Vierter Karthagerkrieg und Tod Dionysios' I.

[485] Am Abend seines Lebens, während er den Spartanern Unterstützung gegen Theben leistete (o. S. 417. 422), hat Dionys noch einmal, zum viertenmal, einen Krieg gegen Karthago geführt. Den Anstoß gaben die Karthager, die den letzten Frieden (o. S. 161) nur als einen Waffenstillstand betrachtet hatten; er sollte ihnen die Möglichkeit gewähren, sich von der Epidemie zu erholen und den Aufstand in Afrika und auf Sardinien niederzuwerfen, der sie an der Ausnutzung des Sieges über Dionys gehindert hatte. Aber auch diesem mußte, nach einer längeren Epoche ungestörten Friedens, ein neuer Krieg willkommen sein, der ihm die Möglichkeit gewährte, sein Lebenswerk zu vollenden, ehe der Tod ihn ereilte. In Karthago wurde eifrig gerüstet und der Krieg durch einen Einfall in das syrakusanische Gebiet eröffnet. Darauf brach Dionys im Frühjahr 368 mit einem starken Heer, von der Flotte begleitet, in das karthagische Gebiet ein. Selinus und Entella fielen ihm zu, Eryx wurde genommen, die Belagerung von Lilybäon begonnen. Aber ein Erfolg war dem Herrscher nicht mehr beschieden. Hanno, der den Aufstand in Afrika niedergeworfen hatte, erschien mit einer starken Flotte. Einem Angriff der überlegenen feindlichen Seemacht wußte er geschickt zu entgehen; dann aber überfiel er die syrakusanische Flotte im Hafen von Eryx (Drepana) und erbeutete einen Teil der Schiffe. Dionys mußte die Belagerung von Lilybäon aufheben. Auf beiden Seiten hatte man doch nach dem dreimaligen gewaltigen Ringen den rechten Mut nicht mehr zu einem vierten entscheidenden Waffengang; zu Anfang des Winters wurde ein [485] Waffenstillstand geschlossen897. Im nächsten Frühjahr ist Dionys nach kurzer Krankheit gestorben, bald nachdem er die Kunde erhalten hatte, daß die Athener endlich seine Dichtungen gewürdigt und ihm bei den Lenäen 367 den Preis zuerkannt hatten (o. S. 431), ein Erfolg, der ihm größere Freude bereitet haben soll als mancher seiner Siege im Felde. Sein Sohn Dionysios II. hat dann mit Karthago Frieden geschlossen auf Grund des Besitzstands vor dem Kriege; die im letzten Frieden abgetretenen Gebiete blieben im Besitze Karthagos (367)898.

Dionys ist 63 Jahre alt geworden; 38 Jahre lang hat er die Herrschaft behauptet899. Wie seine Taten und seine Erfolge hat auch sein Tod auf die Zeitgenossen einen gewaltigen Eindruck gemacht; jetzt erst zeigte sich, wie fest, »mit stählernen Ketten«, seine Herrschaft gegründet war. »Nicht weniger als 400 Kriegsschiffe«, lautet die allerdings aufs stärkste übertreibende Schilderung des Timäos, »Hexeren und Penteren, 100000 Mann zu Fuß, 9000 Reiter [486] hatte der Vater dem Erben hinterlassen; dazu besaß Syrakus große Häfen und war mit einer gewaltigen Mauer geschirmt, in dem Arsenal lag das Gerät für weitere 500 Schiffe, das Zeughaus strotzte von Schilden, Schwertern, Speeren, Panzern, Beinschienen und Wurfmaschinen; in den Magazinen war eine Million Scheffel Korn aufgespeichert900.« – Dionys I. hat vier Söhne hinterlassen, von der Lokrerin Doris den Thronerben Dionysios II. und Hermokritos, von Hipparinos' Tochter Aristomache den Hipparinos und Nysaios. Für die letzteren hatte sich ihr Oheim Dion, Aristomaches Bruder, bei dem sterbenden Vater verwenden und eine Teilung der Erbschaft erreichen wollen901; aber die Ärzte hatten ihn nicht ans Totenbett gelassen. So ergriff Dionysios II. allein die Regierung. Er berief eine Volksversammlung, die ihn als den Erben der Machtstellung seines Vaters anerkannte; dann rüstete er diesem eine glänzende Leichenfeier. Ohne irgendwelche Erschütterung, wie in einer seit unvordenklicher Zeit bestehenden legitimen Monarchie vollzog sich der Übergang der Regierung auf den Nachfolger902.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 5, S. 485-487.
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