Gregoriusfest

[345] Gregoriusfest heisst ein im Mittelalter verbreitetes, am 12. März gefeiertes Schulfest, dessen Entstehung wohl mit der Frühlingsfeier der Germanen zusammenhängt. Die Schüler wählten für dieses Fest einen der ihrigen zum Bischof und zwei andere wurden ihm als Kleriker zugesellt. Alle drei wurden in geistlicher Tracht von dem gesamten Schüler- und Lehrerpersonal unter dem Geläute aller Glocken zur Kirche geführt, wo sich der Knabenbischof und seine zwei Assistenten in possenhafter Feierlichkeit an den Stufen des Altars auf Sessel niederliessen. Ein wirklicher Geistlicher hielt eine Rede, worauf man einen Gregoriusgesang anstimmte, daher der Name Gregoriussingen. Nach einer Schlussrede, welche der Knabenbischof hielt, trat man den Rückweg an, auf welchem die Knaben mit Brezeln beschenkt wurden, wofür einesteils Privatleute, andernteils öffentliche Stiftungen das Geld hergaben; zum Teil waren Jahrmärkte mit dieser Feier verbunden. Der zweite Akt bestand darin, dass die in die Schule neu eintretenden Knaben in ihren Häusern der Reihe nach aufgesucht, als Gregorianer in eine Art Chorhemd gekleidet und in Prozession zur Schule geführt wurden. An anderen Orten bestand das Fest bloss aus einer öffentlichen Speisung der Knabenschaft; so wird aus St. Gallen gemeldet: anno 1509 am zinstag nach [345] der alten fastnacht hand meine herren ain hirs im spital lassen machen und mit breteren tischet vom rathus bis zuo den brotloben, und alle knaben in der stat dazuo gefüert und trait, was under 14 jaren ist gesin, und hiess man essen die schwangeren frowen, so gelust hand, und sind an der zal gesin 1000 junger Knaben, die man verschrieben hat. Den Namen soll das Fest nach Papst Gregor I. erhalten haben, ohne dass es bis jetzt gelungen wäre, den Grund dieser Namengebung zu entziffern (vgl. Kriegk, Bürgerth. II, 93).

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 345-346.
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