7. Kapitel. Die Reaktion und die Deutschtümelei. (1813-1818.)

[300] Napoleons Kriegszug gegen Rußland. Jüdische Freiwillige. Reaktion in Frankfurt, Hamburg und Lübeck. Der Wiener Kongreß. Börnes Vater. Das Haus Rothschild. Hardenbergs und Metternichs Verhalten in betreff der Juden der Hansestädte. Die Deutschtümelei. Die Judenfresser. Rühs. Die Juden in Rom. Der Wiener Kongreß und die Juden. Die Verwechslung von in und von. Die Presse. »Judenschule« oder »Unser Verkehr.« Ausweisung der Juden aus Lübeck und Bremen. Kampf in Frankfurt wegen des Bürgerrechts der Juden. Abermals die Judenfresser. Die Verteidiger Krämer, Schmidt, Ewald, Bail. Die Juden in Österreich und Preußen. Die preußische Juristenfakultät über die Juden. Das Gesetz von 1808 in Frankreich aufgehoben und in Preußen aufrecht erhalten. Lewis Way, Michel Berr und der Kongreß von Aachen. Das Hep-Hep-Geschrei in Franken und der Judensturm in ganz Deutschland. Hundt-Radowski. Lord Byrons jüdische Gesänge. Julius von Voß. Die jüdischen Schriftsteller und ihre Abwehr.


Wie einst der Perserkönig Xerxes hatte der bis dahin unüberwindliche und durch seine Erfolge hochmütig und brutal gewordene Napoleon Völker und Fürsten in buntem Gemische zu einem Weltkriege aufgeboten, und sie folgten ihm unterwürfig wie Sklaven ihrem Herrn. Er führte stolz das von ihm geknechtete Europa gegen das asiatische Rußland. Seit Menschengedenken war ein so zahlreicher Heereszug nicht gesehen worden. Aber wenn je, so hat sich in diesem Riesenkampfe das Wort bewährt: »Trügerisch ist das Roß zum Siege und die Fülle der Heeresmacht kann nicht vor Untergang retten,« und wenn je, so hat sich hier der Gottesfinger der geschichtlichen Gerechtigkeit an dem Zertreter des Rechtes und der Freiheit gezeigt. Nicht die Macht des Feindes hat Napoleon besiegt, sondern eine höhere Hand, die seinen sonst so klaren Blick bis zu kindischer Torheit blendete. Diese Verblendung hat die Glut des Brandes von Moskau und das Eis des russischen Winters zu seinem Verderben ausschlagen lassen. Als ihn Gott und das Glück verlassen hatte, fielen die Fürsten, die [300] ihm Heeresfolge und Treue zugesagt hatten, wortbrüchig von ihm ab und kehrten die Schwerterspitzen gegen ihn. Die Volkskraft, die er, auf sein Feldherrntalent vertrauend, so sehr verachtete, erhob sich ebenfalls gegen ihn. Aber auch die Völker waren gleich ihm verblendet; sie brachen die Fesseln auf der einen Seite, um sie sich an der andern Seite neu anzuschmieden. Die zwei Jahre (Mai 1812 bis April 1814), von dem Augenblick an, wo Napoleon mit mehr als einer halben Million Krieger gegen Rußland zog, bis zu dem Zeitpunkte, wo alle, alle von ihm abfielen, und er sich auf der Flucht verkleiden mußte, um sich den Drohungen und Schmähungen der gegen ihn erbitterten französischen Bevölkerung zu entziehen, sind ein lehrreiches Kapitel der Geschichte. Es ist ein bluttriefendes, erschütterndes Drama.

Niemand hatte geahnt, daß das Große das Kleine in Mitleidenschaft ziehen, daß Napoleons Sturz die Juden, denen er, wenn auch widerwillig, die Freiheit gebracht hatte, auf eine lange Zeit in ihre alte Knechtschaft zurückschleudern würde. Jüdische Jünglinge wohlhabender Familien hatten an Todesmut mit den christlichen gewetteifert, sich in den Kampf zu stürzen, um den Riesen erlegen zu helfen. Ganz besonders in Preußen hatten sich zahlreiche Juden, von Begeisterung für das Vaterland erglüht, den Freiwilligenscharen angeschlossen, froh in die Reihen aufgenommen zu werden und im Schlachtgewühl mit ihrem Blute den Makel der Feigheit auszulöschen, den die Gegner der Gleichstellung ihnen so oft angeheftet hatten. Die jüdische Jugend zahlte die Freiheit, welche sie auf dem Papier erhalten hatte, bar mit ihrem Leben1. Jüdische Ärzte und Wundärzte fielen als[301] Opfer in Lagern und Lazaretten bei Behandlung der Kriegsverwundeten und Pestkranken. Jüdische Frauen und Mädchen scheuten keine Anstrengung und Rücksicht, um Verwundeten Hilfe und Trost zu bringen. Und überall, wo die Bürger zu den Waffen griffen und sich um das Banner ihres Vaterlandes geschart hatten, hielten die Juden nicht zurück, ihr Gut und Blut einzusetzen. Abermals standen, wie ehemals zur Zeit der staatlichen Selbständigkeit, Söhne desselben Stammes und Bekenntnisses einander gegenüber, hier deutsche und dort französische, italienische und holländische Juden, und schleuderten einander den Tod, den Ehrentod, wie man sagte, zu und erkannten einander öfter erst in der letzten Stunde, um sich als Brüder zu umarmen. Diejenigen, welche unfähig waren, die Waffen zu tragen, hatten durch anderweitige große Opfer ihre Anhänglichkeit an Deutschland und ihre Würdigkeit für die Gleichstellung betätigt. Nichtsdestoweniger tauchte allmählich in den Gemütern der Deutschen der scheinbar vergessene Judenhaß wieder auf, nahm eine immer größere Ausdehnung an und brachte die Juden um den Preis, welche die blutigen Siege auch ihnen verheißen hatten.

Mit dem Sturz des Helden begann die Herrschaft der kleinen Ränkeschmiede, der Gewissenlosen, der Menschen- und Länderschacherer. Sie führten die Fürsten, welche die so lange niedergetretene Freiheit ernstlich aufrichten wollten, in die Irre und verstrickten sie mit ihren Lügenkünsten und ihren Gauklerstückchen. In Frankreich richteten diese Ränkeschmiede, die Talleyrands, den Thron der Bourbonen wieder auf und wußten schlau diese ihre List als Volkswillen auszugeben. Das war der Anfang der Reaktion; es war damit ausgesprochen, daß alle Errungenschaften der Revolution, auch die Gleichheit aller Stände [302] vor dem Gesetze, die Gleichheit der Rechte und Pflichten aller Bewohner desselben Landes aus dem Leben und den Erinnerungen ausgelöscht werden sollten. In Deutschland waren es Metternich und Gentz, welche die Freiheitskriege zum Gespötte machten. Nur tiefere Geister ahnten, daß Europa durch die engere Verbindung der Machthaber untereinander einer noch schimpflicheren Knechtschaft entgegenging, weil sie Erschlaffung und Kleinmeisterei in ihrem Gefolge haben würde.

Den ersten Luftzug der beginnenden Reaktion in Deutschland empfanden die Juden. Er wehte von Frankfurt her, dem Sitze des ungemildert mittelalterlichen Judenhasses. Kaum war das Geschütz des fliehenden Feindes im Weichbild dieser Stadt verhallt, als man schon mehrere laute Stimmen vernahm, die einander ermunternd zuriefen, man müsse vor allem den unerhörten Anmaßungen der Juden Grenzen setzen2. Die Verbündeten hatten dieser ehemaligen Krönungsstadt eine günstige Ausnahmestellung zugesichert. Sie sollte eine Art Freistadt mit althergebrachter, reichsstädtischer Verfassung sein. Aber sowie die Patrizier ans Ruder kamen, wurden die unter französischer oder großherzoglicher Herrschaft eingeführten Gesetze der Gleichheit sofort aufgehoben und den älteren Gewohnheiten Gültigkeit zugesprochen (16. Januar 1814). Die notwendigen und zeitgemäßen Reformen sollten von der Bürgerschaft selbst beraten werden. Die Stadt stand indessen unter der Kontrolle des eigens für Kriegszwecke eingesetzten Verwaltungsrates oder der unverantwortlichen Gewalt des Freiherrn von Stein. Letzterer, mehr patriotisch als freisinnig, konnte die Juden nicht recht leiden. Er haßte Napoleon gründlich und schloß in seine Abneigung nicht bloß die Franzosen ein, sondern auch die Juden, weil sie von diesen die Befreiung erhalten, und weil sie bis dahin ihnen Vorschub geleistet hatten. Stein, der mit einem scharfen Worte den Frankfurter Judenhaß hätte niederschlagen können, ließ ihn gewähren, großwachsen und sich aufblähen. Die Patrizierfamilien, vor denen sich die Juden vorher demütig hatten verbeugen müssen, und die sich gekränkt fühlten, daß sie sie, wenn auch nur kurze Zeit, als ihresgleichen hatten behandeln müssen, ergriffen sofort nach dem Abzug der Franzosen und dem Ende der großherzoglichen Regierung die Gelegenheit, sie ihr Herrentum empfinden zu lassen. Die Juden sollten wie ehemals Kammerknechte sein, in ihren Hantierungen beschränkt, in der Judengasse eingepfercht und bei ihren Verheiratungen pharaonisch behandelt werden.

[303] Die Bürgerschaft wollte allerdings die Juden nicht so tief gedemütigt wissen. Die Kommission, welche einen neuen Verfassungsentwurf für die Stadt Frankfurt ausarbeiten sollte, erkannte an, daß der Judenschaft ihr vom Großherzog erlangtes Bürgerrecht nicht wohl entzogen werden könne. Allein auch sie wollte ihnen lediglich das Privatbürgerrecht, aber nicht das Vollbürgertum einräumen (9. März 1814). Die Patrizier gönnten ihnen nicht einmal dieses geringe Maß von Freiheit; Knechte, untertänige Schutzjuden, sollten sie wieder werden. Die alte Judenstättigkeit von 1616 sollte wieder in Kraft treten, als wenn die Weltgeschichte diese zwei Jahrhunderte still gestanden hätte. Indessen wagten sie doch nicht offen mit der Sprache hervorzutreten, wollten vielmehr die Frage recht lange in der Schwebe lassen, bis die Augen der Großmächte von Frankfurt abgewendet sein würden. Der provisorische Senat nahm daher den nichts und viel sagenden Entwurf an, daß die Bestimmung der bürgerlichen und gemeindlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensverwandten vorbehalten bleibe (19. Juli 1814). Vergebens hatten sich die Vorsteher der Frankfurter Gemeinde an Stein gewendet und ihrem Schmerze Ausdruck gegeben, daß ihnen wieder die alte Fessel angelegt werden sollte, vergebens ihn daran erinnert, daß sie ihr Vollbürgerrecht vom Großherzog erkauft und verbrieft erhalten, daß die jüdischen Jünglinge ihr Blut in den Freiheitskriegen vergossen hätten. Sie erinnerten ihn, daß ein Wort, von ihm ausgesprochen, 3000 Deutsche jüdischen Bekenntnisses glücklich machen würde (Gesuch vom 5. Sept.). Kalt erwiderte ihnen Freiherr von Stein, daß er keine Änderung an der Verfassung treffen könne und sie an die Gerechtigkeit und den Gemeinsinn der konstituierenden städtischen Behörde verweisen müsse3.

Nach dem Beispiele Frankfurts begann es auch in den drei deutschen Hansestädten gegen die Juden zu gären. In Hamburg war das Verhältnis umgekehrt, als in Frankfurt. Hier war der Senat ihnen günstig, und hätte ihnen, wenigstens den Wohlhabenden, gern das Vollbürgerrecht gesetzlich eingeräumt. Er erwartete von der unbeschränkten Gleichstellung der Juden eine Förderung der durch die französische Besatzung heruntergekommenen Handelsblüte. Man hatte den Juden nichts vorzuwerfen. Während der französischen Herrschaft hatten sie die erlangte Freiheit nicht mißbraucht; zur Vertreibung der Franzosen, ihrer Wohltäter, aus Hamburg, hatten sie die Waffen ergriffen [304] und waren dem Gemeinwesen durch große Geldopfer beigesprungen. Eine Kommission entwarf daher eine Verfassung für die Juden, welche Anerkennung und Wohlwollen atmete4. Aber hier waren gerade die Kleinbürger gegen die Juden gestimmt und gewillt, sie in ihre alte Beschränkung zurückzuwerfen und das Gesetz von 1710 für sie oder vielmehr gegen sie wieder aufzufrischen. – In Lübeck und Bremen begnügte sich die Bürgerschaft nicht einmal mit Hintansetzung der Juden, sondern ging energisch damit vor, sie vollständig auszuweisen. Hier wurde ernstlich der Antrag gestellt, die Bekenner der mosaischen Religion aus den Ringmauern der Stadt zu vertreiben5. In Hannover, Hildesheim, Braunschweig und Hessen wurden sie ebenfalls ihrer Gleichstellung mit einem Male beraubt6. Diese Vorgänge machten natürlich die Juden in ganz Deutschland besorgt. Wenn verbrieftes Recht, wie in Frankfurt, höhnisch verletzt werden konnte, welche Bürgschaft hatten sie für den Fortbestand ihrer Gleichstellung? Wie sehr stach diese Reaktion selbst gegen die in Frankreich ab! Obwohl hier der freiheitsfeindliche und rachsüchtige Adel und die verbissene katholische Geistlichkeit am Hofe Ludwigs XVIII. das große Wort führten und die erschütternden, riesengroßen Vorgänge seit 1789 vollständig als nicht geschehen betrachteten, wurde den Juden dennoch ihre bisherige Einbürgerung nicht verkümmert. Die katholische Kirche wurde zwar als Staatsreligion anerkannt, und die jüdischen Konsistorien nicht vom Staate unterhalten; aber ihre Religionsfreiheit blieb ungeschmälert7.

Die um ihre Freiheit und Ehre, ja um ihre Existenz besorgten Juden, namentlich die in den sogenannten freien Städten, richteten ihr Auge daher auf den Wiener Kongreß, welcher das verrenkte Europa wieder einrenken sollte. Von ihm, von dem man ein Universalheilmittel erwartete, erwarteten auch die Juden die Sicherstellung ihrer Freiheit. Die souveränen und diplomatischen Mitglieder des Kongresses beeilten sich aber nicht, die Rolle der Vorsehung, die sie zu spielen hatten, in Angriff zu nehmen. Sie eröffneten die Sitzungen, statt im August, erst im November, und beinahe wäre aus dem Schoße des Kongresses, welcher den ewigen Frieden erzeugen sollte, der verheerende[305] Krieg hervorgegangen. Die Fragen wegen Sachsens und Polens waren der Zankapfel der Verbündeten. – Die Frankfurter Gemeinde hatte zwei Deputierte nach Wien gesandt. Der eine von ihnen war Jakob Baruch, Börnes Vater. Auf ihn fiel die Wahl, weil er am Wiener Hofe Gönner hatte. Sein Vater, ehemals Finanzagent beim Kurfürsten von Cöln, hatte einst beim Kapitel die Wahl eines österreichischen Erzherzogs durchgesetzt und dafür von Maria Theresia eine schriftliche Versicherung erhalten, daß seine Nachkommen stets in Österreich Vorschub finden würden8. Jakob Baruch scheint sich beim Kaiser Franz auf dieses Versprechen berufen zu haben und fand an Metternich einen günstigen Fürsprecher. Würdig seines großen Sohnes, hat Baruch seine Aufgabe in uneigennütziger Weise erfüllt und sogar den Kostenersatz für seinen langen Aufenthalt in Wien zurückgewiesen. Er und sein wenig bekannter Mitdeputierter überreichten dem Kongreß (Okt. 1814) eine Denkschrift, worin die Gründe für das Recht der Frankfurter Juden nach allen Seiten hin auseinander gesetzt sind, das formelle Recht, daß sie ihre Gleichstellung mittels einer hohen Summe nach bester Form erworben, und das patriotische Recht, daß sie auch an der Befreiung Deutschlands teilgenommen hatten. Hauptsächlich war es ihnen darum zu tun, die Oberherrlichkeit des Senats über sie zurückzuweisen. Denn selbst wenn politische Veränderungen auch Rechtsverhältnisse aufheben könnten, kämen sie nicht in das Schutzverhältnis der Frankfurter Patrizier, sondern unter diejenige Macht, welche das ehemalige deutsch-römische Kaisertum vertreten würde, dessen besondere Untertanen sie bis 1806 gewesen wären. – Die Juden der drei Hansestädte schickten ebenfalls einen Deputierten, und zwar einen christlichen Vertreter ihrer Sache nach Frankfurt, Karl August Buchholz, einen Rechtskundigen, der, obwohl ein Lübecker, aus eigenem Antrieb eine Schutzschrift zugunsten der Gleichstellung geschrieben hatte9. Hinter der Szene arbeiteten still und unsichtbar im Verein mit den Deputierten einige einflußreiche Persönlichkeiten. Das Bankhaus Rothschild hatte sich durch Umsicht und glückliche Operationen zu einer Geldmacht emporgeschwungen, an dessen Vermögen auch der schnüffelnde Argwohn kein Stäubchen unredlichen Gewinnes für judenfeindliche Verdächtigung finden konnte. Das unermeßliche Privatvermögen des flüchtig gewordenen Landgrafen[306] von Hessen hatte der Stifter des Hauses, Mayer Amschel Rothschild, vor der Plünderungssucht französischer Soldaten mit Mut, Klugheit und eigener Gefährdung, wie einen heiligen Schatz behütet und dem zurückgekehrten Eigentümer zugestellt. Er hatte daher selbst in Frankfurt ungeteilte Achtung genossen und war infolge der Gleichstellung in das Wahlkollegium berufen worden. Er starb glücklich noch vor Beginn der Reaktion (19. Sept. 1812) und hinterließ fünf Söhne10, welche sein Vermögen, seine Achtung und Stellung noch vermehrten. Die Rothschilds waren die ersten, welche das zweideutige Verhältnis jüdischer Hofagenten und Hoffaktoren zur Höhe gesuchter Finanzherrscher erhoben. Obwohl sie den Grundsatz befolgt zu haben scheinen, ihre Geldmacht niemals zugunsten ihrer Stammesgenossen und ihrer Religion in die Wagschale zu werfen, so konnte es ihnen doch nicht gleichgültig sein, wenn in Frankfurt, wo ihr Stammhaus stand, die Juden wieder zu Kammerknechten herabgedrückt werden sollten, und der eine oder andere der Brüder hat wohl bei den den Ausschlag gebenden deutschen Kongreßmitgliedern gegen die Verkümmerung der Rechte ihrer Gemeindegenossen ein gewichtiges Wort gesprochen. Ebenso geräuschlos tätig war ohne Zweifel die jüdische Baronin Fanny von Arnstein. In ihrem Hause verkehrten sämtliche Mitglieder und Diplomaten des Wiener Kongresses, und es galt als eine Ehre, in ihr Haus eingeführt zu sein. Wenn sie es auch geflissentlich vermied, als Jüdin aufzutreten, so konnte ihr edles Herz doch bei dem aufrichtigen Schmerz der Juden in Frankfurt, Hamburg, und den übrigen Hansestädten, denen so gut wie alles geraubt werden sollte, nicht unempfindlich bleiben. Auch sie hat ohne Zweifel in ernster oder scherzhafter Unterredung mit Hardenberg und Metternich ein geflügeltes Wort für ihre Stammesgenossen hingeworfen. Ist doch damals überhaupt die große Politik von den Frauen gegängelt worden.

In der Tat zeigten sich denn auch diese den Kongreß für die deutschen Angelegenheiten beherrschenden Staatsmänner den Juden günstig. Hardenberg und Metternich haben in einem besonderen Schreiben ihr Mißfallen an den Bedrückungen der Juden in den Hansestädten zu erkennen gegeben (Januar 1815) und dem Senate geraten, was so viel als befohlen bedeutete, eine menschliche, gerechte Behandlung derselben eintreten zu lassen. Beide haben ihre Einmischung in Verhältnisse [307] fremder Gebietsteile durch eine ungerechtfertigte Beweisführung gedeckt. Der Druck, den die Häuser der jüdischen Nation leiden müßten, würde bei den Verbindungen der Juden untereinander auch eine nachteilige Rückwirkung auf die österreichischen und preußischen jüdischen Familien haben oder den Fortschritt ihrer Bildung hemmen. Hardenberg wies die Hanseaten auf das Beispiel Preußens und das Edikt vom 11. März 1812 hin und bemerkte nicht ohne satirischen Zug, daß es ihnen doch nicht gelingen würde, den jüdischen Häusern den einmal erlangten Wohlstand zu entziehen; eine fortdauernde Bedrückung würde sie zwingen, ihre Kapitalien anderswohin zu bringen11. In dem Verfassungsentwurf für Deutschland, der von dem preußischen Bevollmächtigten Wilhelm von Humboldt ausgearbeitet, Metternich vorgelegt und zur Unterlage für die Beratung genommen wurde, war den Juden so ziemlich die Gleichheit zugedacht, wenngleich sie gesondert gehalten wurden. »Die drei christlichen Religionsparteien genießen in allen deutschen Staaten gleiche Rechte, und den Bekennern des jüdischen Glaubens werden, insofern sie sich der Leistung aller Bürgerpflichten unterziehen, die denselben entsprechenden Bürgerrechte eingeräumt«12.

Allein der gute Wille dieser beiden Kanzler, selbst wenn die Monarchen, die sie vertraten, ihre Gesinnung geteilt hätten, reichte damals nicht aus. Es erstand ein neuer Feind für die Juden, welcher viel gefährlicher und zäher war als der Brotneid und der Zunftstolz, die sich ohnehin bei der neuen Weltlage, bei dem Gewichte, welches das große Kapital erlangt hatte, nicht hätten auf die Dauer behaupten können. Dieser gefährliche Feind, der zunächst die Waffen gegen die Juden kehrte, war die deutsche Träumerei. Der Sieg über den Riesen Napoleon und die großen Armeen war den Deutschen zu überraschend gekommen; er schien ihnen, die bis dahin geschlafen und niemals als Gesamtheit in die Geschichte eingegriffen hatten, wie eine Art Wunder. [308] Die Schwachköpfe, welche den letzten Gründen nicht nachspüren konnten, verloren das Maß für die Schätzung der Dinge und gerieten in eine Art Taumel. Das Joch, das sie so lange von den Franzosen hatten tragen müssen, und der Zwang, der ihnen aufgelegt war, ihre Eigentümlichkeit aufzugeben, machten ihnen nicht die Franzosen, sondern alles Fremde, alles, was nicht das Gepräge des rein deutschen Wesens trug, verhaßt. Es ist allerdings einem Volke, das seine Ketten zerbrochen hat, wenn es zum Bewußtsein seiner Kraft und seiner Zusammengehörigkeit gelangt, zu vergeben, wenn es in der Wahrung seines Wesens in Übertreibung verfällt. Noch mehr ist es der Jugend zu verzeihen, welche sich aus den akademischen Hörsälen und den Werkstätten in das Schlachtgewühl gestürzt und sich erprobt befunden hatte, wenn sie schwärmte und Idealen nachjagte, seien diese auch nur Phantome. Aber es ist unverzeihlich und kindisch zugleich, wenn auch reife Männer am hellen Tage träumen und ihre Träume als Wirklichkeit ausgeben und anderen aufzwingen wollen. Dieser Traum war die überschwengliche Deutschtümelei, welche die Deutschen nicht bloß lächerlich machte, sondern noch dazu zu ihrem eigenen Verderben ausschlug. Zum ersten Mal war das deutsche Volk in geschlossener Einheit aufgetreten, während die Deutschen bis dahin nur Landsknechte der Fürsten gewesen waren, die sich zu Römerzügen oder zu Türkenkriegen oder zur Selbstzerfleischung hatten mißbrauchen lassen. Das deutsche Volk suchte in seiner eigenen Geschichte nach ähnlichen Lagen, um sie zum Muster für sein Verhalten zu nehmen, und fand sie nur im Mittelalter mit seinem römischen Kaisertum deutscher Nation und seiner päpstlichen Allgewalt oder in der Vorzeit der Teutonen mit ihrer ungeschlachten Roheit und ihrer kindischen Einfältigkeit. Die romantische Schule, die Schlegel, Arnim, Brentano, Fouqué hatten ihm dieses grauenhafte mittelalterliche Gespenst in so wunderlicher Beleuchtung gezeigt, daß die Deutschen es in ihrer Verblendung für ein Ideal ansahen, dessen Verwirklichung eine heilige Aufgabe sei. Zum Mittelalter gehörte das Christentum, strenge Gläubigkeit und Frömmigkeit, gedankenlose Kirchlichkeit. Diese wurde schon deswegen das Herzblatt der Deutschen, um einen Gegensatz zu dem Unglauben der Franzosen und der Revolutionszeit zu haben. Sophisten hatten ihnen ohnehin den stolzen Wahn eingeimpft, daß die Christuslehre die allerhöchste ideale Zivilisation sei und gerade im deutschen Volke ihre Blüte erreicht habe. Die hohle Phrase, christlichdeutsch (oder teutsch), tauchte seitdem auf und trieb ihren Spuk am hellen Tage.

[309] Fromm im mittelalterlichen Sinne konnten allerdings nur Verehrer des Katholizismus sein mit dem Papsttum als letztentscheidender höchster Autorität. Diesem Ziele steuerten daher auch die ehrlichen Romantiker zu, Görres, Friedrich Schlegel, Adam Müller u.a., die folgerichtig zur römischen Kirche übertraten und das Reich der Jesuiten und der Inquisition wieder aufrichten halfen. Der sittlich faule Gentz, der Protestant, stellte allen Ernstes den Katholizismus als die alleinseligmachende Kirche dar, welche die Einheit Deutschlands in Unterwürfigkeit unter Papst und Kaiser wieder herstellen könnte. Der protestantische Teil Deutschlands, welcher vor diesem letzten Worte des folgerichtigen Handelns zurückschrak, verfiel in allerlei Widersprüche und glich Nachtwandlern mit Brandfackeln. »Gott hatte den Geist der Verwirrung in ihr Inneres gegossen, und sie taumelten wie Betrunkene.«

Die phantastisch-christliche Deutschtümelei war das gewaffnete Gespenst, das den deutschen Juden mehrere Jahrzehnte hindurch Ruhe, Ehre und Schaffensfreudigkeit raubte. Weil dieser durch Abstammung und Geschichtsgang fest ausgeprägte Volksstamm sich durch äußerliche Merkmale, Gesichtsschnitt und Haltung von den Deutschen unterschied, stießen sie ihn, obwohl er innerlich in Sprache, Empfindung und Gesinnung ihnen verwandt war, als etwas Fremdes, Störendes, Unbehagen Erregendes ab und hätten ihn, wenn die Zeitstimmung es gestattet hätte, am liebsten ganz aus den deutschen Gauen ausgewiesen. Um aber Grund für diesen blinden Haß zu finden, wühlten die Judenfeinde in alten Scharteken, scharrten Kehricht zusammen, wo andere reiche Geistesschätze der Juden gefunden hätten, und entwarfen ein grauenerregendes Bild von ihnen, um sich und anderen Furcht zu machen.

Der erste, der dieser dunkeln Antipathie Worte lieh und Schmähungen auf die Juden häufte, war nicht ein verlotterter Schriftsteller gleich Grattenauer, sondern ein akademischer Lehrer, den die neugegründete Berliner Universität auf die Lehrkanzel der Geschichte berufen hatte, Friedrich Rühs. In einer Gegend Vorpommerns geboren, die sich lange den Juden verschlossen hatte, wo sie damals noch wie das apokalyptische Tier betrachtet wurden, teilte Rühs diese Gespensterfurcht vor ihnen. Es war ihm völliger Ernst mit der Demütigung der Juden; er scheute es nicht, seinen Namen unter eine Schrift zu setzen, die in Wahrheit dem deutschen Namen keine Ehre macht. Den Verfall Deutschlands wollte er erforschen und kam auf die Juden, als hätten diese die Schmach während der Fremdherrschaft verschuldet. Rühs beleuchtete die »Ansprüche der Juden an das [310] deutsche Bügerrecht« (Febr. 1815)13, entwickelte die unheilvolle Theorie vom christlichen Staate und folgerte daraus die Berechtigung, die Juden, wo nicht aus Deutschland zu verjagen, so doch sie zu demütigen und ihr Wachstum zu hemmen14. Er stellte ein vollständiges Programm für ihre Behandlung auf, das später gewissenhaft ausgeführt wurde.

Vor allem sollten sie nur eine geduldete Volksklasse sein und durchaus keinen Anspruch auf gleiches Bürgerrecht machen können. Sie sollten wieder Schutzgeld, Judensteuer, zahlen, und zwar sollte diese Steuer, damit der Gedanke wach erhalten bleibe, daß sie den Deutschen untertänig seien, in die Kasse des deutschen Vereins fließen. Ihrer Vermehrung sollten Schranken gesetzt werden. Die Städte, die sie bisher nicht geduldet hätten, müßten von Rechts wegen in diesem Privilegium geschützt werden. Es verstand sich von selbst, daß sie nach Rühs' Urteil zu keinerlei Amt zugelassen werden dürften, nicht einmal zur Landesverteidigung. Das Kriegsheer der Deutschen soll den Kern und die Blüte des Volkes enthalten ... und muß mithin durchaus volkmäßig sein. Es können daher nur Deutsche darin aufgenommen werden, weil gerade in ihm die Volkseinheit sich am kräftigsten darstellen muß. Nur Deutsche dürfen neben Deutschen fechten«15. Ebensowenig sollen jüdische Meister und Gesellen zu den christlichdeutschen Zünften zugelassen werden. Rühs war sogar entschieden dafür, daß die Juden wieder ein Abzeichen tragen sollten, freilich nicht einen häßlichen gelben Fleck, sondern eine »Volksschleife«, aber immer doch ein Unterschiedszeichen, »damit der Deutsche, wenn er den hebräischen Feind nicht an Gesichtszügen, Gang und Sprache, so doch an dem zweideutigen Ehrenzeichen erkennen könne«16. Aber vor allem legte Rühs den deutschen Staaten und den deutschen Völkern ans Herz, die Bekehrung der Juden zum Christentume zu fördern; das sei das Allerwichtigste. Man behaupte zwar allgemein, und auch von christlicher Seite, daß nur schlechte und verworfene Menschen das Judentum mit dem Christentum vertauschten; aber das sei ein Vorurteil.

Die Berechtigung zur Brandmarkung und wünschenswerten Ausrottung der Juden leitete Rühs auch von der Beschaffenheit der [311] Juden ab. Ihre Verkümmerung sei nicht eine Folge der Unterdrückung, sondern die Wirkung ihrer Stammeseigentümlichkeit. Er leierte das alte Lied vom »Staat im Staate« her, und fügte als neuen Aberwitz hinzu, daß die Rabbinen den Adel in diesem Staate bilden. Woher kannte er aber den Zustand der Juden? Nicht aus eigener Anschauung, wie er selbst eingestand, da er nie im Hause eines Juden verkehrt hatte, und nur eine geringe Zahl derselben kannte17. Aber er hatte über sie in der Selbstbiographie Salomon Maimons (S. 141) und in der Lügenschrift des österreichischen Judenfeindes Rohrer (S. 250) gelesen. Was der eine in arger Übertreibung und der andere in geflissentlicher Verdrehung von den litauischen und galizischen Juden mitteilte, das übertrug Rühs ohne weiteres auf die deutschen, französischen, italienischen und holländischen Juden insgesamt. Er entstellte die Geschichte und leugnete Tatsachen, um nachzuweisen, daß sie von jeher nie anders gewesen seien. Eisenmengers und andere judenfeindliche Schriften gaben ihm Belege dafür. Die Zeit hatte allerdings einen Fortschritt gemacht. Rühs, ein frommgläubiger Christ, besudelte wenigstens nicht mehr, wie Grattenauer, Friedrich Buchholz und andere, die biblischen Schriften, um die Verworfenheit des jüdischen Volkes von Abraham, Joseph und Mose beginnen zu lassen. Aber wenngleich der Joseph am pharaonischen Hofe nicht ein Erzbetrüger gewesen wäre, so sei es doch ein anderer Joseph gewesen, der Günstling eines anderen ägyptischen Hofes, der Steuerpächter Joseph. So wie dieser war, so seien die Juden überall und zu allen Zeiten gewesen, in Spanien ebenso wie in Polen. Die allerunglaublichsten Märchen frischte Rühs wieder auf, um die Schlechtigkeit der Juden zu belegen. Die unmenschlichen Verfolgungen derselben in Deutschland, die allgemeinen Bluthetzen zur Zeit der Kreuzzüge und später durch die Armleder und Rindfleisch, zur Zeit des schwarzen Todes, die Verfolgung durch Capistrano, alle diese Unmenschlichkeiten suchte er in milderem Lichte darzustellen und die Schuld derselben auf die Juden zu wälzen. Rühs war ein ehrenwerter Mann; man kann seinen Versicherungen glauben, daß persönliche Rücksichten keinen Einfluß auf seine judenfeindliche Schriftstellerei ausgeübt, und daß er sogar früher den allgemeinen Humanitätsideen gehuldigt hätte. Aber er war von dem christlich-germanischen Schwindel ergriffen, und in dieser Verblendung verlor er den Maßstab für Recht und Unrecht, für Wahrheit und Schein.

[312] Seine Schrift machte großes Aufsehen. Würdige und gelehrte Männer erklärten ihm, daß sie mit ihm vollständig übereinstimmten. Die deutsche Gelehrsamkeit, die zur Zeit Lessings, Abts, Kants und Herders die apostolische Verkünderin allgemeiner Menschenliebe gewesen war, redete plötzlich die Sprache der Kirchenväter und hetzte zu Haß und Verfolgung. Schleiermacher und Fichte haben die Vertreter des deutschen Geistes dahin gebracht, daß sie mit dem Urkatholizismus an Judenhaß wetteiferten. Pius VII., der infolge der Restauration wieder im Kirchenstaate regierte und die Inquisition wieder einführte, um die Gottlosigkeit durch Scheiterhaufen zu vertreiben, verordnete auch, daß die Juden die unter französischer Herrschaft genossene Freiheit wieder verlieren sollten. Die Juden Roms mußten ihre schönen Häuser in allen Teilen der Stadt räumen und wieder in das schmutzige, ungesunde Ghetto zurückkehren. Brotneid verband sich auch hier mit kirchlichem Fanatismus. Die römischen Tuchhändler sahen es mit scheelen Augen, daß die jüdischen Konkurrenten ihre Ware auf dem Corso feilbieten durften, und setzten es durch, daß diese ohne Verzug ihre neuen Verkaufsläden räumen mußten. Sbirren stellten sich ein, um die Räumung mit Gewalt auszuführen. Vergebens boten die jüdischen Kaufleute eine bedeutende Summe, 100000 Taler, um die Verordnung rückgängig zu machen. Aus den übrigen Teilen des Kirchenstaates schickten die Juden eine Deputation an den Staatssekretär, mit dem Gesuche, ihr Bürgerrecht behalten zu dürfen. Alles vergebens. Das Mittelalter wurde in dem Kirchenstaate wieder eingeführt. Sie mußten sich wieder wie im siebzehnten Jahrhundert bei Strafe zu Bekehrungspredigten einfinden18. Inzwischen hatte die Weltgeschichte eines jener überraschenden Zwischenspiele aufgeführt, welches die Unhaltbarkeit der reaktionären Restauration beweisen sollte. Napoleon war trotz der englischen Seepolizei auf französischem Boden gelandet. Die Stützen des bourbonischen Thrones, Adel, Geistlichkeit und Intriganten, die sich so gespreizt hatten, knickten zusammen, noch ehe ein Schuß gefallen war. Napoleon kam im Triumph in Paris an. Das Kaiserreich der hundert Tage war wieder hergestellt. Ganz Europa bewaffnete sich gegen einen einzelnen Mann. Die Kriegswürfel entschieden jedoch auf den holländischen Schlachtfeldern bei Waterloo zugunsten der Verbündeten. In dem preußischen Heere, das den Ausschlag gegeben hatte, befanden sich viele jüdische Krieger, darunter viele Landwehroffiziere19.

[313] Was für einen Lohn erhielten die deutschen Juden für die wiederholte aufrichtige Hingebung an das Vaterland? Als der Kongreß durch Napoleons plötzliches Wiedererscheinen erschreckt, aufhörte sich zu amüsieren und regelmäßige Sitzungen zu halten anfing, wurde die Bundesakte für ein zugleich geeintes und getrenntes Deutschland in Beratung gezogen und darin auch den Juden ein Paragraph gewidmet. Das Bürgerrecht sollte ihnen zugesichert werden, und in den Ländern, wo noch dieser Reform Hindernisse entgegenständen, sollten diese soviel als möglich hinweggeräumt werden. Aber für diese Fassung war nur Österreich und Preußen, die Stimmen aller übrigen Bundesmitglieder, und namentlich die der freien Städte, waren entschieden dagegen. Diese bestritten überhaupt die Wichtigkeit der Judenfrage und meinten, sie sollte allenfalls an den Bundestag verwiesen werden20. Österreich und Preußen bestanden aber darauf, daß dieser Punkt wichtig genug sei, um in die Bundesakte aufgenommen zu werden, machten indes den Gegnern ein solches Zugeständnis, daß die Majorität darauf einging. Um eine Übereinstimmung zu erzielen, wurde eine neue, fast nichtssagende Fassung in Vorschlag gebracht: »Die Bundesversammlung wird in Beratung nehmen, wie auf möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Juden zu bewirken sei, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Übernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft oder gesichert werden könne. Jedoch sollen den Juden bis dahin die denselben in den Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten bleiben.« Der erste Teil war unverfänglich und konnte daher von allen angenommen werden, da es jedem Duodezstaat überlassen blieb, die günstige Auslegung zu verkümmern. Der letzte Teil war aber den Freistädten bedenklich. Dort waren die Juden durch die französische Regierung tatsächlich im Besitz der bürgerlichen Gleichheit. Darum protestierte der Gesandte für Frankfurt, Syndikus Danz, ganz entschieden dagegen; der Großherzog von Frankfurt habe die Juden auf eine Weise begünstigt, wovon man in keinem Staate ein Beispiel fände. Die Begünstigung sei zum größten Nachteil der christlichen [314] Bürger und Einwohner von Frankfurt, zur Verkürzung wohlerworbener Rechte derselben und noch mehr zum Schaden der Juden selbst. Darum erkenne Frankfurt die Verbindlichkeit dieser Bestimmung nicht an21. Mit Frankfurt stimmte, eingedenk dessen, daß es nur mit Mühe seine Selbständigkeit behaupten konnte, das Königreich Sachsen, und verlangte, daß die Zusicherung wegen Aufrechterhaltung der den Juden zugestandenen Rechte aus der Bundesakte weggelassen werden sollte22. Zur Beschämung der deutschen Engherzigkeit ließ die dänische Regierung durch ihren Vertreter, Bernstorff, für Holstein, als hätte sie geahnt, daß der mittelalterliche Judenhaß in Deutschland um sich greifen würde, die Erklärung abgeben, den Bekennern des jüdischen Glaubens wird, sofern sie sich allen Bürgerpflichten unterziehen, eine sie gegen Verfolgung, Druck, Willkür oder Wandelbarkeit der Gesetzgebung in betreff der ihnen eingeräumten Rechte schützende bürgerliche Verfassung gesichert23. Der Abgeordnete für Bremen, Senator Schmidt, war klüger, er protestierte nicht, sondern vereitelte mit einem Meisterzuge die verfängliche Bestimmung. Mit der Bemerkung, daß die von den Franzosen in Norddeutschland, der 32. Militärdivision, verliehenen Rechte der Juden doch nicht für die Deutschen maßgebend sein könnten, warf er so hin, daß man doch bloß das Wörtchen in in von zu verwandeln24 brauchte, dann wäre ja alles in Ordnung. Niemand achtete anfangs auf diese scheinbar geringfügige Wortänderung. Es wäre allerdings Sache des Generalsekretärs gewesen, die Tragweite dieser Änderung, welche den Juden von Bremen, Lübeck, Hamburg, Oldenburg und überhaupt in den deutschen Ländern an der Nordsee, mit einem Federzuge die jahrelang genossene Freiheit raubte, aufmerksam zu machen. Aber das Protokoll des Kongresses führte Gentz, der sich für Geld zu allem gebrauchen ließ. Und so wurde bei dem Schlußprotokoll (8. Juni), bei dem Paragraphen über die Judenfrage das verfängliche Wort in die Bundesakte aufgenommen, »da diese Fassung schon früher beliebt war«. Metternich und Hardenberg, welche entweder aus eigenem Antriebe oder infolge gegebener Versicherung, bis dahin zugunsten der Juden eingetreten waren, gingen unbegreiflicherweise über diesen Punkt hinweg. So blieb in der Bundesakte stehen: »Es werden den Bekennern des jüdischen Glaubens die denselben von den einzelnen Bundesstaaten[315] bereits eingeräumten Rechte erhalten.« Von den Bundesstaaten hatten aber bis dahin nur Preußen und Mecklenburg und allenfalls noch Baden den Juden das Bürgerrecht eingeräumt, die meisten aber nicht. Die Verfügungen der französischen Behörden wurden hiermit als nichtig dargestellt. Deutschland war gerettet. Was kümmert es die Glücklichen, daß diese Wortänderung so viele Tränen kosten sollte?

Noch ein anderer Mißgriff ist geschehen, welcher den Frankfurter Juden, und in Rückwirkung den deutschen Juden überhaupt, zum Nachteil gereichte. Der volle Kongreß, bestehend aus den Bevollmächtigten der fünf Großmächte und der übrigen Königreiche, hatte in der Schlußakte bei den Bestimmungen über die gesamteuropäischen Verhältnisse auch über Frankfurt Verfügungen getroffen (9. Juni 1815). Es sollte mit seinem Gebiete, wie dieses sich im Jahre 1803 befunden, frei sein und einen Teil des deutschen Bundes bilden. Da hierbei die Verhältnisse der Juden und ihre Rechte nicht Gegenstand der Beratung waren, so wurde lediglich der Satz hinzugefügt: »Die Einrichtungen Frankfurts sollen auf dem Prinzip der Gleichheit unter den verschiedenen Kulten der christlichen Religion begründet werden«25. Diese Fassung wurde im Interesse der Katholiken beliebt, welche in Frankfurt früher ebenfalls teilweise beschränkt waren, und künftig zu allen Ämtern zugelassen werden sollten. Die Juden damit von dem Bürgerrechte auszuschließen, daran dachten die Bevollmächtigten um so weniger, als sie stillschweigend die Verfügung des Großherzogs anerkannt hatten26. Metternich und Hardenberg, die zwei Seelen der Beratungen über die Bundesakte, hatten so wenig Ahnung von dem begangenen doppelten Mißgriff, daß sie sich beeilten, noch an demselben Tage den Juden in den vier Freistädten durch deren Deputierte die Beruhigung zugehen zu lassen, daß ihre bürgerlichen Rechte von dem Kongreß anerkannt und gesichert worden seien. Hardenberg schalt noch dazu den Senat von Lübeck förmlich aus (10. Juni), daß er der gerechten und menschlichen Verwendung des preußischen Staates für die Juden kein Gehör gegeben habe. »Die auf dem Kongresse geäußerten Meinungen einer entschiedenen Majorität und der hierauf begründete Beschluß desselben lassen dem Zweifel darüber keinen Raum, daß es die ernstliche Absicht des gesamten Deutschlands sei, den jüdischen [316] Einwohnern gegen die Übernahme der bürgerlichen Pflichten auch den Genuß der bürgerlichen Rechte zu bewilligen und hierdurch die schwere Schuld vieljähriger, zum Teil grausamer Unduldsamkeit auf dem gerechten Wege zu lösen.« Hardenberg schrieb noch manches Angenehme zugunsten der Juden27; aber die Judenfeinde in den freien Städten lachten sich ins Fäustchen. Sie hatten den Buchstaben zum Schilde, daß sie für den Augenblick ihre Juden mißhandeln dürften und hofften auch künftig auf dem Wege des Bundestages die zweideutigen Versprechungen trügerisch machen zu können.

Mit Napoleons zweitem Sturz hörte bekanntlich die titanische Tragödie auf, und es begann die Posse, würdig von Lord Byrons Spottgeistern verhöhnt zu werden. Die verbündeten Mächte flossen über von Religion und Tugend, vergaßen aber die verheißenen Freiheiten oder dachten vielmehr nur daran, es demjenigen gleichzutun, den sie als Tyrannen dem öffentlichen Hasse preisgegeben hatten. Diese Zeit macht einen um so komischeren Eindruck, als das deutsche Volk wie seine Fürsten mit der allerernstesten Miene die albernsten Kindereien trieb. Es begannen einige sehr schlimme Jahre für die deutschen Juden. Aus falschem Nationalgefühl, falscher Religiosität, aus Hochmut, Neid, Furcht und anderen dunklen Gefühlen entwickelte sich ein giftiger Judenhaß, der, von außen betrachtet, lächerlich erschien, im Innern aber eine blutige Katastrophe ahnen ließ, als sollten die Juden dafür bestraft werden, daß sie einige Sonnentage genossen hatten.

Als die Franzosen durch eine kräftige Bewegung ihre Fesseln sprengten, kehrte sich ihr Groll gegen die Mächtigen, die Deutschen dagegen wandten ihn gegen die Schwächsten der Schwachen, gegen die Juden. Und gerade in den höheren, gebildeten Gesellschaftsschichten wurzelte dieser leidenschaftliche Ingrimm gegen sie, die niedrigen Volksklassen mußten erst künstlich dazu aufgestachelt werden. Weil James von Rothschild bei der ersten Kunde von der Schlacht bei Waterloo auf einem zerbrechlichen Nachen unter Sturm und Unwetter sich nach London rudern ließ, dort ein glänzendes Geschäft machte und sein Haus zur ersten Geldmacht in Europa erhob, dafür sollten sämtliche Juden büßen. Ein unbeschäftigter Arzt und Dichterling, Karl Boromäus Alexander Sessa, in Breslau, hatte eine Posse »Die Judenschule« gedichtet, die so widerlich und geschmacklos ist, daß das Stück bei der ersten Aufführung (gegen Ende 1812) ausgepfiffen wurde. Als aber die Deutschtümelei begann, sich im Judenhaß [317] Luft zu machen, wurde die Posse wieder hervorgesucht und machte volle Kassen, weil alle darin auftretenden Personen Juden sind, die in häßlicher, verdorbener Mundart sprechen, eine niedrige Gesinnung zeigen und sich wunderlich geberden. Man drängte sich zu den Theatersitzen und klatschte rasenden Beifall. Die gebildeten Juden waren tief verletzt. Sie hatten eben ihr Blut für das Vaterland verspritzt, hatten zum Teil ihr geistiges Erbe aufgegeben, um sich den Christen zu nähern, und doch wurden sie zur Zielscheibe des Spottes genommen. Der Ruf davon verbreitete sich, das Stück sollte auch in Berlin aufgeführt werden. Die lächerlichste jüdische Figur sollte vom Schauspieler Wurm gespielt werden, der in der niederen Komik Meister war. Jacobson, der seit dem Erlöschen des Königreichs Westfalen nach Berlin gezogen war und hier mit einigen Staatsmännern in Verbindung stand, eilte zum Kanzler Hardenberg und bewirkte, daß das Stück vor Beginn der Theaterzeit verboten wurde (1. Juli 1815). Aber das theaterbesuchende Publikum verlangte, dadurch nur noch gereizt, an jedem Abend stürmisch die Zulassung der Posse, es wollte sich an der Verspottung der Juden weiden. Die Behörde gab nach, daß es unter dem Titel »Unser Verkehr« gespielt wurde (1. Sept.). Wurm, der große Wurm, »jeder Zoll ein Lump«, wie ihn Heine schildert, gab die lächerlichste jüdische Figur und erntete den rauschendsten Beifall. Er machte mit seiner Rolle Gastreisen, ließ eine Flugschrift drucken, worin er sich noch dazu als Verfolgten darstellte, und entzückte mit der Verhöhnung der Juden die großen Städte Deutschlands. Privatgesellschaften verschafften sich den edlen Genuß, ihn das Zerrbild der Juden darstellen zu sehen. Zeitungen brachten Auszüge aus diesem ebenso geschmacklosen wie dummen Stücke28. »Unser Verkehr« blieb eine Zeitlang in Deutschland ein Zugstück. Die Griechen hatten in der Zeit ihrer Entartung Juden auf die Schaubühne zur Belustigung gebracht. Die Deutschen taten es im Beginn ihrer nationalen Erhebung. Lessings Geist war von ihnen gewichen.

Die Demütigung der Juden zeigte sich auch bald im praktischen Leben. Lübeck, durch die eingeschmuggelte Auslegung eines Paragraphen der Bundesakte geschützt, kümmerte sich nicht viel um Preußens Zorn, der nicht so ernst gemeint zu sein brauchte, und ließ mehr als vierzig jüdischen Familien die Weisung zugehen, die Stadt zu verlassen [318] und nach dem Städtchen Moisling zu ziehen (Sept. 1815)29. Bremen tat dasselbe mit seinen Juden. Frankfurt konnte zwar seine Juden nicht ausweisen, aber es verbitterte ihnen das Leben, schloß sie von den Bürgerversammlungen aus, setzte jüdische Beamte ab, verbot ihnen viele Gewerbe und Hantierungen, wies Ehegesuche jüdischer Verlobter mit mittelalterlicher Herzlosigkeit zurück, ließ sie nicht in allen Stadtteilen wohnen und geberdete sich so, als wenn die Juden wie ehemals seine Kammerknechte wären. Da der Senat aber wußte, daß Preußen und Österreich es als eine Ehrensache betrachteten, die bürgerlichen Rechte der Juden von Frankfurt unverkürzt zu erhalten, und daß der Bundestag auf den Antrag der beiden Großmächte die Streitfrage leicht zugunsten der Juden entscheiden könnte, wendete er sich an drei deutsche juristische Fakultäten, von Berlin, Marburg und Gießen, um die Frage der Ehre und Menschlichkeit als einen Rechtsstreit entscheiden zu lassen. Metternich und Hardenberg erließen zwar von Paris aus derbe Schreiben an den Senat (8., 15. Novbr. 1815) und erinnerten ihn daran, daß Frankfurt nur unter der Bedingung, die städtische Freiheit zu wahren, die Selbständigkeit wieder erlangt habe, und daß es die wohlerworbenen Rechte jeder Klasse von Einwohnern, also auch der Juden, achten müsse30. Die hochmütig gewordene Stadt, in deren Mitte der Bundestag die Sitzungen halten sollte, hoffte ihr Unrecht ertrotzen zu können. Sie rüstete sich zu einem hartnäckigen Kampfe und war entschlossen, den Juden auch nicht das geringste Zugeständnis zu machen. Die Frankfurter Gemeinde setzte sich ebenfalls zur Wehr. Sie bereitete eine Denkschrift für den Bundestag (Januar 1816) vor, setzte ihr gutes Recht in ein klares Licht und stellte alle zu ihren Gunsten sprechenden Aktenstücke zusammen. Der junge Börne war der Verfasser dieser zugleich juristischen und politischen Arbeit.31

Dieser Streit des Frankfurter Senats mit der Judenschaft, welcher sich neun Jahre hinzog (1815-24) und viele Verdrießlichkeiten in seinem Gefolge hatte, wird ewig eine Schmach jener Zeit und des deutschen Zopfgeistes bleiben. Die Juden glaubten, auf die Zusicherung der maßgebenden beiden deutschen Großmächte vertrauend, daß ihr Bürgerrecht durch eine dreifache Mauer geschützt sei, daß der Bundestag sich überhaupt die Gleichstellung der deutschen Juden angelegen [319] sein lassen werde, daß die Bundesakte der Vereitelung der bereits genossenen Rechte vorgebeugt habe, und daß endlich die Frankfurter Judenschaft ihre Einbürgerung kontraktlich erworben habe. Die Denkschrift Börnes suchte daher diese wichtigen Punkte zu beleuchten. In folge der Stättigkeitsbestimmungen waren die Juden dem deutschen Kaiser unmittelbar unterworfen und standen nur mittelbar unter dem Schutz der städtischen Behörden. Dieses Untertanenverhältnis sei mit dem Aufhören des deutschen Kaisertums und der Bildung des Rheinbundes auf den Primas von Dalberg übergegangen. Dieser sei später Großherzog von Frankfurt geworden und habe das volle Recht gehabt Verfügungen über die Juden zu treffen. Nun habe dieser ihnen das Vollbürgerrecht erteilt und noch dazu für eine bedeutende Summe. Seine Verfügungen seien auch nach Entsetzung des Großherzogs von den Organen des Kongresses anerkannt worden. Folglich wäre es eine ungeheure Rechtsverletzung, wenn die Juden ihrer wohlerworbenen Rechte beraubt und unter die Willkür der Stadtbehörden gestellt werden sollten. Überhaupt sei die Lage der Juden in Deutschland durch ihre Beteiligung an der Verteidigung des Vaterlandes verändert worden; denn nicht länger könne der als Fremdling betrachtet oder vom Vaterlande ausgestoßen werden, der pflichtmäßig und freiwillig sein Blut und Leben für dasselbe wagt und opfert32.

Aber gerade diese sonnenklare Wahrheit suchten die deutschtümelnden Sophisten zu verdunkeln oder zu überschreien. Aus allen Teilen Deutschlands erschollen zu gleicher Zeit mannigfaltige Stimmen gegen die Juden mit ganz bestimmter Aufforderung an das Volk oder an den deutschen Bund, die Juden zu knechten oder gar zu vertilgen. Zeitungen und Flugblätter hetzten gegen sie, als wenn Deutschland oder die Christenheit nur durch den Untergang der Juden gerettet werden könnte. Die spießbürgerlich beschränkten Schulfüchse glaubten es allen Ernstes und die Volksverführer machten es glauben. In dies widerliche Gebrülle, das mehrere Jahre hindurch in leidenschaftlicher Steigerung ertönte und zuletzt in Roheit ausartete, mischten sich stets schrille Stimmen aus Frankfurt, welche das Gewissen des deutschen Volkes übertäuben wollten. Bald war es der Charakter der Juden, bald ihr Geschichtsgang, bald ihre Neigung zum Handel, bald der Talmud oder gar die Bibel selbst, welche die Juden nicht nur zur Einbürgerung untauglich, sondern auch zum Krebsschaden am deutschen Volksorganismus machen sollte. Längst widerlegte Anschuldigungen und Unwahrheiten wurden wiederholt, offenkundige Tatsachen Lügen [320] gestraft. Den Reigen eröffnete wieder (Januar 1816) der Geschichtsprofessor an der Berliner Universität, Friedrich Rühs, mit seinen unwahren Behauptungen und unsinnigen Folgerungen. Seine judenfeindlichen Zeitungsartikel verwandelte er auf Anraten Gleichgesinnter in eine selbständige Schmähschrift und fügte neue Verdrehungen hinzu. Moldenhawer, ein dänischer Judenfeind, der einzige in diesem Staate, welcher die Emanzipation der dänischen Juden hintertreiben wollte, hatte sich zur Aufgabe gestellt, die Geschichte der Juden in Spanien aus sachlicher Unkenntnis und bösem Willen zu verunglimpfen. Das war Wasser auf Rühs' Mühle. Er übersetzte diese ungeschichtliche Geschichtsabhandlung und fügte sie seiner Schmähschrift hinzu. Die polnischen Juden, die Träger der Unkultur, welche mit den spanischen, den Trägern der Kultur, das eine gemeinsam hatten, daß ihnen verhältnismäßig mehr als anderswo Spielraum gelassen war, stellte Rühs nebeneinander, um beide grauenhaft zu schildern, daraus Schlußfolgerungen für den verdorbenen Charakter der Gesamtjudenheit zu ziehen und ihre Unverbesserlichkeit zu beweisen. Die ersteren hätten Spanien unglücklich gemacht, und darum wären sie verjagt worden, behauptete er, während auch der beschränkteste Kopf einsieht, daß dieses schöne Land erst nach und infolge der Vertreibung der Akatholiken so tief gesunken und ein großes Bettelkloster geworden und bis auf den heutigen Tag geblieben ist.

An den Juden Polens konnte Rühs ungestraft lauter Schattenseiten hervorkehren; er verschwieg boshaft diejenigen Schilderungen von diesem Lande, welche bei der allgemeinen Verdorbenheit desselben die Juden und ihre Art noch als Lichtseite hervorgehoben hatten33. Daß die Juden Polens faul und betrügerisch seien, und daß sie eine tiefe Abneigung gegen schwere Arbeit hätten, das waren seine Hauptanklagen gegen sie. Aber sein Gewährsmann Joseph Rohrer, (o. S. 250), dem er in seiner Schwarzmalerei blindlings folgte, erzählte selbst von ihnen, daß ganze jüdische Gemeinden in der Bukowina, um Suczawa und Szeret, die Feldwirtschaft betrieben, ihre Äcker selbst bebauten und sich durch Ehrlichkeit auszeichneten34. Rühs hätte von demselben Schriftsteller auch lernen können, daß wenigstens ein Bruchteil des jüdischen Stammes, die Karäer in Galizien, größtenteils vom Ackerbau arbeitsam und musterhaft ehrlich lebten35. Das [321] alles verschwieg Rühs, obwohl es ihm bekannt war. Und wie viel war ihm unbekannt! Ein gesinnungsvoller polnischer Jude, Nahum Funkelstein aus Sklow, hatte in Cherson bei Nikolajew jüdische Ackerbaukolonien gegründet, die von der russischen Regierung gefördert wurden; die Kolonisten bestellten ihre Felder mit eigener Hand, legten Dörfer mit hebräischen Namen (Jefe-Nahar, Nahar-Tob usw.) an und hatten ihre eigenen Handwerker. Die Kolonien gediehen, weil Männer und Frauen um die Wette durch Fleiß und Nüchternheit dem Boden Reichtümer abzugewinnen wußten36. – Rühs' durchgängig unwahre Schrift wurde eine Fundgrube, aus der die Judenfeinde die Beschönigung für ihre Gehässigkeiten holten. Um noch mehr rostige Waffen zum Kampfe gegen die Wehrlosen zu liefern, machte ein Frankfurter unter dem Namen Christian Frank Auszüge aus Eisenmengers Lügenbuche und versuchte daraus zu beweisen, wie erbärmlich Juden und Judentum seien.

An den Haaren wurde jede Gelegenheit herbeigezogen, um die Juden zu schmähen und ihre Mißhandlung zu empfehlen. Der Staatsrechtslehrer Klüber aus Baden stellte die Beratungsprotokolle des Wiener Kongresses zusammen. Wie kommen die Juden in diese vornehme Gesellschaft? Doch, doch, sie sind in dieser Versammlung um ihre Rechte geprellt worden. Das war für Klüber ein erwünschter Anhaltspunkt, um eine Abschweifung über die Gemeinschädlichkeit der Juden, und um Vorschläge zu ihrer Behandlung zu machen, daß sie z.B. auf dem platten Lande gar nicht und in den Städten nur dann zum Bürgerrecht zugelassen werden sollten, wenn sie den Talmud feierlich abschwören würden37. Das war der dritte. Ein vierter formulierte »Deutschlands Forderungen an den deutschen Bund« und brachte auch seinen frommen Wunsch in betreff der Juden an, die er nicht schlimm genug schildern konnte; sie seien in Überfluß lebende Pensionäre des Staates, sie verteidigten das Vaterland nicht, sie dienten ihm nicht in Ämtern usw. Ein fünfter, Friedrich aus Frankfurt (gegen Februar 1816), zeigte in einer Schrift »Die Juden und ihre Gegner, ein Wort zur Beherzigung für Wahrheitsfreunde gegen Fanatiker« noch mehr Haß gegen die gebildeten Juden als gegen die [322] ungebildeten. Als Frankfurter Bürger und Geistlicher wünschte Friedrich selbstverständlich die Erniedrigung der Juden, sogar ihre Ausschließung vom Kriegsdienste. Es ist ermüdend und zugleich beschämend, die vielen Schriften, welche damals gegen sie in die Öffentlichkeit geworfen wurden, anzuführen und ihre Bosheit, Verlogenheit und Dummheit zu beschreiben38. Sie wiederholten alle dieselben Schlagwörter, die Juden seien ein Krebsschaden oder eine Pestbeule der Deutschen, ein Staat im Staate, ein Schmarotzerstamm. Ein Judenfeind führte immer den andern als Autorität an.

Am giftigsten war die Schrift eines Arztes und Professors der Naturwissenschaften in Heidelberg, J. F. Fries, »Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden« (Sommer 1816), worin er behauptete, daß man die Juden zum Lande hinausweisen, ja, daß diese Kaste mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden müsse, indem sie offenbar unter allen geheimen und politischen Gesellschaften und Staaten im Staate die gefährlichste sei. »Fragt doch einmal Mann für Mann herum, ob nicht jeder Bauer und jeder Bürger sie als Volksverderber und Brotdiebe haßt und verflucht!« – Die Juden hätten über die Hälfte des ganzen Frankfurter Kapitals in ihre Hände zu bringen gewußt. »Laßt sie nur noch 40 Jahre so wirtschaften, und die Söhne der christlichen ersten Häuser mögen sich als Packknechte bei den jüdischen verdingen.« Es ist erstaunlich, daß nicht schon damals bei so leidenschaftlicher Aufstachelung der Menge wilde Ausbrüche gegen die Juden erfolgten, zumal Fries' Schrift in Schenken und Wirtshäusern vorgelesen wurde39.

Gestützt auf die den Judenhaß predigende öffentliche Meinung, durften die freien Städte alle mittelalterlichen Schroffheiten gegen die Juden anwenden. Der Senat von Bremen verbannte die dort angesiedelten jüdischen Einwohner nach einem benachbarten Städtchen und gestattete keinem Juden über Nacht in der Stadt zu verweilen. Lübeck erließ einen Befehl, daß die meisten dort wohnenden Juden vier Wochen nach Ostern die Stadt zu verlassen hätten, und ließ, als sie sich nicht fügten, ihre Verkaufsläden versiegeln. Hamburg und Frankfurt konnten sie nicht vertreiben, verboten ihnen aber, in christlichen Stadtvierteln zu wohnen. Hat sich damals keine christliche Stimme gegen [323] diese Ungerechtigkeiten erhoben? Zur Ehre der Deutschen muß es angeführt werden, daß einzelne Männer doch den Mut hatten, gegen die dummen Vorurteile und gegen den blinden Haß anzukämpfen. Ein hochgeachteter und gebildeter Rat in Regensburg, August Krämer, verfaßte zu ihrer Verteidigung eine besondere Schrift, »Die Juden und ihre gerechten Ansprüche an die christlichen Staaten, ein Beitrag zur Milderung der harten Vorurteile über die jüdische Nation.« Geheimrat Schmidt in Hildburghausen führte der Gegenwart einerseits jene Greuelszenen vor, welche der christliche Fanatismus an Juden ausgeübt, und anderseits den Vorsprung der Kultur, welchen die letzteren in Spanien vor den Christen hatten40. Am eingehendsten nahm für sie ein hoher reformierter Geistlicher von siebzig Jahren, Johann Ludwig Ewald aus Karlsruhe (starb 1822), das Wort. Ihn empörte Rühs' und Fries' Judenfresserei so tief, daß er sich nicht die Ruhe der Badejahreszeit in Baden gönnte, sie viel mehr dazu benutzte, ihre frechen Behauptungen in einer Schrift (1816) Lügen zu strafen41. Ewald verteidigte die geschmähten Söhne des israelitischen Volkes nicht bloß im Namen des Christentums, dessen Vertreter er war. Alle bodenlosen Anschuldigungen gegen sie löste er in nichts auf. Selbst den Talmud nahm er in Schutz, den er jedenfalls besser zu würdigen wußte, als die Rühs und Fries. »Von dem Talmud hat man überhaupt meist ganz unrichtige Begriffe. Man beurteilt ihn nach einigen von Eisenmenger und anderen herausgerissenen widersinnigen und zum Teil abscheulichen Stellen.« Ewald zog zur Beschämung der Judenfresser talmudische Aussprüche heran, welche den Ackerbau, das mühsame Handwerk, die Arbeit, die hingebende Sittlichkeit dringend empfehlen. Auch aus England und Frankreich tönten Mahnrufe an die Deutschen, sich mit ihrem wahnsinnigen Judenhaß nicht ein Armutszeugnis auszustellen. Ein englisches Blatt meinte, die Stadt Lübeck, sowie alle freien Städte müßten wegen ihrer bewiesenen mittelalterlichen Unduldsamkeit gegen die Juden seitens des deutschen Bundes ihrer Unabhängigkeit verlustig erklärt werden, von der sie einen so sträflichen Gebrauch gemacht hätten42. Ein französischer [324] Schriftsteller M. Bail43 redete mit glühender Begeisterung den Geschmähten das Wort und zeichnete ihre deutschen Feinde mit dem Brandmal der Schmach. »Die jüdische Nation trägt mehr als jede andere in hohem Grade den antiken und geheiligten Charakter, welcher Erstaunen erregt. Ich kann nie einem Rabbinen mit weißem Barte geschmückt begegnen, ohne an die ehrwürdigen Patriarchen zu denken. Nichts ist erhebender bei den Israeliten, als das feierliche Leben, welches aus ihnen die ergebensten und ehrwürdigsten Menschen auf Erden macht. In ihrem Innern findet sich das Beispiel aller häuslichen Tugenden und sorgsamen Liebe für die Dürftigen, eine tiefe Hochachtung für die Erzeuger. Glücklich, tausendmal glücklich die Nationen, bei denen der tiefe Grund der Moral sich erhalten hat. ›Wozu sollen die Juden?‹ fragt man in Deutschland. Wunderliche, unsinnige, barbarische Frage! Durchstreift Lissabon, Bordeaux, Amsterdam, London, Wien, leset die Schriften einiger aus ihrer Mitte, so werdet ihr finden, daß das Hirn eines Hebräers nicht geringer ist, als das anderer Menschen. Die Zeit ihrer Befreiung ist gekommen. Deutsche, edelmütige und gastfreundliche Deutsche, wollet ihr das Licht verdunkeln, das euch ehrt, und die Tugenden, die euch auszeichnen? Werdet ihr ihnen das Bürgerrecht einräumen oder sie mit ihren bejammernswerten Familien aus ihrem Geburtsland jagen? Werden sie eure Mitbürger oder eure Sklaven, eure Schützlinge oder eure Feinde sein? Das ist die große Frage, die entschieden werden soll. Menschen des neunzehnten Jahrhunderts, legt die Hand auf euer Gewissen und brechet ihre Fesseln!«44

Aber wenn die Wahrheit und Gerechtigkeit auch mit Engelszungen gesprochen hätte, die Deutschen wären damals taub für diese Stimme gewesen. Sie bohrten sich in den Judenhaß so fest ein, daß sie alle Einsicht verloren. Man war in England und Frankreich in arger Täuschung begriffen, wenn man voraussetzte, daß nur einige brotneidische Zünftler die Beschränkung oder gar die Ausweisung der Juden gefordert hätten, und daß die »erleuchteten« Regierungen von Österreich und Preußen und besonders der »weise Bundestag« diesem eigennützigen und barbarischen Geschrei Stillschweigen gebieten würden. Akademische Lehrer, Schriftsteller, Staatsmänner, Fürsten, sie alle stimmten allmählich mit den Patriziern der freien Städte in der Herabwürdigung der Juden überein. – Rühs, weit entfernt, von Ewalds [325] überzeugenden Gründen gebessert zu werden, fiel über diesen ehrwürdigen Greis mit Hohn her, behandelte ihn wie einen unreifen Buben und wollte ihn, den Geistlichen, belehren, was Christentum sei, und daß dieses die Erniedrigung und Ausschließung der Juden erheische. Er führte als seinen Gewährsmann Luther an, der allerdings im Alter einen Kreuzzug gegen die Juden predigte45. Rühs bestand hartnäckig auf allen seinen Behauptungen, fügte neue ebenso grundlose hinzu und geriet förmlich in Leidenschaft, um die Juden zu brandmarken.46 Neue Schmähschriften gesellten sich zu den alten, meistens in fanatischem Tone gehalten. Der Senat von Lübeck ließ seine Unmenschlichkeit gegen die Juden durch einen Sophisten verteidigen, der lauter Schmähungen gegen sie und ihren Verteidiger Ewald vorbrachte47.

Gegen die Eingriffe der Lübeckerin das Recht der Juden richtete endlich ein Organ der österreichischen Regierung eine Art von Drohung. »Wie soll sich der künftige Bundestag mit Verbesserung des Zustandes der Israeliten beschäftigen, wenn einzelne Staaten durch die willkürlichsten und grausamsten Beschlüsse seinen Beratungen vorgreifen? Es liegt in diesem Verfahren sowohl gegen den bevorstehenden Bundestag, als gegen die ersten Höfe von Deutschland, deren Grundsätze in dieser Angelegenheit oft und laut genug ausgesprochen worden sind, ein Mangel an Achtung, der sich nur durch leidenschaftliche Übertreibung erklären, aber nicht leicht entschuldigen läßt«48. Was tat aber Österreich, das soviel sittliche Entrüstung für die Juden gegen Lübeck äußerte? Franz I. und sein Beherrscher Metternich vergaßen vollständig die wohlwollenden Absichten Josephs II. und erinnerten sich nur der gehässigen Gesetze Maria Theresias gegen die Juden. Sie ließen nicht nur die alten Beschränkungen bestehen, sondern fügten noch neue hinzu. Sie verjagten die Juden allerdings nicht, wie in Lübeck und Bremen; aber sie ließen sie gar nicht so weit kommen, ausgewiesen zu werden; es wurden ihnen Ghettos innerhalb Österreichs angewiesen, über die sie nicht hinausgehen durften. Tirol, das klösterliche Gebirgsland, war ihnen selbstverständlich so gut wie den Protestanten verschlossen. In Böhmen waren ihnen die Bergstädte und [326] Dörfer und in Mähren umgekehrt die bedeutenden Städte Brünn und Olmütz, wo sie nur übernachten oder auf kurze Zeit weilen durften, unzugänglich. Und überall gab es Judengassen. Die Beschränkungen der Juden Österreichs waren sprichwörtlich geworden. Und erst in Galizien? Hier gab es einen noch härteren Druck als im Mittelalter49. Selbst die wohlwollenden Bestimmungen Josephs II. in betreff des Schulzwanges und des zweckmäßigen Religionsunterrichtes wurden nicht gehandhabt, um Bildung unter den Juden zu verbreiten, sondern nur um sie zu quälen und zu beeinträchtigen. Der Kaiser Franz adelte zwar diesen oder jenen reichen Juden, aber die übrigen wurden entwürdigt. Kriegsdienste mußten sie leisten, aber die Tapferen unter ihnen wurden kaum zu den untersten Staffeln der militärischen Leiter zugelassen. Es legt ein glänzendes Zeugnis für die Kernhaftigkeit der Juden ab, daß die österreichischen unter diesen erniedrigenden Beschränkungen nicht entartet sind, daß sich vielmehr eine ganze Reihe derselben selbst in Galizien trotz aller Hemmnisse zur Höhe künstlerischer Leistungen emporgeschwungen hat.

Österreich hatte allerdings den Juden keine Versprechungen gemacht und keine Hoffnung auf Freiheit erweckt. Aber auch Preußen, wo sie bereits im Vollgenusse des Staatsbürgerrechts gewesen waren, hat für sie ein Stück Mittelalter heraufbeschworen und damit zugleich ihre Ehre noch tiefer gekränkt. Friedrich Wilhelm III., der die Gleichstellung der preußischen Juden als Gesetz erlassen hatte, ließ es unausgeführt als toten Buchstaben bestehen. Er erlag unbewußt der von den Deutschtümlern und Sophisten aufgestellten Theorie vom christlichen Staate, in welchem den Juden kein Ehrenplatz eingeräumt werden dürfe. Namentlich wich mit Hardenbergs Tode auch der gute Geist von Preußen, und es wurde immer mehr in Metternichs freiheitsfeindliche Ränke verstrickt. Den jüdischen Offizieren, die bei Waterloo so tapfer gekämpft hatten, wurde ihre Pension entzogen. Von Staatsanstellungen der Juden war keine Rede mehr, nicht einmal als Feldmesser und Apotheker wurden sie zugelassen50. Die verheißene Gleichstellung der Juden in den neuerworbenen oder wiedereroberten Provinzen wurde immer verschoben. Die letzteren blieben den Beschränkungen aus früherer Zeit unterworfen, und Preußen bot den Anblick einer wunderlichen, versteinerten Gesetzgebung in betreff der Juden. Es gab einundzwanzig verschiedene Grundgesetze zur Behandlung derselben. [327] Sie wurden eingeteilt in französische, altpreußische, sächsische, polnische Juden, natürlich zu ihrem Nachteil51. Die Juden der Provinz Posen, die Parias unter den preußischen Juden, durften kein Haus von einem Christen erwerben, nicht auf dem Lande wohnen, keine kaufmännischen Rechte erlangen und unterlagen noch anderen Beschränkungen. In den Städten, wo früher keine Juden wohnten, durften keine aufgenommen werden, wie in Österreich. Von einer Provinz in die andere überzusiedeln, war nicht gestattet.

Es wurde in Preußen geradezu darauf angelegt, die Juden in der Gesellschaft verächtlich zu machen. Während die Regierung früher darauf Bedacht genommen hatte, im offiziellen Verkehr den Namen Jude, jüdisch, zu vermeiden, weil er eben eine gehässige Nebenbedeutung hat, so bestand sie später darauf, daß gerade diese Bezeichnung in Gebrauch kommen sollte. Früher fand sie Wohlgefallen daran, wenn die Juden ihre Namen verdeutschten, »weil es die löbliche Tendenz verrät, sich überall der allgemeinen Landessitte anzuschließen und alles, was die bisherige Absonderung und den Judaismus sogleich äußerlich bezeichnet, möglichst fortzuschaffen«. Später verbot sie ihnen, christliche Vornamen anzunehmen, oder auch nur die häßlich klingenden in schönere zu verwandeln52. Neben der Absicht, die Juden nicht in den Organismus des erträumten christlichen Staates aufzunehmen, spielte auch eine andere mit, die nämlich, Proselyten zu machen, und sie zum Christentum hinüberzuziehen. Die Zeit hatte sich rasch geändert.

Die Verkehrtheit der Theorie vom christlich-deutschen Staate und die daraus gefolgerte Annahme, daß die Juden keinen Teil an demselben haben dürften, verblendete auch die Augen der gerecht Denkenden und menschlich Fühlenden. Die juristische Fakultät der jungen Berliner Hochschule war von dem Frankfurter Senat angegangen worden, in der Streitsache zwischen ihm und den Juden ihr Urteil abzugeben. Welchen Bescheid gab diese Instanz? Der Ordinarius, Senior und die übrigen Doktoren der Fakultät behandelten diese Frage, an welche sich das Wohl und Wehe von mehr denn 3000 Menschen und die Zukunft der noch nicht Geborenen knüpfte, wie etwa einen verwickelten Erbschaftsprozeß, bei dem es sich bloß um Geldsummen handelt. Ein Streit um Besitz oder Besitzverwirkung von Sklaven wäre von ihr vielleicht menschlicher entschieden worden. Aber es handelte sich bloß um [328] Juden! Die Fakultät ging daher sehr gründlich auf die ursprüngliche Stellung der Juden in Deutschland ein und wies darauf hin, daß die Juden von jeher Fremde, Unfreie, Hörige und als solche dem Kaiser unterworfen gewesen seien. Die von Frankfurt seien daher in das Leibeigenenverhältnis zur Stadtobrigkeit übergegangen. Und das alles auf Grund falscher Voraussetzungen. Den Punkt, ob denn die angeborenen Menschenrechte gar nichts bedeuten, ob denn Freie gewaltsam zu Sklaven oder Halbsklaven gemacht und durch Verjährung in diesem elenden Zustande erhalten werden dürfen, berührte sie nicht einmal. Der Schluß des Urteils der Berliner Juristenfakultät (April 1818)53 lautete, daß das Untertanenverhältnis der Juden zur Stadt Frankfurt und die Judenstättigkeit von 1616 noch zu Recht bestehe, daß die Erteilung des Bürgerrechtes an dieselben von seiten des Großherzogs null und nichtig sei, daß es also den Patriziern von Frankfurt völlig frei stünde, die Juden in ihren heiligsten Rechten zu beschränken, ihre Verehelichung über das Maß hinaus zu verbieten, kurz sie als halbe Sklaven zu behandeln. Der Bundestag sei nicht einmal berechtigt, ein Wort darein zu sprechen, sondern die Juden müßten von der Gnade des Senats und der Bürgerschaft abhängen. – Die Namen der Männer, welche dieses das Rechtsgefühl empörende Gutachten abgegeben haben, verdienen der Nachwelt überliefert zu werden. Es waren Savigny, Eichhorn, Göschen, Biener und Schmalz, die solchergestalt für die deutsche Jugend das von Gott stammende Recht auslegten und von denen einige den preußischen Staat leiten oder mißleiten halfen.

Der judenfeindliche Geist in Preußen zeigte sich auch an einem Falle, der einen Vergleich mit Frankreich herausfordert. Jenes ungerechte Napoleonische Gesetz, welches die Gleichheit der Juden der deutschen Departements auf zehn Jahre in bezug auf Freizügigkeit und Handel aufgehoben hatte (S. 285), sollte nach Ablauf der Frist bis 17. März 1818) von selbst erlöschen, falls es nicht verlängert würde. Nur einige, wahrscheinlich deutsche Generalräte des Elsaß, wünschten die Fortdauer dieses Gesetzes, und ein Maire, Marquis de Lathier aus einer Gegend, wo nicht ein einziger Jude wohnte, reichte ein Gesuch bei der französischen Kammer in demselben Sinne ein, es würde zum Nachteil der Elsässer Christen ausschlagen, wenn die Juden dieses Landstrichs ihre Gleichheit wieder erlangen sollten. Aber die Regierung [329] Ludwigs XVIII., obwohl von der kirchlichen und politischen Reaktion umtobt, machte auch nicht einmal einen Versuch, die Beschränkung aufrecht zu erhalten. In der Kammer, die sich in mehreren Sitzungen mit diesem Punkt beschäftigte (Februar und März 1818), ließ sich nur eine einzige judenfeindliche Stimme gegen die Juden des Elsaß vernehmen. Sie meinte, das ganze Land würde bald in den Händen der Juden sein, wenn man nicht ihrer Gier einen Damm entgegensetzte. Gegen die Juden im allgemeinen und für Beschränkung ihrer Freiheit sprach nicht einmal die kirchlich gesinnte Rechte. Das Phantom eines christlichen Staates war den Franzosen völlig unbekannt. Die Kammer verwarf Lathiers Antrag, und somit wurden die Juden des Elsaß in ihre ehemalige Gleichheit wieder eingesetzt54. Dasselbe beschränkende Gesetz war ursprünglich auch für die Juden des Gebietes des linken Rheinufers erlassen, welches jetzt zu Preußen oder zur Rheinprovinz und Westfalen geschlagen war. Die preußische Regierung hatte bei der Übernahme dieser ehemaligen französischen Kreise die Beschränkung bestehen lassen, und eine Kabinettsorder (vom 3. März 1818) erneuerte sie auf unbestimmte Zeit55. Während Preußen die Rechte, welche die französische Verfassung den Juden dieser Gegend eingeräumt hatte, nicht achtete, war es darauf bedacht, Napoleons Willkürgesetz aufrechtzuerhalten. Das paßte recht gut zu dem Systeme des christlichen Staates.

Um dieselbe Zeit betrieb ein angesehener Engländer, mit der Bibel des alten und neuen Testaments in der Hand, mit außerordentlichem Eifer die Durchführung der Gleichheit und Freiheit der Juden in ganz Europa. Lewis Way, ein Spätling der Schwärmer der fünften Monarchie aus der Zeit des englischen Unabhängigkeitskampfes, ein Holmes und Jurieu oder auch ein Nicolas des neunzehnten Jahrhunderts, lauschte auf die Prophezeiungen des alten Testaments und der Apokalypse und war der Überzeugung, daß die jüdische Nation noch einmal ihre Auferstehung erleben und in Herrlichkeit in ihr ehemaliges Vaterland zurückkehren werde. Erst dann, nach wiedererlangter Selbständigkeit, werde sie sich zu Jesu Lehre bekennen. Es war ihm daher eine Gewissenssache, die Erhebung der Juden, so viel an ihm lag, zu fördern. Er hatte zu diesem Zwecke Reisen in Polen gemacht, um sich von der Zahl und dem Zustande der dortigen Juden Gewißheit zu verschaffen. Way arbeitete infolgedessen eine wunderliche Denkschrift [330] aus, worin er die hohe Bedeutung des jüdischen Volkes nicht bloß in der Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft beleuchtete. Mit dieser Denkschrift begab er sich nach Aachen, wohin der König von Preußen und die Kaiser von Rußland und Österreich mit ihren Ministern und Diplomaten zu einem Kongreß (Ende Sept. 1818) zusammengekommen waren, um Beratungen über die Zurückziehung der Besatzungstruppen aus Frankreich und die Erweiterung der heiligen Alliance zu pflegen. Way hatte sich an den bereits altersschwachen Dohm gewendet, sein Bestreben zur Emanzipation der Juden in Europa zu unterstützen und eine neue Schrift zu ihren Gunsten auszuarbeiten. Dieser konnte zwar aus Schwäche auf nichts eingehen; aber er erneuerte seine alte Überzeugung gegenüber den Judenfressern, daß die Unterdrückung der Juden im Widerspruch mit der Menschlichkeit, der christlichen Religion und besonders mit den Grundsätzen einer weisen Staatsverfassung sei. Way wendete, trotz seiner Schwärmerei, das rechte Mittel an, um zum Ziele zu gelangen. Er suchte zunächst auf den Kaiser Alexander günstig einzuwirken, dessen mystische Stimmungen, da er mit ihm gemeinschaftlich Reisen in Südrußland und in der Krim gemacht hatte, ihm bekannt waren. Sobald dieser, der damals auf die Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland bedacht war, sich für die Gleichstellung der Juden geneigt zeigen sollte, so war nicht daran zu zweifeln, daß Friedrich Wilhelm III. und Kaiser Franz wenigstens eine gute Miene dazu machen würden.

Way ging von dem Gedanken aus, daß die Juden eine königliche Nation seien und auch im Exile und in den Drangsalen ihres tragischen Geschichtsganges nicht aufgehört hätten, es zu sein56. In diesem Volke liege der Schlüssel zur Geschichte des ganzen Erdkreises. Die göttliche Gnade, die sie früher geleitet habe, walte noch über ihnen in der Verbannung und der Fremde. Die Verheißungen, welche die Propheten für den israelitischen Stamm ausgesprochen hätten, würden nicht zur Erde fallen; er werde noch einmal in dem heiligen Lande seiner Väter versammelt werden. Alle Völker der Erde, welche durch die Juden das Heil empfangen hätten, müßten aus Pflicht der Dankbarkeit ihnen [331] die größten Ehren und ungemessene Wohltaten erweisen und erst recht das Schuldbewußtsein tilgen, daß sie dieses gottbegnadete Volk so grausig verfolgt hätten. Für ihre vollständige Befreiung sei gerade der gegenwärtige Augenblick höchst günstig. Es spreche dafür das Wort Gottes, die öffentliche Meinung und die Erfahrung der Vergangenheit. Ihre Gleichstellung in Frankreich und Holland habe diesen Ländern keinerlei Schaden gebracht. Es hätten sich allerdings in einigen Ländern fanatische und engherzige Schreier gegen die Emanzipation der Juden vernehmen lassen; aber diese bildeten ebenso wenig die öffentliche Meinung, als das wütende Geschrei einiger amerikanischen Pflanzer gegen die Unterdrückung der Sklaverei57. Daß gerade in Polen so viele Hunderttausende von Juden angehäuft seien, das sei ganz besonders ein Fingerzeig der göttlichen Vorsehung, daß sie durch diese Söhne Abrahams unter dem Schutze eines fürstlichen, majestätischen Triumvirats die Erfüllung der Verheißung an die Erzväter vorbereiten wolle. Von da, vom Norden aus, müsse ihre Wiederherstellung beginnen. Solches bedeute der Ruf der göttlichen Stimme im Propheten Jesaia: »O Norden, gib heraus, und Süden halte nicht zurück«58. Wenn Way auch ein Schwärmer war und die Notwendigkeit der Emanzipation mystisch aus prophetischen und apokalyptischen Versen beweisen wollte, so war er doch auch praktischer Engländer genug, um den Majestäten vorrechnen zu können, welchen Nutzen die emanzipierten Juden den Staaten bringen würden. Anderseits gab er zu, daß manches Unzukömmliche, unangenehm Störende von den Juden durch Schulbildung und Gesetzgebung entfernt werden müsse. Aber das Grundwesen der Juden, ihre nationale Eigenart, das sei ein heiliges Gut, das nicht angetastet werden dürfe. Es sei das unsichtbare Band, welches die Vergangenheit des israelitischen Volkes mit dessen Zu kunft, ja die Vergangenheit des Menschengeschlechts mit der Zukunft verknüpfe; die Erfüllung der Zeiten hänge von Israel ab.

Diese zugleich mystische und vernünftige Denkschrift überreichte Way dem Kaiser von Rußland, und sie muß einen Eindruck auf ihn gemacht haben; denn er übergab sie seinen Bevollmächtigten Nesselrode und Capo d'Istrias mit dem Auftrage, sie und die Emanzipation der Juden zum Gegenstand der Kongreßberatung zu machen. Aus Rücksicht auf Alexander, der damals Tonangeber in Europa war, mußten die Bevollmächtigten, wenn auch zum Scheine, darauf eingehen. [332] Sie gaben hiernach zu Protokoll (21. Nov. 1818), daß sie zwar nicht in alle Gesichtspunkte des Verfassers der Denkschrift eingehen könnten, daß sie aber der Richtung und dem lobenswerten Ziele seiner Vorschläge Gerechtigkeit widerfahren lassen müßten. Die Bevollmächtigten von Österreich und Preußen (Metternich, Hardenberg und Bernstorff) erklärten sich bereit, »über den Stand der Frage in beiden Monarchien jede Aufklärung zu geben, welche zur Lösung eines Problems dienen könne, das zugleich für den Staatsmann und den Menschenfreund wichtig sei«. Es war weiter nichts als eine höfliche Redensart. Die Kongreßmitglieder hatten ihre Köpfe weit eher von Plänen voll, die Freiheit Europas zu unterdrücken, als sie, sei es auch nur in einem einzigen Beispiele, zu er weitern. – Noch eine andere Stimme richtete begeisterte Worte zugunsten der deutschen und polnischen Juden an den Kongreß von Aachen. Michael Berr, wie sein Vater unermüdlich für die Erhebung seiner Stammesgenossen tätig, ließ den Strom seiner Beredsamkeit für diese gerechte Sache fließen: »In Karls des Großen Lieblingsstadt werden die Monarchen endlich entscheiden über die politische Existenz meiner Glaubensgenossen in Deutschland, von denen viele in mehreren Teilen dieses Landes noch unter dem Drucke der schimpflichsten Auszeichnungen seufzen ... Die Ehre Deutschlands, die Ehre des Zeitalters und die der Monarchen, von denen Europa sich so große Wohltaten verspricht, fordern laut die Wiedereinsetzung der Juden in die bürgerlichen und politischen Rechte; sie sind mit Recht über Gesetze empört, die hier und da noch zum Nachteil der Juden vorhanden sind«59. Die italienischen Juden taten sich ebenfalls zusammen, um ein Gesuch an den Kongreß von Aachen wegen Abstellung ihrer Bedrückung und Quälereien zu richten. Sie haben aber durch das Unterbleiben desselben nichts verloren. Die Zeit war bereits vorüber, wo Fürsten und Staatsmänner, Weise und Volksmänner sich »die Verbesserung der Lage der Israeliten«, wie es lautete, angelegen sein ließen.

In Deutschland, dem Lande der Mitte, nahm der Widerwille gegen die Juden ohne Grund und Veranlassung immermehr zu. Jüdische Prediger feierten in der Synagoge die Völkerschlacht von Leipzig (18. Oktober 1818) in patriotischem Hochtone. Das alles war den Deutschtümlern kein Beweis von Vaterlandsliebe. Der Judenhaß nahm vielmehr einen so heftigen Charakter an, daß ein halbwohlmeinender [333] Schriftsteller (März 1819) den baldigen Ausbruch pöbelhafter Angriffe auf Gut und Leben vorausverkünden konnte. »Eine Stimmung verbreitet sich, welche Bürger ein und desselben Staates als feindliche Prinzipe einander gegenüberstellt und Faktionen in seinem Innern erzeugt, die sich jeden Moment blutig bedrohen. Ein Haß wird rege, wie er kaum in den düsteren Zeiten des Mittelalters geherrscht haben mag und uns Erscheinungen ahnen läßt, die mit dem Geiste der Humanität und des inneren Friedens im Widerspruche stehen«60. Rahel von Varnhagen prophezeite, eine düstere Kassandra, in derselben Zeit einen Judensturm61.

Die Gemüter waren damals in Deutschland durch die Ermordung Kotzebues in Mannheim von der Hand des christlich-romantisch überspannten Studenten Karl Sand (23. März 1819) und durch die Gewaltmaßregeln der Regierungen gegen demagogische Umtriebe und Deutschtümelei, die sie früher selbst genährt hatten, sehr erregt. Die Deutschtümler lechzten nach einem Opfer, um an ihm ihre Rache zu kühlen, und da sie den Staatslenkern, den Metternichs, Gentz', Kamptz', die täglich neue Verfolgungen gegen sie ersannen, nicht beikommen konnten, so wurden die hilflosen Juden dazu ausersehen. Eine Reihe brutaler Wutausbrüche, welche den niedrigen Bildungsgrad der mittleren Volksklassen in Deutschland in der damaligen Zeit bezeichnen, erfolgte mehrere Monate hintereinander. Mit dem Hep-Hep-Geschrei gegen Juden tauchte das Mittelalter in seiner grausigsten Gestalt wieder auf; es wurde von der Studentenschaft und dem Kaufmannsstande wieder aufgefrischt.

Den Reigen eröffnete die Stadt Würzburg. Ein neuer Professor wurde (2. August) von der Studentenschaft feierlich eingeholt, und viel Volk hatte sich angeschlossen. Plötzlich wurde ein alter Professor Brendel bemerkt, der kurz vorher zugunsten der Juden geschrieben hatte. Es hieß, er habe dafür von ihnen eine Dose voll Dukaten bekommen. Bei seinem Anblicke erscholl aus dem Munde der Studenten der unsinnige Ruf »Hep-Hep!« mit dem pöbelhaften Zusatz »Jud' verreck!« Im studentischen Kauderwelsch sollte das damals zuerst aufgekommene Wort bedeuten: »Jerusalem ist verloren« (Hierosolyma est perdita!). Brendel wurde verfolgt und mußte sich retten. Den Tumult benutzten brotneidische Kaufleute, welche erbittert darüber waren, daß jüdische Konkurrenten den Kaffee um einige Kreuzer [334] billiger verkauften, und einige an dere, welche etwas gegen einen geadelten jüdischen Kapitalisten Hirsch hatten. Eine leidenschaftliche Wut bemächtigte sich der Bevölkerung. Sie erbrach die Kaufläden der Juden und warf die Waren auf die Straße. Und als die Angegriffenen sich zur Wehr setzten und mit Steinen warfen, steigerte sich die Erbitterung bis zur Raserei. Es entstand eine förmliche Judenschlacht wie im Mittelalter, es kamen Verwundungen vor, mehrere Personen wurden getötet. Etwa vierzig Bürger hatten sich an diesem Judensturm beteiligt. Militär mußte zur Dämpfung der Erbitterung herbeigeholt werden, sonst wären die Juden niedergemetzelt worden. Tags darauf stellte die Bürgerschaft die Forderung an die städtische Behörde, daß die Juden Würzburg verlassen sollten. Und sie mußte sich fügen. Mit Trauer verließen etwa vierhundert Juden jeden Alters die Stadt und lagerten mehrere Tage in den Dörfern unter Zelten, einer trüben Zukunft entgegensehend. – Ähnliche Szenen wiederholten sich bald in Bamberg und in fast allen Städten Frankens. Wo sich ein Jude blicken ließ, wurde er mit dem Schimpfnamen »Hep-Hep«, »Jud' verreck« angebrüllt und mißhandelt.

Für Frankfurt war diese Judenhetze in Franken ein Fingerzeig, wie die Verhaßten gedemütigt werden könnten, sie, die gewagt hatten, einen Prozeß gegen den Senat zu führen, und die einige Beschützer beim Bundestage hatten. So wiederholte sich hier (9.–10. August) ein Krawall; er begann mit dem Hep-Hep-Ruf und mit Zerstören der Fensterscheiben an jüdischen Häusern und steigerte sich zu der Rohheit, alle Juden mit Hohn und Mißhandlung von den Promenaden zu verjagen. Handwerker, Tagelöhner, Ladendiener, von ihren Brotherren heimlich ermutigt, machten, wie zwei Jahrhunderte vorher, zur Zeit Vincenz Fettmilchs, zerstörende Angriffe auf jüdische Häuser. Ganz besonders war es auf Rothschilds Haus abgesehen, dessen Reichtum und Bedeutung in politischen Kreisen den christlichen Patriziern ein Dorn im Auge war. In Paris erschienen zur selben Zeit auf einem von James Rothschild veranstalteten Balle sämtliche Gesandte und diplomatischen Vertreter, und in Deutschland behandelte man die Rothschilds noch wie Trödeljuden. Mehrere vermögende Juden verließen das judenmörderische Frankfurt. Dieser zur Wut gesteigerte Judensturm in Frankfurt, dem Sitze des Bundestages, war den Gesandten nicht gleichgültig. In Rothschilds Koffer waren Gelder des Bundestages zur Sicherheit niedergelegt. Der Vorsitzende, Graf v. Buol-Schauenstein, berief daher eine Konferenz der Mitglieder zur Beratung, und es wurde beschlossen, Bundestruppen aus [335] Mainz zu berufen, da der Stadtmiliz nicht zu trauen sei. Stafetten flogen nach allen Seiten hin. Dadurch machte die Frankfurter Judenhetze in ganz Europa großes Aufsehen. Die Aufregung gegen die Juden dauerte indessen trotz der herbeigezogenen Truppen noch immer fort. Mehrere derselben verkauften daher ihre Häuser, und selbst die Rothschilds trauten dem Frieden nicht und dachten ernstlich daran, Frankfurt den Rücken zu kehren. Sie hätten nach Frankreich oder England übersiedeln müssen; denn in Deutschland waren sie damals nirgends ganz sicher.

Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die Nachrichten dieser Judenschlacht in Deutschland, als hätte die Bevölkerung überall nur auf ein Zeichen gewartet, um loszubrechen. In Darmstadt und Bayreuth wiederholten sich (12. August) die Stürme. Aus Meiningen wurden die wenigen Juden vertrieben. In Karlsruhe fand man eines Morgens (18. August) an der Synagoge und an den Häusern angesehener Juden einen Zettel angeheftet mit den Worten »Tod und Verderben den Juden!« Hier war es der Hofbankier Haber, dessen Reichtum die Bevölkerung zur Wut stachelte. Ein Offizier beschimpfte einen geachteten jüdischen Lehrer am Lyceum öffentlich. Die Hamburger folgten nach (21.–24. August). Die Juden wurden aus den Kaffeehäusern und von der Post mit Hohn und Beleidigungen verjagt, die Fenster ihrer Häuser wurden eingeschlagen. Da sie sich hin und wieder zur Wehr setzten, so bedeutete sie der Senat drohend, sie sollten bei Strafe sich jeder Gelegenheit zum Streit enthalten. In Düsseldorf fand man (28. August) die Haustüren mehrerer jüdischer Häuser durch schwarze Striche und drohende Zettel bezeichnet. Im Badischen, wo Sand die deutschtümelnde Narrheit mit einem Mord besiegelt hatte und die Aufregung der Gemüter noch fortdauerte, war die Erbitterung gegen die Juden so groß, daß kein Jude sich auf den Straßen blicken lassen konnte, ohne beschimpft oder mißhandelt zu werden. In Heidelberg kam es (Anfang Sept.) zu einem Tumulte infolge eines pöbelhaften Auftrittes, der den ritterlichen Charakter der Deutschen in ein wunderliches Licht setzt. Ein Bürger hatte ein jüdisches Mädchen mißhandelt und war von der Polizei verhaftet worden. Alsbald erhob sich fast die ganze Bevölkerung, um den Helden zu befreien und die jüdischen Häuser zu zerstören. Die Hep-Hep-Rufe erschollen in den Straßen; Äxte, Brecheisen, Werkzeuge aller Art wurden wie zu einer Erstürmung zusammengebracht. Die Bürgergarde, welche die Anstürmenden auseinandertreiben sollte, versagte ihren Dienst. Der Stadtdirektor Pfizer, statt den Verfolgten beizustehen. [336] unterstützte die Verfolger. Es wäre Blut vergossen worden, wenn nicht die Heidelberger Studentenschaft, vielleicht durch Berührung mit Frankreich menschlicher gestimmt, angeführt von zwei Professoren, Daub und Thibaut, die Wehrlosen mit eigener Gefahr geschützt hätte. Erst als die bewaffnete Macht einschritt, Patrouillen das ganze badische Land durchschweiften, und jedes Städtchen und jedes Dorf für Angriffe einzelner aus ihrer Mitte auf die Juden verantwortlich gemacht wurde, legte sich allmählich der Judensturm; aber der Haß wurde dadurch nur noch ingrimmiger.

Aus Deutschland flog der Funke des Judenhasses sogar in die Hauptstadt des dänischen Staates, der einige Jahre vorher den Juden das Bürgerrecht erteilt und es nicht wieder zurückgenommen hatte. Die Veranlassung dazu war, daß flüchtige jüdische Kaufleute aus Hamburg sich in Kopenhagen niederließen und andere ihnen nachzufolgen ermutigten. Deswegen regte sich der Brotneid, möglicherweise von deutschen Kaufleuten aufgestachelt. Hier erhob sich indes (Sept.) nur der Pöbel, begann mit Steinwürfen gegen Juden und endete mit Tätlichkeiten und Verwundungen. Die Regierung mußte das Standrecht verkünden. Die Bürger standen dagegen in den wenigen Städten, wo Juden wohnten, diesen bei, und die Prediger verkündeten von den Kanzeln Duldung und Liebe gegen sie. In Deutschland blieben die Diener der Religion beim Anblick der Roheiten stumm oder sahen ihnen gar schadenfroh zu. Angriffe auf Juden hatten sich von Würzburg aus südwärts bis Karlsruhe und nordwärts bis Danzig erstreckt; am häufigsten jedoch waren sie in Bayern und Baden, wo der Judenfresser Fries gewühlt hatte. Damit kein Zug von den mittelalterlichen Judenhetzen fehlen sollte, wurde in einem kleinen bayrischen Orte eine Synagoge gestürmt, und die Gesetzrollen wurden in roher Weise zerrissen. Auch da, wo sich die Faust nicht ballen konnte, donnerte der Mund in kleinen und großen Städten jedem Juden ein Hep-Hep zur Belustigung der Zuschauer entgegen62. Die polizeiliche [337] oder soldatische Mannschaft, welche gegen die Stürmer und Schreier einschritt, nahm im Stillen Partei gegen die Juden, und die Regierungen, welche sie schützten, taten es mehr aus Furcht, weil sie hinter dem Judensturme demagogische Umtriebe argwöhnten. Später beriefen sie sich auf diese Gewaltausbrüche, als auf den Volkswillen oder Unwillen gegen die Juden, um ihnen die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte vorzuenthalten.

Die höchste Blüte des deutschtümelnden Judenhasses bildet die in der Zeit der Aufregung erschienene Brandschrift »Der Judenspiegel« (Nov. 1819). Hartwig Hundt, ein Mann von abenteuerlicher Existenz, der, weil er bei einem adeligen Polen Radowsky Hauslehrer war, sich den Adelstitel v. Hundt-Radowsky beilegte und gegen den Adel schrieb, weil er in dessen Reihen nicht zugelassen wurde, forderte geradezu auf, die Juden totzuschlagen. Wahrscheinlich hatten sie sein Raubrittertum nicht nach seiner Erwartung befriedigt. Er nannte sich bescheiden Grattenauer den Zweiten, übertraf aber sämtliche Judenfeinde, welche seit der Erfindung der Buchdruckerkunst von Pfefferkorn, Ortuin Gratius und Dr. Martin Luther an bis auf Rühs, Fries und die Frankfurter Judenfresser, die Demütigung oder Vertilgung der Juden als Herzensangelegenheit behandelt haben. Hundt-Radowsky machte sehr löbliche Vorschläge, welche, wie er sich schmeichelte, die Hep-Hep-Männer befriedigen würden. »Obgleich ich meines Ortes die Tötung eines Juden weder für eine Sünde, noch für ein Verbrechen halte, sondern bloß für ein Polizeivergehen, so werde ich doch nie raten, sie, wie es mir jetzt im andern Falle Mode zu werden scheint, ungehört zu verdammen und zu bestrafen.« Was denn? Seine Ratschläge waren: »Man verkaufe Israels Kinder an die Engländer, welche sie statt der Schwarzen in ihren indischen Pflanzungen gebrauchen können. Damit sie sich nicht vermehren, sollte man die Männer entmannen und ihre Weiber und Töchter in Schandhäusern unterbringen. Am besten werde es jedoch sein, man reinigte das Land ganz von dem Ungeziefer, indem man sie entweder ganz vertilge oder sie, wie Pharao, die Meininger, Würzburger und Frankfurter es gemacht haben, zum Lande hinausjage.« [338] Selbstverständlich ließ er an den Juden von den ältesten Zeiten an bis auf seine Zeitgenossen kein gutes Haar. Sie seien sämtlich verworfen, »selbst ihre Dichter seien Betrüger und hätten einen kurzen Fuß statt eines langen.« Der Hep-Hep-Sturm und Hundt-Radowskys Mordpredigten waren die giftige Frucht der Saaten, welche Fichte und Schleiermacher ausgestreut hatten; sie sind schnell und voll genug aufgegangen.

Diese Brandschrift des sogenannten v. Hundt-Radowsky, in der jedes Wort eine Scheußlichkeit ist, wurde von der deutschen Lesewelt gieriger verschlungen als seine schlechten Romane. Erst auf Antrag der Juden wurde sie hier und da von der durch die Karlsbader Beschlüsse allmächtigen Zensur verboten und konfisziert63. In Portugal wurde um dieselbe Zeit bei den Cortes ein Antrag eingebracht, die ausgestoßenen Juden wieder zuzulassen und das an ihnen begangene Verbrechen zu sühnen, und in Deutschland rechtfertigten Schriftsteller und Staatsmänner dieses Verbrechen und wünschten, daß es im neunzehnten Jahrhundert wiederholt würde! Hundt stand nicht vereinzelt da mit seinen Vorschlägen zur Vertilgung der Juden, er hatte Gesinnungsgenossen. Ein Deutschtümler aus Frankfurt, der sich der Weiß-Becker nannte, beleuchtete in derselben Zeit (1819) »Das Leben, Dichten und Trachten der Juden«, angeblich nach dem Richterspruch der Vernunft, in Wahrheit aber nach den Eingebungen des blindesten, leidenschaftlichsten Hasses. Wer will alle diese judenfeindlichen, aufregenden Schriften gegen die Juden aus den Jahren des Hep-Hep-Sturmes aufzählen? Bei Besprechung der Tagesfragen, mochten sie auch noch so fern von dem Verhältnis zu den Juden liegen, wurden diese herbeigezogen, um sie zu besudeln. Verherrlichten sie Sand und seine Mordtat an Kotzebue und rühmten sie dessen christliches, religiöses Gefühl, so verfehlten sie nicht, hinzuzufügen, daß »der christliche Haß den Tag des Gerichtes über die Juden, die privilegierten Spießgesellen der Plusmacherei«, herbeirufen würde, auch »wenn kein Schriftsteller je einen Buchstaben zum Nachteile der Juden der Presse« anvertraut hätte64.

Lord Byron, der Schöpfer einer neuen Poesie, der ihr Wahrheit und Tiefe verliehen und aus dem Abgrunde des Herzens dämonische Mächte hervorgezaubert hat, hatte auch dem tragischen Schmerze der Juden die rührende Sprache gegeben. In glücklicher Nachahmung der [339] Psalmen sang er in süß-wehmütigen Akkorden hebräische Lieder (Hebrew Melodies) und wußte die tausendjährige, schnöde Pein in sanfte Tränen aufzulösen. Man glaubt Jehuda Halevis klagende Zioniden zu hören, wie er an den heiligen Gräbern den alten Glanz von Israels Vergangenheit hervorzauberte, um das Weh der Gegenwart doppelt schmerzlich empfinden zu lassen. Lord Byron feierte Davids heilige Harfe und ihre Zauberkraft:


»Sie sänftigte Menschen, hart wie Erz,

Hauchte ihnen niegekannte Wehmut ein,

Kein Ohr so stumpf, so roh kein Herz,

Das nicht erglüht von diesen Tönen.«


Byron beschwor den hehren Schatten des Heldenkönigs Saul und des düstern Propheten Samuel herauf, beleuchtete mit seiner Dichterflamme die Trümmer des Tempels, den Titus angezündet, und den letzten schmerzlichen Blick, den die gefesselten jüdischen Helden auf sie warfen, die künftigen Leiden im düsteren Gemüte ahnend:


»Ich blickte auf Tempel und Vaterhaus noch

Und vergaß eine Weile Knechtschaft und Joch.

Doch ich sah nur in Flammen den Tempel verzehrt,

Und Fesseln, den Händen die Rache verwehrt, . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wie zerstreut und verachtet dein Volk auch mag sein,

Wir verehren, o Vater, doch dich nur allein.«


Würdig eines trauernden Psalmendichters ist die Klage um das tiefe Weh der tausendfach Verfolgten:


»Beweint sie, die geweint an Babels Strome,

Ihr Reich ein Traum, in Trümmer ihre Dome.

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wo wäscht das Blut sich Juda von den Füßen?

Wann soll Gesang von Zion wieder grüßen?

Ihr Stämme mit dem Wanderstab, ihr müden,

Wohin könnt fliehen ihr und finden Frieden?

Die Taube hat ihr Nest, der Fuchs die Kluft,

Der Mensch die Heimat, Israel nur die Gruft.«


Byron wußte sich in die Tiefen der jüdischen Empfindung zu versenken und ihr Leid wie ihre Treue mit wenigen Strichen zu verlebendigen:


»O, wäre so falsch ich, wie du geglaubt,

Nimmer wär' der Heimat ich jetzo beraubt;

Nur Abfall von Gott, und der Fluch wär' geschwächt,

Die einzige Schuld, welche trägt mein Geschlecht ...

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .


[340] Ich gäb' für den Glauben – du hast nicht so viel,

Gott weiß es, er, dem dein Glücksstand gefiel,

Mein Herz und mein Hoffen hat er in der Hand,

Gern laß' ich für ihn dir mein Leben, mein Land65.


Ein Berliner Priester aus Schleiermachers Schule, Franz Theremin, ergriffen von diesen schmerzlichen Tönen der hebräischen Lieder, übertrug sie (1820) – allerdings abgeschwächt und plump – für deutsche Leser, hielt es aber der öffentlichen Meinung gegenüber für nötig, sich zu entschuldigen und zu beteuern, daß er sich dadurch nicht der Teilnahme für die Juden hoffe verdächtig gemacht zu haben. Damit sich noch nicht begnügend, sprach Theremin den Juden überhaupt jede Empfindung für ihren nationalen Schmerz ab: »Sie leben in einer so beispiellosen Dumpfheit, daß sie das Schreckliche ihres Schicksals nicht fühlen und es sich am Orte ihrer Verbannung, bei den fremden Nationen, von deren Mark sie zehren, ganz wohl sein lassen«66. Gewiß die Juden von Würzburg, Bamberg, Meiningen, die im Angesicht des neunzehnten Jahrhunderts hinausgejagt worden waren, die Juden von Frankfurt, von Hamburg, von ganz Deutschland, die jeden Augenblick eines Steinhagels mit Hep-Hep-Gebrüll gewärtig waren, sie ließen es sich ganz wohl sein und empfanden nichts! Theremin, der Lehrer der christlichen Religion, Savigny, Eichhorn, Klüber, die Lehrer der Rechte, und Rühs, der Lehrer der Geschichte, sie führten dieselbe Sprache wie der verworfene Hundt, so oft von Juden die Rede war. Selbst ein Staatsrechtslehrer in Göttingen, wie Georg Sartorius, von dem Heine sang:


»In unsrer Zeit der Selbstsucht und der Roheit

Erquickt ein solches Bild von edler Hoheit,«


empfand gegen die Juden nur Härte. Sartorius erkannte zwar an, daß etwas Großes darin läge, daß das israelitische Volk trotz allen Unglücks noch bestehe. »Vor ihrem Gesetzgeber müssen die neuen Verfassungskünstler sich verbergen. Noch feiern sie ihre Geschichte und betrauern die Tage des Verlustes ihrer Selbständigkeit. In ihren Familienverhältnissen herrscht das Patriarchalische vor. Ehebruch und Ungehorsam der Kinder gegen ihre Erzeuger sind selten bei ihnen. Sie sind als Trümmer einer großen Vergangenheit da, in vielen Beziehungen ehrwürdig, in der Geschichte unvergeßlich.« Aber beschränkt [341] sollen sie doch bleiben; ihre Gleichstellung unter den Deutschen betrachtete auch Sartorius als Wahnsinn67.

So war die Hand aller gegen sie, für sie trat kein Wortführer von Gewicht und Ansehen auf, dessen Wort den Belfern, wenn auch nicht Stillschweigen, so doch Mäßigung hätte auflegen können, nicht der greise Jean Paul Friedrich Richter, obgleich er eine Vorliebe für die Juden hatte, nicht der junge Varnhagen von Ense, obwohl er Rahel zur Frau hatte, die doch mit geschmäht wurde. Nur ein einziger Schriftsteller überwand das Vorurteil und trotzte der feindseligen öffentlichen Meinung, um für die von allen Seiten geschmähten und angegriffenen Juden mit seinem Namen einzutreten, der Lustspieldichter Julius von Voß, dessen Stimme freilich keine große Tragweite hatte, dessen zerrüttete Lebensverhältnisse noch dazu den Verdacht erregten, ob nichtjüdische Freigebigkeit ihn das Wagnis begehen ließ. Von Voß selbst hatte in Lustspielen und Romanen jüdische Figuren dem Lachen preisgegeben. Aus Reue und Gewissensbissen darüber, gestand er, habe er die Lichtseiten der Juden hervorheben und sie gegen die gehäuften Hep-Hep-Schmähungen in Schutz nehmen wollen. Er sagte den Judenfressern, daß sie sich schämen müßten, 1819 zu 1419 zurückschrauben zu wollen, »daß die Urahnin aller Kulte von den indischen Mohammedanern an durch Europa hin bis zum letzten Christen in Kalifornien und von da wieder bis nach Sibirien«, überall die jüdische Religion sei. »Wollt ihr einem Plünderungssystem an reichen Israeliten den Eingang öffnen, wird des Pöbels Abschaum bald auch anderes Eigentum rauben und von Zügellosigkeit in Zügellosigkeit fallen, und nur Blutbad auf Blutbad wird die öffentliche Meinung herzustellen vermögen,« rief ihnen von Voß drohend zu. Sein Wort wurde wenig beachtet oder gar verspottet. Noch weniger Eindruck machten anonyme Schriften von diesem oder jenem Freimaurer zugunsten der Juden. Aber jedenfalls ist doch ihre Gesinnung und ihr guter Wille anzuerkennen. Schmählich benahmen sich aber die getauften Juden bei diesen Judenstürmen. Nicht einer von ihnen, außer Börne, trat für seine ehemaligen Brüder mit der Entrüstung auf, welche Gewalttätigkeit gegen Wehrlose einflößen muß. Rahel von Varnhagen, welche durch ihre vernünftelnde Christelei an den Nebelschleiern der Deutschen mitgewebt hat, schrieb zwar an ihren Bruder Ludwig Robert, welcher Zeuge des Hep-Hep-Sturmes [342] war, in ihrer Art: »Ich bin grenzenlos traurig, und in einer Art, wie ich es noch gar nicht war. Wegen der Juden. Behalten wollen sie sie; aber zum Peinigen, zum Verachten, zum »Judenmauschel« schimpfen. .... zum Fußstoß und Treppenrunterwerfen .... ... Die gleißnerische Neu-Liebe zur christlichen Religion (Gott verzeihe mir meine Sünde!), zum Mittelalter mit seiner Kunst, Dichtungen und Greueln hetzt das Volk zu dem einzigen Greuel, zu dem es sich noch, an alte Erlebnisse erinnert, aufhetzen läßt ... Es ist nicht die Tat des Volkes, das man Hep schreien lehrte. ... die Professoren Fries und Rühs, und wie sie heißen, Arnim, Brentano, »Unser Verkehr« und noch höhere Personen mit Vorurteilen.« Sie meinte, die christlichen Priester hätten vortreten müssen, um dem Volke seine Freveltaten vorzuhalten. »Ja, die Priester!«68 Aber weder Rahel, noch ihr Bruder Robert, noch ihr Gemahl Varnhagen, die doch sonst für jede Kinderei so viel Worte künstelten und eine Stimme in der öffentlichen Meinung hatten, erhoben sie gegen die Gewalttaten und gegen die Herrschaft der Unfreiheit.

Die Juden hatten zwar bereits ihre eigenen literarischen Hilfsmittel, um sich ihrer Haut zu wehren. In Deutschland allein gab es fast vierzig jüdische Schriftsteller, welche zum deutschen Publikum sprechen konnten. Zwei eigene Zeitschriften69 und auch die Tagesblätter öffneten ihnen hin und wieder ihre Spalten. Sie traten auch mutig auf den Kampfplatz, um die allzu gemeinen Anschuldigungen gegen ihre Stammesgenossen abzuwehren. Zimmern, ein junger jüdischer Rechtsgelehrter in Baden, Mose Heß, Oberlehrer der israelitischen Schule in Frankfurt und sein Kollege Jakob Weil, J. Wolff und Gotthold Salomon, beide Lehrer an der herzoglichen Franzschule in Dessau, der letztere später ein berühmter jüdischer Kanzelredner, der Arzt Saul Ascher in Berlin, der die Deutschtümelei nicht schlecht geißelte, L. L. Hellwitz in Werl, Elkan Henle und andere. Der alte J. Sabbataï Wolff »ein Greis, für den es wenig Erfreuliches auf der Welt mehr gibt«, beschwor die Regenten der Erde um Erbarmen, daß sie verhüten möchten, daß [343] ferner so unverantwortlich und ungerecht gegen die Juden verfahren werde. Auch der greise David Friedländer erhob abermals seine Stimme, gebärdete sich aber possierlich, schlug die Hände zusammen ob der Judenfresser und ob der Verfolgung der Juden in Deutschland im neunzehnten Jahrhundert und konnte nicht begreifen, er, der das Christentum und den Staat für Ideale hielt, daß diese Götter so viel Unflat um sich werfen könnten. Er wendete sich an die Gräfin von der Recke und erinnerte sie an die Zeit, in welcher hochgestellte Christen mit Juden harmlos verkehrten und sich aneinander bildeten, – es klang wie ein verschollenes Märchen aus grauer Vorzeit. Aber alle die jüdischen Kämpfer warfen nur leichte Kügelchen und konnten die dicke Panzerhaut des deutschen Vorurteils gegen die Juden kaum streifen. – Dazu gehörten scharfspitzige und wuchtige Harpunen. Da erweckte ihnen der Lenker der Geschichte, der die Juden auch diesmal nicht verließ, zwei Racheengel, welche die Deutschen mit feurigen Ruten peitschten, sie aus ihrer erträumten Höhe herabstürzten und ihre Armseligkeit schonungslos aufdeckten. Diese Racheengel, welche den Deutschen mehr Segen brachten als ihre Schutzengel, waren Ludwig Börne und Heinrich Heine.


Fußnoten

1 Die Tatsache von der Beteiligung jüdischer Freiwilliger am Befreiungskriege wurde und wird noch von den Fälschern der Geschichte und den Judenfressern quand même öfter abgeleugnet. Es ist daher notwendig, die authentischen Berichte darüber zusammenzustellen. Hardenberg schrieb 4. Januar 1815: »Die jungen Männer jüdischen Glaubens sind die Waffengefährten ihrer christlichen Mitbürger gewesen, und wir haben auch unter ihnen Beispiele des wahren Heldenmutes und der rühmlichen Verachtung der Kriegsgefahren aufzuweisen, sowie die übrigen jüdischen Einwohner (Berlins), namentlich auch die Frauen, in Aufopferungen jeder Art den Christen sich angeschlossen haben« (bei Klüber, Aktenstücke des Wiener Kongresses I, 476, auch bei C. Aug. Buchholz, Aktenstücke, und in andern [Sulamit IV, Bd. 1, S. 367 f.] Quellen). Major Burg, Geschichte meines Dienstlebens (Berlin 1854), gibt ein getreues Bild des Enthusiasmus der jüdischen Jünglinge, unter die Freiwilligen zu treten, und wie es ihn schmerzte, daß er den Feldzug nicht mitmachen konnte. Julius von Voß, Die Hep-Heps in Franken, S. 26: »Wenn in jener Zeit (1813) die reichsten (jüdischen) Wechsler zu Berlin ihre Söhne unter die Waffen stellten – nicht etwa suchten sie mit Geld sich dessen zu entheben, wie ihre Frauen zu den Vereinen traten, den verwundeten Kriegern Hilfe brachten, die Spitäler täglich besuchten, worin der ansteckende Typhus herrschte.« – In ihrer Petition an Stein erinnerten die Frankfurter Juden ihn daran, daß ihre Söhne gemeinschaftlich den Feind bekämpft hatten. – Rießer bemerkte in seiner Polemik gegen Paulus: »In der Marienkirche zu Lübeck sind die Namen gefallener Juden unter Christlichen zu lesen.« – Rahel schrieb an Varnhagen (20. April 1813): »Die Juden geben, was sie nur besitzen, an die wandte ich mein Geschrei zuerst.« Viel besprochen wurde damals der Todesmut des jüdischen Freiwilligen Hilsbach aus Breslau, der unter den Augen des Königs, mit Wunden bedeckt, sich den Feinden entgegenwarf (Lips, Staatsbürgerrecht der Juden, S. 152, Note), und die liebevolle, mit großen Opfern verbundene Behandlung des jüdischen Hospitalverpflegers S. L. Sondheimer aus Mannheim an zahlreichen Verwundeten. (Joh. Ludw. Ewald, Ideen über die nötige Organisation der Israeliten, S. 140.)


2 Börne, Für die Juden, ges. Schriften, II, S. 390.


3 Aktenmäßige Darstell. des Bürgerrechts der Juden in Frankfurt a.M., Beil. S. 24-42.


4 Siehe oben S. 295.


5 Buchholz, Über d. Aufn. d. jüd. Glaubensgenossen zum Bürgerrecht, S. 7.


6 Buchholz, Aktenstücke die Verbesserung des bürgerlichen Zustandes der Juden betr., S. 79.


7 Halphen, Recueil, p. 385.


8 Gutzkow, Leben Börnes, S. 27, 30. [Vgl. über ihn auch Schnapper-Arndt in der Ztschr. f. Gesch. d. Juden in Deutschl. IV, 214.]


9 Karl August Buchholz, Über die Aufnahme der jüdischen Glaubensgenossen zum Bürgerrecht, Leipzig, 1816.


10 Dieselben waren Anselm in Frankfurt, geb. 1773; Salomon, meistens in Wien, geb. 1774; Nathan, meistens in London, geb. 1777, starb 1836; Karl, meistens in Neapel, geb. 1788, starb 1855; James in Paris, geb. 1792, starb 1868.


11 Klüber, Akten des Wiener Kongresses I, Heft 4, S. 77 f. Schreiben Hardenbergs d.d. Wien, 4. Jan. 1815; Sulamit, Jahrg. IV, Bd. 1, S. 366 f. Schreiben Metternichs an die Hansestädte d.d. Wien, 26. Jan. 1814. Das. S. 371.


12 Klüber, a.a.O. Entwurf 9 II, 305. In einem früheren von einem österreichischen Minister ausgearbeiteten Bundesverfassungs-Entwurf war bloß ein Notabene bei dem Paragraphen über die Gleichheit der bürgerlichen Rechte der drei christlichen Konfessionen angemerkt. »Wobei noch die Duldung der Juden zu erwähnen ist«, das. S. 5. Diese Tendenz der bloßen Toleranz ist also auch von Österreich zugunsten der Gleichheit aufgegeben worden.


13 Rühs' Schmähartikel wurde zuerst gedruckt in der Zeitschrift für die neueste Geschichte, Völker- und Staatenkunde 1815, besonders abgedruckt Anf. 1816. Ich zitiere nach dem Separatabdruck.


14 Rühs, Ansprüche der Juden, S. 33, 38, 39.


15 Das. S. 38.


16 Das. S. 33.


17 Einleitung zur zweiten judenfeindlichen Schrift von Rühs, Rechte des Christentums und des deutschen Volkes, S. 1.


18 Sulamit, Jahrg. IV, Bd. 2, S. 85, 287 f.


19 Hardenbergs Schreiben »aus der Preußischen Gesamtliste der in der Schlacht bei la Belle-Alliance gefallenen Krieger, daß allein von der jüdischen Konfession 55 Landwehr-Offiziere ihr Leben für König und Vaterland geopfert haben.« [Daß dieses Schreiben (Sulamit a.a.O., S. 45) von Hardenberg herrühre, ist a.a.O. nicht ersichtlich. Vgl. Brann in s. Jahrbuch zur Belehrung und Unterhaltung, Jahrg. 1897, S. 24.]


20 Klüber, Akten des Wiener Kongresses II, S. 365, Art. 14, S. 378, 440, 456, 490.


21 Klüber, Akten des Wiener Kongresses II, S. 463, vgl. S. 542.


22 Das. S. 471, 477, 502.


23 Das. S. 430.


24 Siehe Note 8.


25 Der Artikel 46 der Wiener Schlußakte lautete: Les institutions (de la ville de Fr.) seront basées sur le principe d'une parfaite égalité des droits entre les différents cultes de la réligion chrétienne.


26 Diese Auslegung des § 46 gab Hardenberg selbst, in der Beilage zur aktenmäßigen Darstellung S. 99, s. Note 8.


27 Sulamit IV, 2, S. 44.


28 S. darüber Sulamit IV, 2, S. 48. Rühs, Über die Ansprüche der Juden, S. 29; Börne, Dramaturgische Blätter, Ges. Schr. IV, S. 343. Heine, Reisebilder, Ges. Schr., S. 88. Jolowicz, Geschichte der Juden von Königsberg, S. 147.


29 Die Juden in Lübeck, S. 17.

30 Aktenstücke der Frankfurter Juden, Beil. 27, 28.


31 Gutzkow, Leben Börnes, S. 94. [Vgl. Schnapper-Arndt a.a.O., S. 219, Anm. 3.]


32 S. die Denkschrift: Aktenmäßige Darstellung usw., S. XI.


33 Vgl. oben und Schultes Annalen der Literatur und Kunst des österreichischen Staates im Septemberheft 1807.


34 Rohrer, Versuch über die Juden usw., S. 59 f.


35 Das. S. 145 f. Es wohnten in Galizien im Anfange dieses Jahrhunderts in Stanislav, Tismenitz und der Kameralherrschaft Kutti etwa 200, in Halicz 60 und in Kussißow 20 karäische Familien.


36 Jost, Geschichte der Israeliten IX, S. 156; X, 2, S. 239 und mündliche Mitteilungen, die mir von glaubwürdigen Personen gemacht wurden.


37 Klüber, Übersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Kongresses usw. S. 389 ff. 395.


38 Die Literatur ist zusammengetragen bis 1819 bei Lips, Staatsbürgerrecht der Juden, 1821, S. 14 ff., Holst, Judentum in allen dessen Teilen Anf.; Rönne und Simon a.a.O., S. 31 f. mit mancher Ungenauigkeit; Jost, Geschichte der Israeliten X, 1, S. 48.

39 Zimmern, Versuch einer Würdigung der Angriffe des Hrn. Fries, S. 4.


40 Zeitschrift, Der deutsche Bund I, 2, S. 62.


41 Ewald hat zwei Schriften zugunsten der Juden hinterlassen. »Ideen über die nötige Organisation der Israeliten in christlichen Staaten« 1816 und »Der Geist des Christentums und des echten deutschen Volkes« 1817. Auch der Historiker Schlosser schrieb eine Denkschrift zur Verteidigung der Juden, die Börne korrigieren half, Gutzkow, Leben Börnes, S. 97. Sie scheint aber nicht veröffentlicht zu sein.


42 Courier vom 18. Juni 1816.


43 Bail, les Juifs au XIX


me siècle, p. 38.


44 Das. p. 73.


45 Vgl. Bd. IX4, S. 298 f.


46 Der Titel von Rühs' zweiter Schrift vom Herbst 1816 lautet »Rechte des Christentums und des deutschen Volkes gegen die Ansprüche der Juden und ihrer Verfechter.«


47 Die Juden in Lübeck, 1816.


48 Österreichischer Beobachter, ein Regierungsblatt, vom 8. August 1816.


49 Vgl. die schöne Schilderung Isaak Erters über die Abgabenlast der galizischen Juden, הפוצה, ed. Letteris, p. 20.


50 Vgl. Jolowicz, Die Juden in Königsberg, S. 129.


51 Vgl. v. Rönne und Simon a.a.O., S. X.


52 Interessant ist die Vergleichung des ministeriellen Reskripts vom 19. Sept. 1812 mit der Kabinettsorder vom 10. Aug. 1836 bei v. Rönne und Simon S. 57 und 43.


53 Das Gutachten der Fakultät ist abgedruckt in der Gegenerklärung des Senats der Stadt Frankfurt an die Bundesversammlung. S. 79-134.

54 Israélite Français I, p. 365 f., Halphen, Recueil, p. 302 ff.


55 v. Rönne und Simon, a.a.O., S. 373.


56 Seine Schrift führte den Titel Mémoires sur l'état des Israélites, dédiées à leurs Majestés impériales et royales, réunies au congrès d'Aix-la-Chapelle, Paris 1819. Sie ist äußerst selten geworden. Mehrere, die sie zitieren, haben sie nicht gesehen. S. 17 heißt es: C'est que les Juifs non seulement pendant les captivités d'Egypte et de Babylone, mais depuis même que le sceptre est sorti de Juda, n'ont jamais cessé d'être une nation royale etc. Über Way vgl. Frankel-Grätz, Monatsschr., Jahrg. 1869, S. 234 ff.


57 Way, Mémoires, p. 63.


58 Das. p. 23 nach Jesaia Kap. 43, 6.


59 Journal de France, 20. Okt. 1818, auch abgedruckt in Sulamit V, 2, S. 275, 278.


60 Alexander Lips, Über die künftige Stellung der Juden in den deutschen Bundesstaaten, 2. Aufl., § 2, S. 20.


61 Brief an ihren Bruder Robert, vgl. weiter unten.


62 Alle Zeitungen brachten damals Nachrichten darüber, ruhig und sachgemäß die Berliner, besonders die Haude und Spenersche, am perfidesten die Augsburger Allgemeine. Jost hat dieses Faktum verkleistert. Er bemerkt X, 1, 105: »Die Erscheinung solcher Gewalttaten mitten im Frieden, betrübte alle Gutgesinnten in Deutschland ... wiewohl der Unfug nur örtlich und Folge absichtlicher Aufreizung war.« Ganz anders stellt es ein christlicher Zeitgenosse dar, der unter dem frischen Eindruck darüber geschrieben hat, Julius von Voß, Die Hep-Heps in Franken, S. 9: »Ihr da, Judenverfolgungen an einem Orte anhebend, an anderen sie nicht mißbilligend, belachend, Lust zeigend, gelegentlich auch wohl also zu tun, als ständen wir schon wieder im vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhundert.« Und im Eingange: »Und wenn es mich nun letzthin ungemein empörte, von dem zu lesen, was in Würzburg, Bamberg usw. sich zugetragen hat, geriet ich noch mehr in Erstaunen, als ich Gelegenheit fand, einige öffentliche Urteile über diese Vorgänge zu hören. Ich mußte mich besinnen, ob ich in Berlin oder in M. ...t lebte, ob wir 1819 oder 1419 schreiben.«


63 Sulamit VI, 1, S. 32. 331.


64 David Friedländer, Beitrag zur Geschichte der Judenverfolgung im 19. Jahrh. durch Schriftsteller (Berlin 1820), S. 9.


65 Hebrew Melodies, zum Teil nach der Übers. in L. A. Frankls »Libanon«.


66 Vorwort zu den hebräischen Gesängen 1820.


67 Sartorius, Über die Gefahren, welche Deutschland bedrohen, und die Mittel, ihnen mit Glück zu begegnen, Göttingen, 1820.


68 Sie, eine unselige Kassandra, wie sie sich so gerne nannte, wollte schon drei Jahre vorher immer prophezeit haben: Die Juden werden gestürmt werden. W. Freund, Judenfrage in Deutschland I, S. 181 f. Nur allzugroße Bewunderung für die Wortkünstlerin Rahel gab Moritz Veit die lästerliche Vergleichung ein, Rahel habe ihre Wahlverwandtschaft mit dem Geist der Propheten bekundet. Das. S. 183.


69 Sulamit, herausgegeben von David Fränkel seit 1806, Jedidja, herausgegeben von Heinemann seit 1817.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1900], Band 11, S. 345.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon