשד אתיוג ודנהד אכלמ, bald: גודיא אישוכד אכלמ. Aidug war wohl nichts anderes als einer der Vasallenkönige, welche sich unter Hassân, dem Sohne des Abu-Kariba, von dem himjaritischen Reiche unabhängig gemacht haben. De Perceval nach arabischen Quellen: Hassan ne parvint pas à reconstituer l'unité de l'empire himyarite. Les Cayl et les Dhou maintinrent contre lui leur indépendance, et le morcellement du pouvoir ne fit que s'accroître pendant son règne (histoire des Arabes I, 119). Nur der eine Zug in diesen gleichlautenden Erzählungen ist sicherlich falsch, daß [424] Aidug den himjaritischen König Damianos oder Dhu-Nowas auch zum Gefangenen gemacht und hingerichtet, und daß sich dann ein anderer König von Himjara aufgeworfen hat. Dhu Nowas regierte noch lange nach diesem Vorfalle. Das Jahr dieses Krieges gibt nämlich Johannes von Asien genau an: Das vierte Jahr des Justin oder das seleuzidische Jahr 832, d.h. das christliche 521. Den Eingang der Erzählung; אברק אוהנד שדג אנה אנבזב ליכה הב אידנהד אכלמל bezieht Assemani mit Recht auf das genannte Jahr. In Malalas' Text fehlt jetzt die Datumangabe. Theophanes und Cedrenus setzten aber drolligerweise das Faktum in das sechzehnte Jahr Justinians, was jedenfalls falsch ist. Wir haben hierdurch also die Gewißheit, daß Dhu-Nowas bereits im Jahr 521 regierte.

B. Das zweite Ereignis in Dhu-Nowas' Leben ist sein Krieg gegen Naǵaran, dessen christlichen Fürsten und Bevölkerung. Ich habe oben das Sendschreiben des Bischofs Simeon von Bet-Arscham (in Assemani bibl. orient. I, 364 f.) als Hauptquelle dafür angegeben, ich muß aber diese Angabe dahin beschränken, daß nicht sein ganzer Inhalt historisch ist. Das Sendschreiben besteht nämlich aus vier Bestandteilen. – a) Die erste Partie bildet den Eingang und die Beschreibung von Simeons und seiner Begleiter Reise, bis sie in das Lager des Mondhir, Königs von Hira, gekommen sind. Da seien ihnen heidnische Araber aus den Stämmen Tai und Maadd begegnet und hätten ihnen zugerufen: »Was wollt ihr (Christen) nun anfangen, da euer Christus vertrieben ist aus dem Lande der Römer, Perser und Himjariten«: אפנח אייט ןב ווה ןיעגפ אחישמ אהד ןותידבעד ןיכל תיא אנמד :ןל ווה ןירמאו אידעמו אירימחו איסרפו (?) אימוהר ןמ דרטתא ןוכלד. – b) Die zweite Partie bildet ein Schreiben des jüdisch-himjaritischen Königs an den König Mondhir, worin er ihm folgendes anzeigt: Er habe die Regierung von Himjara angetreten, weil der christliche König, den die Äthiopier eingesetzt, gestorben sei, und ein christlicher Nachfolger sich nicht zu behaupten vermöchte. Er, der jüdische König, habe sämtliche Christen gezwungen, Juden zu werden, habe 280 Priester hinrichten lassen, habe ihre (?) Kirchen in eine Synagoge verwandelt, habe die Stadt (Naǵaran) mit 22 000 Soldaten belagert, habe den Einwohnern zwar einen Eidschwur geleistet, aber mit dem Vorbehalt, ihn zu brechen, weil er gegen Christen und Feinde nicht Wort zu halten brauche, er habe ferner alle ihre Habe eingezogen, die Gebeine eines Bischofs geschleift, eine Kirche mit allen Personen darin verbrennen lassen. Er habe darauf die übrigen gezwungen, Christus zu verleugnen, sie seien aber standhaft im Glauben geblieben. Ihr Oberhaupt habe ihn, den König, beschimpft und gekränkt, dafür habe er sämtliche Große der Stadt hinrichten lassen. Auch die Frauen habe er zur Verleugnung ihres Christenglaubens mit Strafandrohung aufgefordert, aber die Fürstin Rumi habe sie znr Standhaftigkeit ermahnt. Es folgt dann eine lange Rede der königlichen Märtyrerin an die Frauen von Naǵaran. Dadurch ermutigt, hätten sämtliche Frauen den Märtyrertod erlitten. Dieses alles schreibt der jüdische König selbst. Der Zweck seines Schreibens an Mondhir sei gewesen, ihn aufzufordern, auf dieselbe Weise gegen die Christen zu verfahren.

c) Die dritte Partie des Sendschreibens des Bischofs Simeon bildet die Aussage eines Boten. Der Gesandte des christlichen Königs von Himjara [425] habe bei der Nachricht von der Christenverfolgung einen Boten nach Himjara gesendet, um Genaueres über die Vorfälle zu erfahren. Der zurückgekehrte Bote habe erzählt, 340 Große (אנברוד) mit ihrem Häuptling an der Spitze (Arethas ben Kaleb) seien aus der Stadt (Naǵaran wahrscheinlich) vor dem jüdischen König erschienen, wohl um wegen Aufhebung der Belagerung zu unterhandeln. Der jüdische König habe hierauf den christlichen Häuptling mit den Worten angefahren: »Du hast dich wohl auf Christus verlassen, daß du dich gegen mich empört hast!« לע ךל תלתתאד ילע דרמתד אחישמ. Er habe ihn ferner aufgefordert, das Christentum abzuschwören. Arethas habe aber eine lange Standrede voller Grobheiten gegen den jüdischen König gehalten und habe seine Genossen zum Martyrium ermahnt. Darauf habe der jüdische König ihn und die 340 Christen hinrichten lassen. Dann teilt der Bote das Märtyrertum eines jungen Kindes mit, das sich durch Schmähung des jüdischen Königs förmlich dazu gedrängt habe. – d) Der letzte Teil des Sendschreibens bildet eine Ermahnung des Bischofs Simeon an den Abt Simeon von Gabula, daß er die Verfolgung der Christen in Naǵaran den Bischöfen und Äbten bekannt machen solle, namentlich dem Bischof von Alexandrien. Dieser solle wiederum an den König von Äthiopien schreiben, daß er den Christen Beistand leisten möge. Die jüdischen Vertreter von Tiberias sollten ergriffen und gezwungen werden (vgl. den Text o. Note 5, S. 408).

Aus der einfachen Analyse des Inhalts ergibt sich, daß nur Anfang und Ende des Sendschreibens einen historischen Charakter haben, die Partie b dagegen sicherlich Fiktion ist. Es gehört nicht viel dazu, einzusehen, daß ein Tyrann, ein Henker, nicht in der Weise schreibt, daß er weder sich seiner blutigen Tat rühmt, noch ein begeistertes Martyrologium seiner Schlachtopfer gibt und noch viel weniger der Religion, als deren Feind er sich ausgibt, die Gloriole reicht. Jeder Satz in diesem Stücke gibt sich als Dichtung aus. Und darauf beruht das Martyrologium des St. Arethae und der Christen von Naǵaran, das Metaphrastes zugeschrieben wird und nicht nur in die Heiligen- und Kirchengeschichte übergegangen ist, sondern auch von Historikern als beurkundetes Faktum angenommen wurde. De Perceval schreibt noch: Un acte de barbarie que le fanatisme réligieux de Dhou-Nowâs le porta à exercer contre les chrétiens de Nadjran, fut cause de la ruine de l'empire himyarite (a.a.O. I, 125). Ich wiederhole: diese ganze Erzählung von dem Sendschreiben an Mondhir ist erdichtet. Die Partie c des Sendschreibens sieht nicht minder verdächtig aus, schon deswegen, weil sie auf der Aussage eines Boten beruht. Welcher Stenograph hat diesem Boten die lange Schmährede des Arethas gegen den jüdischen König mitgeteilt! Und nun gar das Martyrium de puero martyre, von dem das Stück b gar nichts weiß! Außerdem widersprechen sich manche Umstände in den beiden Stücken. In b 280 Priester und dann alle Christen als Märtyrer, und in c nur 340 Große! Man darf sich nicht auf die Nachrichten arabischer Schriftsteller berufen zur Unterstützung des Faktums einer allgemeinen Christenverfolgung von seiten des Dhu-Nowas. Sie beruhen sämtlich auf einer falschen Auslegung einer Koranstelle »von den Leuten der Feuergruben« (דודחאלא באחצא Koran Sura 85, V. 4). Die arabischen Schriftsteller verstehen darunter Dhu-Nowas' Verfolgung der [426] Christen, obwohl der Vers gar nicht dazu paßt und eigentlich auf die Feuerprobe des Ananias, Mischael und Azaria geht, wie Geiger richtig nachge wiesen hat (Was hat Mohammed dem Judentum entnommen? S. 192 f.). Procop, ein Zeitgenosse des Dhu-Nowas, erzählt, daß auf den Christen in Himjara nur ein schwerer Steuerdruck lastete, weiß aber nichts von einer blutigen Verfolgung derselben (der Text weiter unten). Wie diese Fiktionen in Simeons Sendschreiben gekommen sind, kann man nach dem gegenwärtigen Stand der Quellen nicht beurteilen40. Indessen enthält die Partie c doch manches Tatsächliche, namentlich der Zug, daß Arethas oder Harith, Häuptling von Naǵaran, sich gegen den jüdisch-himjaritischen König empört hat: לע דרמתד. Damit würde die Nachricht des Ibn-Alkelbi stimmen, daß Dhu-Nowas Naǵaran mit Krieg überzog, weil zwei Juden von den christlichen Einwohnern daselbst erschlagen worden sind (bei Caussin de Perceval a.a.O. 128): Suivant Ibn-el-Kelbi le meurtre de deux jeunes juifs, commis par des habitants de Nadjran, fut l'occasion ou le prétexte qui arma Dhou-Nowas contre cette ville.

Fassen wir das kritisch Gesichtete zusammen, so würde als Resultat bleiben, daß Dhu-Nowas gegen die Christen von Naǵaran Krieg geführt hat, weil deren Häuptling Arethas (Harith, nach arabischen Quellen Abdallah) sich gegen ihn empört hat. Infolge der Belagerung waren die Einwohner von Naǵaran gezwungen, zu kapitulieren, und trotz der Kapitulation ließ Dhu-Nowas den Häuptling und 340 angesehene Männer hinrichten, wenn wir dem Boten aus Hira Glauben schenken wollen, auf dessen Aussage diese Tatsache beruht. Von einer blutigen Christenverfolgung kann keine Rede sein, wohl aber von einem Steuerdrucke, den Dhu-Nowas den Besiegten aufgelegt. Den Krieg von Naǵaran kann man chronologisch ziemlich genau bestimmen. Der Verfasser des genannten Sendschreibens erzählt: er sei von Hira im Jahre 835 Seleucidarum abgereist und zwar im syrischen Monate Kanun, dem zweiten; nach zehn Tagen sei er in Mondhirs Lager angekommen: תנש אדהד ירחא ןונכב ןמענד אתראח ןמ ןניקפנ שמחו ןיתלתו אאמנמת. Der syrische Monat Kanun II. entspricht dem jüdischen Monate Tebet. Also im Dezember 523 oder Januar 524 war der Bischof Simeon in Mondhirs Lager. Da erfuhr er die Niederlage der Naǵaraner, als etwas frisch Geschehenes. Der Krieg ist demnach gegen Ende des Jahres 523 vorgefallen. Erinnern wir uns, daß Dhu-Nowas im Jahre 521 eine Niederlage gegen den König Aidug erlitten hat, und daß dieser entweder schon früher Christ war oder erst infolge des Sieges Christ geworden ist. Die zwei Fakta stehen mithin in einem pragmatischen Verhältnisse zueinander.

C. Das dritte Stadium in Dhu-Nowas Regierung, wodurch der Untergang des jüdisch-himjaritischen Reiches herbeigeführt wurde, bildet der äthiopische Krieg. Hier müssen wir Procops Bericht, als den eines zeitgenössischen, vorurteilsfreien und exakten Historikers, zugrunde legen. Procop war auch gewissermaßen Augenzeuge dieser Begebenheiten, da er in dieser Zeit mit dem Feldherrn Belisar am Euphrat stand und die erste Kunde von den Vorgängen in Himjara erhielt. Er erzählt: Zur Zeit dieses Krieges (d.h. des persischen Krieges) hat der eifrig dem Christentum ergebene äthiopische König Hellestheaios, [427] als er erfuhr, daß die an der jenseitigen Küste wohnenden Homeriten (Himjariten) – von denen ein Teil Juden und ein Teil Heiden war – den Christen maßlose Steuern aufgelegt, eine Flotte und ein Heer ausgerüstet und die Homeriten mit Krieg überzogen. Er besiegte den homeritischen König, tötete viele Homeriten und setzte einen christlichen Homeriten mit Namen Esimphaios zum König ein (de bello persico I, c. 20): Ὑπὸ τοὺς χρόνους τοῠ πολέμου τοῠδε Ἑλλƞσϑεαῖος, ὁ τῶν Αἰϑιόπων βασιλεὺς, Χριστιανός τε ὤν καὶ δόξƞς τῆσδε ὡς μάλιστα ἐπιμελούμενος ἐπειδὴ Ὁμƞριτῶν τῶν ἀντιπέρας ἠπείρῳ ἔγνω πολλοὺς μὲν Ἰουδαίους ὄντας, πολλοὺς δὲ (vgl. o. S. 422), ἐπιβολῇ μέτρον οὐκ ἐχούσς ἐς τοὺς ἐκείνς Χριστιανοὺς χρῆσϑαι, στόλον τε νƞῶν καὶ στράτευμα ἀγείρας ἐπ᾽ αὐτοὺς ἦλϑε, καὶ μάχς νικἠσας τόν τε βασιλέα καὶ τῶν Ὁμƞριτῶν πολλοὺς ἔκτεινεν, ἄλλον τε αὐτόϑι Χριστιανὸν βασιλέα καταστƞσάμενος – ὄνομα δὲ Ἐσιμφαῖον κτλ.

Diese Relation muß zugrunde gelegt und die christlichen und arabischen Nachrichten müssen daran kritisch korrigiert werden. Der König der Äthiopier, welcher gegen die Himjariten Krieg führte, heißt bei Theophanes (aus einer älteren Quelle) Elesbaa (Chronographia I, 260 f.): τῷ δὲ αὐτῷ ἔτει (nämlich dem fünften des Justinus) 522, wie aus Anastasius' Übersetzung hervorgeht) καὶ τὰ κατὰ τὸν ἅγιον Ἀρέϑαν καὶ τοὺς ἐν Νεγρ´ τῇ πόλει ἐπράχϑƞ ὑπὸ τῶν Ὁμƞριτῶν, καὶ πόλεμος Ἐλεσβᾶ τοῠ βασιλέως Ἀἰϑιόπων πρὸς τοὺς Ὁμƞρίτας καὶ ἡ νίκƞ αὐτοῠ. Bei abessinischen Schriftstellern führt er den Namen Caleb Etzbeha. Man muß also bei Prokop den Namen Ἑλλƞσϑεαῖος in Ἑλλƞσβεαῖος emendieren. Diese Zeit des Krieges des äthiopischen Königs gegen den himjaritischen (Dhu-Nowas) haben die Forscher falsch datiert. Nach Theophanes und Metaphrastes soll er in demselben Jahre stattgefunden haben, in dem Naǵaran von Dhu-Nowas besiegt wurde, und dieses sogar schon im vierten oder fünften Jahre des Justin, also 521-22. Daß dieses Datum falsch ist, ergibt sich schon aus dem Sendschreiben Simeons (wie oben angegeben), wonach der Krieg gegen Naǵaran zu Ende 523 stattfand. Caussin de Perceval setzt den Sieg über Dhu-Nowas und den Untergang des jüdisch-himjaritischen Reiches in das Frühjahr 525, indem er zwischen dem Krieg gegen Naǵaran und dem des äthiopischen Königs so viel Zwischenraum läßt, daß der Kaiser Justin Nachricht von der Niederlage der Christen erhalten, an den äthiopischen König ein Schreiben richten, und dieser die Kriegsrüstungen vorbereiten konnte (a.a.O. I, 133 f.). Er hat aber die Datumsangabe bei Procop übersehen. Dieser bemerkt, daß der Sieg der Äthiopier über die Himjariten zur Zeit des persischen Krieges stattgefunden hat: ὑπὸ τοὺς χρόνους τοῠ πολέμου τοῠδε. ... ἐπ᾽ αὐτοὺς ἦλϑε, nämlich Hellestheaios oder richtiger Hellesbeaios. Während dieses Krieges, d.h. während des Krieges, den Belisar im Auftrage des Kaisers Justinian gegen Kavâdh und die Perser führte, und den Prokop bis zur Schlacht bei Kallinikus mitmachte, so erzählt Buch I, Kapitel 13-18. Mithin geschah der Untergang des jüdisch-himjaritischen Reiches nicht während Justins, sondern im Anfang von Justinians Regierung, d.h. zwischen 527 und 31. Ja, wenn wir den ganz bestimmten Ausdruck bei Procop: in der Zeit dieses Krieges (ὑπὸ τοὺς χρόνους τοῠ πολέμου τοῠδε) betonen, so scheint darunter die Zeit verstanden zu sein, welche der Schlacht bei Kallinikus voranging, und welche Procop im 17. und 18. Kapitel erzählt. [428] Dieser Krieg fand statt nach dem vierten Jahre des Justinian in der Osterzeit, wie aus c. 16 Ende (ed. Bonn S. 81) und c. 18 (S. 91) erhellt, d.h. im Frühjahr 531. Man kann demnach den äthiopischen Krieg gegen Dhu-Nowas um 530 ansetzen, zumal der christliche König, an den Justinian eine Gesandtschaft im Laufe des Jahres 531 schickte, nach Procops Angabe, Esimphaios war, der noch vor Abraham regierte (vgl. Procop a.a.O. S. 98, 105, 106). Dieser Esimphaios, von den Arabern Ariat genannt, scheint nur kurze Zeit regiert zu haben. Denn Procop, die zuverlässigste Quelle, datiert den Aufstand gegen Esimphaios mit den Worten: »nicht lange später« (χρόνῳ οὐ πολλῷ ὕστερον S. 105, Zeile 4). Die Angaben der arabischen Quellen über die Regierungsdauer Ariats und seines Nachfolgers Abraham (der bis zur Zeit von Mohammeds Geburt regiert haben soll, bis 570), sind sehr unzuverlässig und untereinander im Widerspruch. Procop will also mit den Worten sagen: »Justinian schickte die Gesandtschaft, als noch Hellestheaios (Hellesbeaios) in Äthiopien und Esimphaios in Himjara regierte (im Jahre 531)«, d.h. als der letztere noch regierte, und noch nicht Abraham. Überhaupt macht die Erzählung Procops von dem Kriegszuge des Äthiopiers gegen den homeritischen König, dem Siege über ihn, die Einsetzung des Esimphaios als Vasallenkönig von Himjara, der Gesandtschaft des Justinian an denselben und endlich dem Ausstande gegen ihn, den Eindruck, daß dies alles in kurzer Zeit aufeinander folgte, etwa in den Jahren 530-31.

Den Tod des Dhu-Nowas und den Untergang des jüdisch-himjaritischen Reiches kann man demnach in das Jahr 530 setzen, und, da er, wie wir eben gefunden, bereits im Jahre 521 regiert hat, so würde seine Regierung etwa zehn Jahre gedauert haben. Die arabischen Quellen verlängern sie aber um 20 und 68 Jahre (Caussin de Perceval I, 121 nach Ibn-Khaldûn). – Die drei Begebenheiten in Dhu-Nowas' Regierungszeit sind demnach chronologisch so zu verteilen: A. Sein Krieg gegen den Nachbarkönig Aidug 521; B. Der Krieg gegen Naǵaran 523 und C. Der äthiopische Krieg gegen ihn 530. Es bleibt also ein Zwischenraum von beinahe sieben Jahren zwischen den beiden letzten Begebenheiten, während welcher Zeit die Christen, der Flüchtling Dus Dhu-Talaban, der Bischof Simeon von Bet-Arscham, der Kaiser Justinian, der Bischof von Alexandrien gegen Dhu-Nowas machinieren und den äthiopischen Negus Elesbaa oder Hellesbeai gegen ihn aufstacheln konnten. Von Dus, der den Kaiser Justin durch haarsträubende Erzählungen von Dhu-Nowas Grausamkeiten gegen ihn erbitterte, wodurch Unglück und Unterjochung über Himjara heraufbeschworen wurde, haben die Araber ein Sprichwort erhalten: הלחר קאלעאכ אלו סודכ אל. »Nichts Schlimmeres als Dus und die Erfolge seiner Reise« (bei Caussin de Perceval I, 132). Noch ist zu bemerken, daß nach dem Bericht des Johannes von Asien der äthiopische Sieger sämtliche Juden von Himjara erschlagen hat: ארתאבד אידוי ןוהלכלו היתוליחל ברחו תיארימג אירימחד (Assemani bibliotheca orientalis I, p. 381).


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1909, Band 5, S. 422-429.
Lizenz:
Faksimiles:
422 | 423 | 424 | 425 | 426 | 427 | 428 | 429
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon