Palamédes

[1841] PALAMÉDES, is, Gr. Παλαμήδης, εος, ( Tab. XI.)

1 §. Aeltern. Sein Vater war Nauplius, König in Euböa, seine Mutter aber, nach einigen, Klymene, des Atreus Tochter; Apollod. l. II. c. 1. §. ult. nach andern aber Hesione, mit welcher Nauplius nicht nur diesen Palamedes, sondern auch den Oeax und Nausimedon, gezeuget haben soll. Cercops ap. eumd. l. c.

2 §. Thaten. Er befand sich mit in Kreta bey der Erbtheilung der Verlassenschaft des Kretheus, als Paris indessen die Helena raubete. Dict. Cret. l. I. c. 1. Hernach wurde er, als Gesandter, mit an den Priamus abgeordnet, solche wieder zu fordern. Id. ib. c. 6. Als man aber hieselbst nichts ausrichtete, so war er vor andern bemühet, die Griechen wider die Trojaner zusammen zu bringen. Er gieng auch mit dem Agamemnon und Menelaus nach Ithaka, den Ulysses von da abzuholen, welcher sich wahnsinnig stellete, damit er nicht mitziehen dürfte. Allein, Palamedes entdeckete seine Verstellung, und er mußte wider Willen mit vor Troja. Dafür aber fassete er auch einen unversöhnlichen Haß gegen den Palamedes. Hygin. Fab. 95. Andere halten dieses für eine Fabel, und wollen, Ulysses sey freywillig nach Aulis gekommen; und die Feindschaft zwischen ihm und dem Palamedes wegen einiger Vorwürfe entstanden, die sie einander in öffentlicher Versammlung gemacht. Philostrat. Her. c. X. §. 2. p. 708. Doch scheint es, daß dieses vielmehr [1841] schon Ausbrüche ihrer Feindschaft, als der Grund derselben, gewesen. Es gieng aber Palamedes ohne Mannschaft und Schiffe, bloß in einem Kahne, mit seinem Bruder Oeax dahin. Philostrat. l. c. §. 10. p. 715. Doch soll er nach andern mit dreyzig Schiffen vor Troja, wiewohl etwas später, gekommen seyn, als die andern, weil ihn eine Krankheit abgehalten. Seine Ankunft war indessen allen angenehm, u. er wurde sofort ersuchet, mit in dem Kriegsrathe zu seyn. Dar. Phryg. c. 18. Er war aber keinesweges zufrieden, daß Agamemnon die Oberbefehlshaberstelle hatte, und machte solche Zwistigkeit, daß in ganzen zwey Jahren vor Troja nichts gethan wurde. Id. ib. c. 20. Ob es nun wohl hernach eine Zeitlang dießfalls stille war, so fieng doch Palamedes die Beschwerden bald wieder an, brachte es auch endlich so weit, daß er selbst Oberbefehlshaber wurde, ungeachtet vor andern Achilles heftig dawider war. Id. ib. c. 25. cf. Ptol. Hephæst. l. V. p. 327. Er bekleidete indessen diese Stelle mit gutem Ruhme und Glücke, Dar. Phryg. c. 26. erlegete auch selbst den Deiphobus und Sarpedon. Id. ib. c. 28. Jedoch wollte er niemals eine Belohnung für seine Thaten annehmen. Philostrat. Her. c. II. §. 17. p. 690. Damit auch die Soldaten nicht auf Meuterey und dergleichen denken möchten, so erfand er ein Spiel, welches man, wiewohl nicht allzu richtig, für das jetzige Schachspiel halten will, womit denn dieselben ihre müßige Zeit hinbrachten. Suid. in Τάβλα, T. III. p. 423. & Salmas. ad Proculum Vopisci, sive c. 13. Einige sagen, es wäre das Würfelspiel gewesen, und er hätte die ersten Würfel zum Andenken in dem Tempel der Fortuna in Argos niedergeleget. Pausan. Corinth. c. 20. p. 120. Daher war er auch in einem Gemälde des Polygnotus vorgestellet, wie er mit dem Thersites würfelte. Id. Phoc. c. 31. p. 668. Desgleichen übete er sie öfters zur Erhaltung ihrer Gesundheit, und ließ sie allerhand Lustgefechte anstellen. Philostr. l. c. §. 4. p. 711. Er ließ auch seinen scharfsinnigen Kopf darinnen [1842] sehen, daß er noch einige Buchstaben zu dem griechischen Alphabete hinzusetzete. Stesichor. & alii ap. Fabric. Biblioth. Græc. lib. I. c. 23. §. 2. Desgleichen soll er die Zahlen und Gewichte erfunden haben. Athanas. ap. eumd. l. c. Außerdem schreibt man ihm eine gute Wissenschaft in der Astronomie, Medicin und andern Dingen mehr zu; Philostrat. l. c. §. 1. p. 708. wie er denn selbst Gedichte geschrieben, Suid. in Παλαμήδης, T. III. p. 5. und also das Lob erhalten hat, daß er πάνσοφος άηδὼν Μοῦσα genannt wird. Diod. Laert. l. II. sect. 44. & Euripid. ap. Tzetz. ad. Lycophr. v. 384.

3 §. Tod. Nach einigen schoß ihn Paris im Treffen mit einem Pfeile durch den Hals, worauf ihn denn die übrigen Trojaner vollends hinrichteten; Dar. Phryg. c. 28. Nach andern aber beredeten ihn Ulysses und Diomedes, sie hätten einen großen Schatz in einem Brunnen entdecket, und vermochten ihn, daß er sich in denselben durch sie hinab ließ. Allein, da er in die Tiefe hinab gekommen war, so warfen sie ihn mit Steinen zu Tode. Dictus Cret. l. II. c. 15. Nach den dritten giengen sie ihm nach, als er sich, um zu fischen, von den übrigen entfernet hatte, u. ersäufeten ihn bey solcher Gelegenheit. Auctor Cyprior. ap. Paus. Phoc. c. 31. p. 668. Allein, der meisten Vorgeben nach, beförderte Ulysses dessen Tod auf diese Art. Er vergrub heimlich einen guten Schatz an Golde in des Palamedes Gezelte, gab darauf einem gefangenen Phrygier einen Brief, mit einer Ueberschrift, als komme er von dem Priamus an den Palamedes, ließ aber solchen Phrygier nieder machen und liegen, da denn der Brief bey ihm gefunden wurde. In diesem nun bedankete sich Priamus, daß ihm Palamedes das griechische Heer verrathen wollte, und berichtete lhm zugleich, daß er ihm das versprochene Gold dagegen übersandt hätte. Es wurde daher Palamedes vor das Kriegesrecht gefordert, wobey Ulysses sich stellete, als hielte er dessen Partey; und als Palamedes alles leugnete, so schlug Ulysses endlich vor, man [1843] möchte in dessen Gezelte nachsuchen, ob sich etwas von dem bemeldeten Golde fände, oder nicht. Da solches beliebet wurde, so fand man das Gold, welches Ulysses dahin gebracht hatte. Dieß wurde denn als ein klarer Beweis wider den Palamedes angenommen, und er von dem Heere für einen Verräther erkläret, worauf man ihn zu Tode steinigte. Ovid. Metam. XIII. 56. Hygin. Fab. 105. Serv. ad Virgil. Aen. II. v. 81. & Tzetz. l. c. Schol. Eurip. ad Orest. 432. Er soll, bey dieser Veranstaltung des Ulysses, mit dem Achilles eben ausgeschickt gewesen seyn, die benachbarten Inseln und am Ufer liegenden Plätze einzunehmen. Es habe aber Agamemnon ihn allein von dieser Unternehmung zurück rufen müssen. Bey seiner Hinrichtung erwies er sich sehr heldenmüthig und sagete nichts weiter, als: Du jammerst mich, arme Wahrheit, daß du vor mir umgekommen bist. Man verboth, seinen Leichnam zu begraben. Allein, Ajax that solches mit Gewalt und zürnete nachher eine Zeitlang über diese Ungerechtigkeit der Griechen. Dieses soll auch eigentlich der Grund des so langen Zornes des Achilles gewesen seyn. Philostr. Her. c. X. §. 8. p. 714. Es wurde aber Ulysses zu dieser schändlichen That insonderheit dadurch gereizet, daß er eines Males ausgeschicket wurde, Lebensmittel aus Thracien zu holen. Weil er nun leer wieder kam, so wurde er von dem Palamedes deswegen hart angelassen. Als ihm Ulysses darauf antwortete, er möchte selbst sehen, ob er welche schaffen konnte, so gieng er darnach aus, und brachte deren eine große Menge ins Lager, wodurch denn Ulysses sehr beschämt wurde. Serv. l. c. Nach seiner Hinrichtung begab sich sein Vater Nauplius selbst ins Lager vor Troja, und forderte Genugthuung wegen dieses unrechtmäßigen Verfahrens, erhielt aber nichts, und rächete sich mit dem Oeax hernach selbst so gut, als er konnte. Tzetz. l. c. & ad v. 1093. Schol. Eurip. l. c.

4 §. Gestalt und Wesen. Er soll des größern Ajax Große gehabt und [1844] mit dem Achilles, Amphilochus und Euphorbus an Schönheit gestritten haben. Er ließ sich das Haupthaar ganz abscheeren und hatte nur einen schwachen Bart, der kaum hervor zu brechen schien, dabey aber die größten Augen von der Welt, die im Kriege starr und scharf, im Frieden und bey freundschaftlichen Gesprächen aber holdselig waren. Philostr. Heroic. c. X. §. 9. p. 715. Sonst soll er schmächtig, im Betragen großmüthig, weise und freundlich gewesen seyn. Dar. Phryg. c. 14. So werden auch anderweits seine Wissenschaft, Billigkeit und Gütigkeit gerühmet. Id. c. 28. Doch hatte er immer Schmutz im Gesichte, welcher ihm gleichwohl besser stund, als des Euphorbus gekräuseltes und gepudertes Haar. Philostr. l. c. Er hatte keinen Bedienten, noch eine Sclavinn zu seiner Aufwartung; sondern that alles selbst. Als es ihm daher Achilles eines Males verwies, daß er sich keinen Diener hielte, so wies er ihm seine Hände und fragete: Was sind denn das? Ib. §. 11. p. 716. Da auch sonst die andern griechischen Feldherren insgesammt mit ihren Bärten abgebildet worden, so war er allein ohne dergleichen gebildet zu sehen. Pausan. Phoc. c. 31. p. 668.

5 §. Verehrung. Ohne die sonderbaren Lobsprüche, welche ihm hin und wieder gegeben worden, erwies ihm insonderheit Apollonius von Tyana göttliche Ehre, als er die verfallene Säule wieder errichtete, die demselben ehemals war gesetzet worden, und auf welcher er ΔΕΙΟΣ hieß. Philostrat. vit. Apollon. l. IV. c. 13. p. 150. Cf. ej. Heroic. c. II. §. 11. p. 685. Indessen ist doch zu verwundern, daß Homerus desselben so gar nicht gedenket. Man findet aber den Grund davon leicht, wenn es wahr ist, daß er aus Misgunst auch selbst dessen Gedichte vertilget hat. Suidas in Παλαμήδης, T. III. p. 6. Es ist nur zu bedauern, daß des Aeschylus, Sophokles und Euripides Tragödien von ihm verloren gegangen sind. Fabric. Bibliot. gr. l. II. c. 16. §. 7. c. 17. §. 3. & c. 18. §. 3.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1841-1845.
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