Herzog

[405] Herzog, ahd. herziogo, herzogo, mhd. herzoge, aus ahd. heri, Heer und einem vom Verb ziehen abgeleiteten,[405] nur in Zusammensetzungen vorkommenden, ahd. der zoho, zogo; also ursprünglich »der mit dem Heer auszieht«. Der Ursprung der herzoglichen Würde hängt mit der alten Sitte der Deutschen zusammen, für die Zeit des Krieges einen gemeinschaftlichen Heerführer für mehrere Landschaften zu wählen. Im fränkischen Reich ist der Herzog ein königlicher Beamter über mehrere unter ihm vereinigte Gaue, bald bloss für eine gewisse Zeit, bald regelmässig vorhanden, dem ausser seiner militärischen Stellung auch andere Funktionen der staatlichen Gewalt zukommen. Unter dem Herzoge blieb die gräfliche Gewalt zu Recht bestehend, die sich namentlich in der Leitung der Gerichte zeigte. Der Umfang der Herzogtümer umfasste einen Kreis von drei bis zwölf Gauen. Früh wurde die Bedeutung der Herzöge im fränkischen Reiche eine selbständige, sie wurden die Häupter der Stämme. Ursprünglich von den Königen eingesetzt, wurde ihre Gewalt früh eine in bestimmten Geschlechtern erbliche, welche die Könige anerkennen mussten. Das Gesetz gewährte dem Herzog höhere Rechte, namentlich ein mehrfach gesteigertes Wehrgeld. Er ruft das Volk der Provinz zu allgemeinen Versammlungen zusammen. Unter Mitwirkung des Volkes bestellt er die Richter, vielleicht hat er selbst die Grafen ernannt. Besonders in Alamannien, Thüringen und Bayern wurde die Gewalt des Herzogs innerhalb seines Territoriums eine fast selbständige. Karl der Grosse brach die Gewalt dieser dem Gesamtreiche verderblichen Gewalten, und liess keine neuen Herzöge aufkommen. Beim Zerfall der karolingischen Monarchie kamen aber infolge der wieder zunehmenden Bedeutung der einzelnen Stämme von neuem Herzöge auf, zuerst bei den Sachsen, dann in Bayern, Alemannien, Franken und Lothringen. Die mit der herzoglichen Würde verliehene Gewalt war sehr umfassend. Der Herzog stand dem Kriegswesen in seiner Provinz vor, erliess das Aufgebot und rückte an der Spitze seines Heeres ins Feld; zu seinem Amt gehörten die Stärkung des Rechtes und des Landfriedens, die Sorgfalt für die gemeine Sicherheit und die Förderung der Landeswohlfahrt. Er übte die Hoheit über die ihm untergebenen Bischöfe, Markgrafen, Grafen und Herren, entbot sie zu seinen Hoftagen, hielt mit ihnen Gerichte. Zum Herzogtum gehörten zahlreiche Vasallen, aus des Herzogs Hand mit Reichsgütern belehnt und ihm durch die Bande der Lehenstreue verbunden. So traten die Herzöge fast mit einem königlichen Ansehen auf und nannten sich früh Herzöge von Gottes Gnaden. Auch das Amt dieser nachkarolingischen Herzöge, ursprünglich vom Kaiser eingesetzt, wurde mit der Zeit ein erbliches. Bei den Sachsen war die Vererbung von Anfang an Gewohnheit; unruhige Zeiten brachten jedoch noch mancherlei Wechsel, und es gelang den Kaisern noch spät, wegen der Verletzung der Pflichten gegen das Reich ein Herzogtum zu entziehen. Die fernere Entwickelung der herzoglichen Gewalt wird dadurch bestimmt, dass von unten herauf, von den Bischöfen, Pfalzgrafen, Markgrafen, Grafen und Herren, eine Reaktion gegen die herzogliche Gewalt aufkommt, indem diese kleinen Gewalten die herzoglichen Rechte selber zu erwerben sich bemühen. Dieses gelang in mannigfacher Weise, und seit dem Ende des 12. Jahrhunderts teilten sich infolge davon die weltlichen und geistlichen Grossen in zwei Hauptklassen, in diejenigen, welche die Rechte des Herzogtums, mit oder ohne diesen Namen, besassen und dadurch dem Reiche unmittelbar verbunden waren, und in diejenigen, wobei jenes[406] nicht der Fall war. Im 13. Jahrhundert hiessen jene Fürsten, diese Herren.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 405-407.
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