Fronleichnamsfest

[243] Fronleichnamsfest, Festum sive solennitas corporis Christi, die Feier der Transsubstantiation, entstand bald, nachdem die Lehre von der wirklichen Verwandlung des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi auf der Lateransynode unter Innocenz III. im Jahr 1215 als kirchliches Dogma sanktioniert worden war. Mehrere Frauen des Nonnenklosters zu Lüttich, namentlich Juliana, Isabella und Eva, erblickten während ihres Gebetes einen glänzenden, jedoch an der Seite verdunkelten Mond und machten ihrem [243] Bischof Anzeige davon. Als dieser darauf für seine Diözese ein Fest der Hostienanbetung angeordnet, wurde Papst Urban IV. durch ein neues Wunder bewogen, dasselbe im Jahr 1264 durch eine Bulle als ein Fest für die ganze Kirche zu verordnen. Da jedoch dieser Papst kurz nach der Erlassung der Bulle starb, kam das Fest nicht eher zum Vollzug, als bis Clemens V. es durch eine neue Bulle 1311 bestätigt hatte. Vor 1316 lässt sich ein allgemeiner Gebrauch nicht aufweisen. Das Wesentliche der Einsetzungsbulle besteht darin: Obgleich der grüne Donnerstag das Fest der Einsetzung des heiligen Abendmahls sei, so könne doch die Kirche an diesem Tage wegen der Aussöhnung der Büssenden, Verfertigung des geweihten Öles, des Fusswaschens und anderer Beschäftigungen jenes Sakrament nicht gebührend feiern, und es müsse daher ein besonderer Tag dazu bestimmt werden. Dieses Fest, für dessen bussfertige Feier ein Ablass von 40 bis 100 Tagen verheissen wird, soll dazu dienen, die Ketzer zu beschämen und den wahren Glauben zu befestigen. Die Wahl des Donnerstags nach der Pfingst-Oktave hatte offenbar Beziehung auf den grünen Donnerstag und auf das Dogma von der Dreieinigkeit. Allgemein wird dem Scholastiker Thomas Aquinas ein grosser Anteil an der Idee und Ausführung dieses Instituts zugeschrieben. Von ihm rührt das jetzt noch gebräuchliche Offizium her, das unter die vorzüglichsten liturgischen Arbeiten gerechnet wird; besonders schön ist der Hymnus:


Pangue lingua gloriosi

Corporis mysterium

Sanguinisque pretiosi,

Quem in mundi pretium

Fructus ventris generosi

Rex effudit gentium.


Die Fronleichnamsprozession will durch das sichtbare Umhertragen der Hostie und durch den übrigen sinnlichen Aufwand nach dem Ausdrucke des Tridentiner Konzils die Herrlichkeit der katholischen Kirche auch vor den Augen ihrer Gegner offenbaren und deren Seelen erschüttern und gewinnen. Johannes Kessler giebt in der Sabbata, I, 103 folgende Beschreibung des Festes, wie es bis ungefähr 1525 in St. Gallen abgehalten wurde: Demnach ist angesehen in onvorlangen ziten anno 1254 ein fest und procession zuo lob und vererung des gegenwurtigen wesenlichen libs Christi im sacrament des abendmals, so jarlich uf dondstag 4 tag brachmonats in solichem pracht und apparat, baide von gaistlichen und weltlichen baider geschlechten personen und kostbarlichen ceremonien, dass ich die nit wiste ze beschriben, begangen wirt. Was sol ich sagen von den unzaligen langen und von gold und arbait gezierten kerzenstangen, mit gras und allerlei bluomen umbwunden, glichermassen wie die haiden ire thyrses genant in den festen Bachi zuoberait haben? Dise thyrses oder wandelkerzen giengen der procession umb die ganzen stat ussert den muren zuovor; demnach die schuoler in iren wissen linwaten überrocken, singende und schellende mit cymbalen ganz lustbarlichen; demnach die priester und monachen, alle in kostlichen, siden und samaten klaider, darinnen och si zuo den hoechsten festen die opfermess haltend, jeder in siner hand oder armen ain guldin oder silberin stuck und gefess tragend, darinnen etlicher abgestorbnen hailgen bain verschlossen ligend. Uf die gaistlich genanten zuoletst gieng irer obersten desselbigen orts, als pfarrer, bischoffe, propst, decan, bi uns hie der abt, fürtreffenlich kostlich tragende in einem guldinen oder silberin monstranzen das brot des abendmals Christi als den wesentlichen, personlichen, selbstendigen lib Christi. Und zuo baiden siten ward der gefüert von der stat [244] obersten burgermaister oder schuldhaissen under ainem himel, welcher mit sechs stangen von den sechs zunftmaister entbor tragen ward: Uf der gaistlichen procession volgte dan der laien huf in iren allerkostbarlichsten klaider, und jederman, gaistlich und weltlich, jungs und alts tragende uf irem hopt von wolriechenden bluomen ainen kranz. Mit solichem hochzitapparat von claidung, zierden, singen, cymbalen, harpfen, gigen, luten, orglen etc. procediert man umb die stat. Ueber den vier toren warend von den burger zuoberaite altar von tüecher, bilder, kerzen; alda hielt man under jedem stil, singende ain evangelion, und empfieng man von dem obersten den segen. In der stat aber, an welchen orten die procession muost fürgon, warend alle hüser nach vermugen dem sacrament zuo eren mit bildern, brinnenden kerzen, tüecher zuoberait und behengt und die gassen mit lobästen waldwiss besteckt, och mit gräss beströuwet und bedecht. Diss fest weret mit usstailung der gnaden und papstlichen aplas acht tag; welcher den gegenwurtigen im tempel durch ainen segen, so mit dem monstranzen des sacraments crutzwiss von dem priester, hin und her, uf und ab gewehet, überraicht ward; och die zit von besunderm ablas genant die aplaswuch. Eine andere Beschreibung giebt Sebastian Frank, Weltbuch, S. 132 a.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 243-245.
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