Hofämter

[413] Hofämter erscheinen zuerst am fränkischen Hofe, wo sich seit Gründung des fränkischen Reiches das öffentliche Leben konzentrierte und dem Könige Männer zur Seite standen, welche den Hofdienst um die Person des Königs und den eigentlichen Staatsdienst zu besorgen; hatten. Dieselben scheinen ursprünglich aus der Zahl der Unfreien genommen worden zu sein, gingen aber früh auf höher gestellte und freigeborene Leute über, welche zunächst den Dienst bei der Person des Herrn selbst zu besorgen hatten, damit aber zugleich die Aufsicht über die untergebenen unfreien Knechte verbanden. Die ältesten Namen sind seniscalcus, mariscalcus, cocus und pistor, oder major, infestor für (infertor), scantio und marescalcus. Der Senischulk, d.h. der älteste Knecht, hat als solcher die Aufsicht über das Gesinde; der Name major domus scheint ursprünglich[413] eine andere Bezeichnung für denselben Beamten gewesen zu sein. Er löste sich aber vom Amte des Seneschalk und wurde ein so einflussreiches Amt, dass seine Inhaber zuletzt den alten Königsstamm ganz verdrängten, siehe den besonderen Artikel Marschalk oder Rossknecht, lat. comes stabuli, Stallgraf, wird ausser seiner gewöhnlichen Thätigkeit auch als Gesandter und Anführer im Heer gebraucht. Die Aufsicht über das bewegliche Gut führte in der merowingischen Periode der thesaurarius; ihm war der königliche Schatz vertraut, womit sich die Aufsicht über das verband, was an Gerät und Gewand am Hofe vorhanden war; er war zunächst an die Königin gewiesen, die als ordnende Hausfrau die Aufsicht über diese Geschäfte führt. Niedriger war das Amt des camerarius oder Kämmerer, und noch tiefer stand dasjenige des pincerna oder Schenken, das zwar vornehmen, aber meist jüngeren Leuten übertragen wurde; es galt als der Anfang auf der Laufbahn des Hofdienstes. Mehr untergeordnete Diener der Art waren der coquus oder Küchenmeister; der mapparius, der dem König das Handtuch reichte; der spatarius, der ihm das Schwert reichte; dazu kommen Ärzte, Sänger, Thürsteher, Läufer und dgl. Mit der Stellung des Königs als Herrscher und dadurch mit den staatlichen Geschäften verbunden waren Pfalzgraf und der Referendar. Der Pfalzgraf, comes palatii, ist dem Könige bei der Ausübung seiner höheren Gerichtsbarkeit zugeordnet, siehe den besonderen Artikel; der referendarius ist nach Amt und Namen aus römischen Verhältnissen entlehnt. Er fertigt die Urkunden des Königs aus, unterschreibt und siegelt sie, zu welchem Behufe er den königlichen Siegelring zu bewahren hat. Es ist ein Weltlicher, der mit diesem Amte vertraut ist; die Königin hat einen besonderen Referendar für sich.

In der Karolingischen Zeit tritt nach dem Aufhören des Majordomus der Seneschalk wieder besonders hervor; er hat die Sorge über das Hauswesen, besonders über den Unterhalt des Hofes und namentlich über das Mahl; er heisst daher auch Vorsteher des königlichen Tisches, Meister der Köche, Träger der Speisen, infestor, dapifer. Ihm zur Seite steht der Oberschenk oder Meister der Schenke, magister pincernarum der jetzt zu höherem Ansehen gelangt ist; als Schenken fungierten ausserdem jüngere Männer, die am Hofe lebten. Der Stallgraf hat sein altes Amt beibehalten; was früher thesaurarius hiess, heisst jetzt Kämmerer; unter Oberaufsicht der Königin hat er die Kostbarkeiten, den Schmuck. was zu Geschenken dient, zu bewahren und zu verwenden. Meist wurden diese Stellen mehr als einmal besetzt; die Mitglieder des königlichen Hauses haben zum Teil ihren eigenen Hofhalt. Andere als die genannten vier Hofämter sind der Meister, der Thürhüter oder Oberthürwart, magister ostiariorum, der Quartiermeister, mansionarius, Jäger- und Falkenmeister, Schwertträger, Bäckermeister. Wie früher steht der Pfalzgraf dem Hofgerichte vor; dagegen heisst jetzt der ehemalige referendarius Kanzler, cancelarius, oder notarius; es sind ihrer stets mehrere, unter denen sich jedoch seit Ludwig dem Frommen ein besonderer Vorsteher heraushebt, der protonotarius, archinotarius des kaiserlichen Palastes. Er war fast immer; ein Geistlicher. Erst später fiel dieses Amt mit dem Vorsteher der königlichen Kapelle, dem archicapellanus, dem Erzkapellan, zusammen, wahrscheinlich infolge des Umstandes, dass das Archiv in der königlichen Kapelle aufbewahrt wurde.

Die Bedeutung der Hofämter am königlichen Hofe nimmt später eher[414] ab: von einem erblichen Übergang in einzelnen Familien weist erst die Hohenstaufenzeit Beispiele auf. Der dapifer oder Truchsess trug die Speisen auf, diente am Tische und hatte wahrscheinlich auch für die Beschaffung des Unterhaltes an den verschiedenen Orten zu sorgen, wo der König sich aufhielt. Truchsess sowohl als Schenk, Marschalk und Kämmerer wurden seit den Königen des fränkischen Hauses regelmässig nur Ministerialen, während bei besonders feierlichen Gelegenheiten die Herzöge fungierten und so im Laufe der Zeit als die obersten Inhaber dieser Ämter erschienen. Es war zuerst Otto der Grosse, der sich bei dem Krönungsmahl in Aachen von den vier Herzögen des Reiches die Dienste leisten liess: der Herzog von Lothringen, in dessen Herzogtum Aachen lag, war als Kämmerer thätig; der von Franken als Truchsess, der von Schwaben als Schenk und der von Bayern als Marschalk; es sollte dieses ein Zeichen davon sein, dass der König gewillt sei, künftig das Herzogtum in strenger Abhängigkeit vom König zu halten. Die hier begründete Übung erhielt sich von da an, ohne dass die Funktionen fest mit einzelnen Herzogtümern verbunden gewesen wären. Erst seit Otto III. hat Sachsen stets das Marschalkamt, Bayern das Schenkenamt für sich in Anspruch genommen, welch' letzteres zwar später an Böhmen kam; das Amt des Truchsessen kam zuletzt an den Pfalzgrafen vom Rhein, das des Kämmerers an Brandenburg.

Die genannten Ämter heissen Erzämter: der Suboffizial aber, der dem Inhaber des Erzamtes gegen gewisse Ehrengeschenke in seiner Verrichtung beisteht, besitzt ein Erbamt, das wiederum bei gewissen Häusern erblich geworden ist; Erbmarschalle waren die Grafen von Pappenheim, Erbkämmerer nacheinander die von Falkenstein, Weinsberg, Seinsheim, Hohenzollern; Erbschenken die von Limburg in Franken und die Grafen von Althann; Erbtruchsessen die von Nortenberg, die von Seldeneck und zuletzt die Grafen von Waldburg.

Schon früh sind die Hofämter auch auf. die Höfe der kleineren Fürsten übertragen worden, unter denselben Namen als Kämmerer, Truchsess, Schenk und Marschall. Ursprünglich nach dem Belieben des Herrn vergeben, auf Zeit oder ohne bestimmte Dauer, oft unter regelmässigem Wechsel, sind diese Ämter später doch auch in Ministerialfamilien erblich geworden; auch höher gestellte Freie verschmähten es nicht, in den Dienst reicher Stifter zu treten und als Vorsteher der oberen Hofämter zu fungieren. Vergleiche Waitz, Verfass.-Gesch., und Maurer, Fronhöfe.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 413-415.
Lizenz:
Faksimiles:
413 | 414 | 415
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika