[362] Nicht besser als im Orontesgebiet und in Phoenikien sah es in Palaestina aus. Auch hier sind die Briefe voll von Klagen über Gewalttätigkeiten einzelner Dynasten, über rebellische Ortschaften, über das Vordringen und die Plünderungen der Chabiri, denen das ganze Land anheimzufallen droht, nebst Mahnungen zur Entsendung von Truppen und Besatzungen für die bedrohten Städte; dazu kommen dann, außer Angaben über die geleisteten Tribute (vor allem Sklaven und Sklavinnen) und Beförderung der nach Chanigalbat und nach Babylonien [362] gehenden Karawanen, die Versicherungen unbedingten Gehorsams gegen den König und seinen Beamten, den sie, wenn er den ersehnten Kriegszug antritt, aufnehmen und verpflegen und mit ihren Truppen unterstützen werden. Wie wüst die Zustände im Lande sind, zeigen die Beschwerden des Burnaburiaš, daß zwei an Amenophis IV. geschickte Karawanen von den ägyptischen Statthaltern ausgeplündert, babylonische Kaufleute von dem Stadtfürsten Zatatna von Akko und einem benachbarten Dynasten in dem Ort Chinaton in Galilaea ausgeplündert und umgebracht seien689; an den Pharao schreiben beide natürlich sehr loyale Briefe. Im Norden Palaestinas, wo Namjawaza (o. S. 354) die Sache des Königs vertrat690, war alles in Gärung. Der Fürst der Bergfeste Chaşor suchte in Verbindung mit den Chabiri sein Gebiet auszudehnen und hat unter anderem dem Ajab, dem Herrscher der viel weiter im Süden jenseits des Jordan gelegenen Stadt Pella, drei Ortschaften entrissen, also ein großes Gebiet zusammengebracht691. Aber auch Ajab scheint in ähnlicher Weise um sich gegriffen [363] zu haben. Noch ärger hat es weiter südlich Labaja getrieben. In Verbindung mit dem Dynasten Milkil und dessen Schwiegervater Tagi hat er im Bereich der Ebene Jezre'el den Stadtfürsten einen Ort nach dem andern entrissen, so Šunem, Burquna, Gitrimmon u.a., Sichem und sein Gebiet den Chabiri überlassen, den Biridija in Megiddo belagert, ja weiter im Süden Gazer am Rande der Küstenebene besetzt692.
Da ist der König ernstlich eingeschritten, wahrscheinlich im 11. Jahre seiner Regierung693. Die Oberleitung von Ägypten aus blieb nach wie vor in den Händen Janchams; nach Syrien aber schickte er als »Königssohn im Lande Kana'an« den Chani, Sohn der Mairia (Merire') mit dem Auftrag, den Feinden des Königs den Kopf abzuschlagen694. Gegen die durch die Aufgebote der Vasallen unterstützten ägyptischen Offiziere695 und [364] Truppen wagte man keinen Widerstand; von allen Dynasten ergingen Erklärungen des Gehorsams und der Freude über sein Eingreifen an den Pharao, so auch vom König von Chasor und von Labaja, Tagi und Milkil. Die Unterwerfung Milkils und Tagis wurde gnädig angenommen; dem Labaja dagegen haben alle Entschuldigungen nichts geholfen, auch nicht die Versicherung, er werde unweigerlich gehorchen, auch wenn der König verlangen würde, daß er ihm seine Frau abtrete oder sich den Dolch ins Herz stoße. Der König verlangte seine Überführung nach Ägypten, und als er sich dem durch Bestechung des Zurata von Akko entzog, ist er auf der Flucht erschlagen worden696. Durch Flucht hat sich auch Ajab von Pella den Kommandanten des Königs entzogen697. Das verwüstete Gebiet von Šunem wurde von Biridija von Megiddo, der an der Verfolgung Labajas eifrig teilgenommen hatte, und anderen Stadtfürsten besetzt, und jener rühmt sich, hier Bauern aus den Nachbarorten zu Frondiensten angesiedelt zu haben698.
Auf diese Erfolge geht es offenbar zurück, daß dem Pharao in Amarna nach Beendigung des Feldzugs im Januar seines 12. Jahres Gefangene und Gesandtschaften aus Syrien mit ihren Tributgaben vorgeführt werden konnten699. Die Darstellungen [365] zeigen zugleich, daß die Ausbeute nicht groß gewesen ist. So hat denn auch das Strafgericht keine dauernde Wirkung gehabt; vielmehr kommen alsbald die gleichen Klagen in noch gesteigertem Maße. Die beiden Söhne Labajas, von Rachedurst erfüllt, setzten das Treiben ihres Vaters fort700 und wurden dabei trotz aller loyalen Briefe an den Pharao durch Milkil und Tagi weiter unterstützt701. Die Chabiri aber drangen in immer größeren Scharen ein, plünderten die Ortschaften und erpreßten Kontributionen von den Städten am Rande der Küstenebene, wie Gazer, Ajalon, Şor'a, Lakiš, ja selbst von Askalon702. Die ägyptischen Gouverneure vermochten so wenig Hilfe zu bringen, daß vielmehr Addaja die von Chaja nach Jerusalem gelegte Besatzung nach Gaza, der Grenzfestung im äußersten Süden, zurückzog703; die Städte und Dynasten waren lediglich auf Selbsthilfe angewiesen. In Jerusalem suchte sich Abdchiba der Angriffe der Chabiri sowie Milkils und der Söhne Labajas zu erwehren, im Küstengebiet der Dynast Šuwardata von Kelte (Qe'îla, westlich von Jerusalem), unterstützt von Zurata von Akko und Indar'uta von Akšap. Zunächst gehn beide zusammen704; als aber die Stadt Qe'îla sich gegen ihren Herrn empörte, ist Abdchiba mit ihr in Verbindung getreten, offenbar um sie nicht in die Hände Milkils fallen zu lassen705. Dadurch geraten die beiden Fürsten, die doch dieselben Interessen vertreten, in üblicher Weise in dynastischen Gegensatz; Šuwardata, dem die Wiedereroberung der Stadt gelingt, bezeichnet den Abdchiba als einen zweiten Labaja und tritt zeitweilig mit Milkil [366] in Verbindung706. Aber ein Ort nach dem andern fällt von ihm ab, bis zu dreißig Ortschaften, und auch seinem Genossen Milkil wachsen die Chabiri so über den Kopf, daß er sich an den König gegen sie um Hilfe wendet707. Abdchiba geht es nicht besser; er ist auf Jerusalem beschränkt und bittet schließlich, wenn der König auch in diesem Jahre kein ägyptisches Heer schicken kann, ihn und die Seinen abholen zu lassen, damit er bei seinem Herrn sterben könne708. Mehrere Dynasten sind erschlagen709, der König wird bald keine Stadtfürsten mehr haben. Auch der äußerste Süden ist von den Chabiri überschwemmt710, »alle Städte des Landes Gari, wie Udumu (Duma Jos. 15, 52), Araru ('Aro'er), Chinianabi ('En'anab Jos. 11, 21. 15, 50), Magdalim u.a.«, also die Ortschaften der Abdachung des Gebirges Juda südlich vom Hebron, »sind feindlich«711. Immer wieder heißt es in den Briefen, daß wenn nicht schleunigst ein Heer geschickt wird, alles Land des Königs an die Chabiri verloren geht712. Schließlich hat dieser den dringenden Bitten nachgegeben, Jancham zu entsenden, auf den man Vertrauen hat. Er ist auch in Palaestina eingetroffen713. Aber viel hat offenbar auch er nicht ausrichten können; vielmehr ist in den letzten Jahren Amenophis' IV. die ägyptische Herrschaft hier in vollster Auflösung begriffen.