Freimaurerei

[231] Freimaurerei. Der Name Freimaurer stammt aus dem Englischen, in welcher Sprache freemason derjenige heisst, der den free stone, den freistehenden oder den Quaderstein bearbeitete, also der Steinmetz, gegenüber dem rough mason, der den rough stone, den rohen oder den Bruchstein bearbeitete, oder dem Maurer. Die freemasons bildeten aber in England nicht wie in Deutschland geschlossene Brüderschaften, sondern sie standen nur als das hervorragendste Glied in der grösseren Genossenschaft der Masonen oder Bauhandwerker. Das hauptsächlichste Ziel der gemeinsamen Bestrebungen und Versammlungen der Masonen war die Verbesserung ihrer materiellen Lage. Die Handwerksgebräuche, Zeichen und Griffe standen unter dem Siegel des Geheimnisses. Ihre einzige Wissenschaft war die Baukunst, von ihnen Geometrie genannt. Die älteste bekannt gewordene Konstitution ist zwischen 1429 und 1445 geschrieben. Wie die deutschen Bauhütten, erlagen im 16. Jahrhundert die englischen Masonen einem allmählichen Siechtum. Als dann im Beginn des 17. Jahrhunderts der italienische Baustil in England unter den höheren Ständen Aufnahme und Pflege[231] fand und es notwendig war, die Baugewerke in die Erfordernisse des neuen Stiles erst einzuführen, so liessen sich vornehme und reiche Bauliebhaber förmlich in die Zunft der Masonen aufnehmen. Dennoch fielen die Bauhütten oder Logen, nach ital. loggia, franz. logis, engl. lodge, bald wieder in tiefen Verfall, und erst im Jahr 1716 entwickelte sich aus dem Institute ein neues Leben, das Freimaurertum.

In diesem Jahre vereinigten sich nämlich die vier noch allein in Südengland bestehenden Londoner Logen zu einer gemeinsamen Vereinigung, Grossloge genannt, die unter einem Grossmeister stand. Die Grundlagen der Verfassung, der Handwerksgebrauch und das Siegel der Verschwiegenheit wurden beibehalten, im Übrigen aber der Vereinigung ein wesentlich humanes Ziel gegeben. Die Maurer verpflichteten sich zu derjenigen Religion, in welcher alle Menschen übereinstimmen, und belassen ihnen selbst ihre besonderen Meinungen. Geboten wird der Gehorsam unter die bürgerliche Gewalt, und die Revolution verabscheut, doch dass um der letzteren willen kein Bruder aus der Loge verbannt sein soll. Alle Dispute über Religion oder Politik werden aus der Loge verwiesen und die brüderliche Liebe als die Grundlage und der Grundstein, der Kitt und der Ruhm dieser alten Brüderschaft bezeichnet und treuer, brüderlicher Beistand empfohlen. Die hervorragendsten Stifter des Bundes waren Johann Theophilus Desaguiliers, aus einer geflüchteten französischen Hugenottenfamilie abstammend, Doktor der Rechte und als berühmter Physiker Mitglied der königlichen Sozietät, und Jakob Andersohn, ein anglikanischer Prediger.

Es ist kein Zweifel, dass die Gesellschaft der Freimaurer ihre Entstehung und sehr schnelle Verbreitung dem durch den Deïsmus in England verbreiteten Streben nach einer Überbrückung des konfessionellreligiösen Zwiespaltes verdankt, dem Suchen nach einer natürlichen, auf Tugend und Menschlichkeit gebauten Religion. Die Stifter waren aber selbst keine Deïsten, und die Anlehnung der Gesellschaft an den hohen und höchsten Adel und das Verbot, über Religion und Politik zu disputieren, lassen vermuten, dass der Geist der Gesellschaft nichtsdestoweniger ein mehr konservativer war. Die hervorragendsten Träger, und Verteidiger der freien Bildung und Forschung gehörten nur ausnahmsweise dem Orden an, der dadurch, dass er die freie Bildung in bestimmte Formen band, von vornherein in einen gewissen Widerspruch mit ihr trat. Daher das auch von Lessing wiederholte Wort, man könne Freimauer sein, ohne Freimaurer zu heissen.

Die weitere Geschichte des Freimaurerordens hat es darum auch viel weniger mit Errungenschaften geistiger Natur zu thun, als mit innern Streitigkeiten und Kleinlichkeiten, die an das erinnern, was innerhalb kirchlicher Gesellschaften vorzugehen pflegt; es handelt sich um die Wahl von adligen Großmeistern, um geschäftliche Verhandlungen, um Schmausereien oder Tafellogen, um Verwaltung des Armenfonds, dessen Ergebnisse meist bloss den Brüdern zu gute kamen. Schon früh erregte der Bund die Besorgnisse von Staat und Kirche, der protestantischen wie der katholischen. Clemens XII. that 1738 die Brüderschaft in den Bann; in Spanien und Portugal wütete gegen sie die Inquisition.

Der Name, den die Gesellschaft in England anfangs annahm, war Brüderschaft, company, fraternity; sie beschränkte sich auf die drei Stufen oder Grade des Lehrlings, Gesellen und Meisters. Erst in Frankreich wurde die Brüderschaft zum [232] Orden und bekam über den genannten niederen, sog. Johannisorden, – von den beiden Patronen des Bundes, dem Täufer und dem Evangelisten so genannt – noch höhere Ordensgrade. Bis zur Revolution hatte die französische Maurerei zwei mystisch-phantastische Richtungen zu überwinden, deren eine sich als Wiederaufleben des Templerordens geberdete, deren andere sich an die Alchymie, Magie, Geisterbeschwörung anschloss und den berüchtigten Cagliostro zu ihren Adepten zählte. Auch die deutsche Maurerei blieb von solchen Ausschreitungen nicht verschont; der französische Templerorden nahm hier die Bedeutung und den Namen der strikten Observanz an; auch an Betrügern, Goldmachern u. dgl. fehlte es nicht. Ein solcher gründete 1773 den Orden der Rosenkreuzer, dessen Ableger wiederum der Orden der asiatischen Brüder und der der Kreuzbrüder oder Kreuzfrommen waren; ähnliche Bedeutung hat der von Adam Weisshaupt, Professor des kanonischen Rechtes zu Ingolstadt, 1776 gegründete Illuminatenorden, welcher in seiner Organisation dem Jesuitenorden nachgemacht ist und gegen unten auf die Studierenden, gegen oben auf die Obrigkeiten wirken sollte. Nach Steitz in Herzogs Realencyklopädie. Vgl. auch Hettner, Engl. Litteratur, Buch II, Abschnitt I.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 231-233.
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