Patróclvs

[1903] PATRÓCLVS, i, Gr. Πατροκλος, ου, ( Tab. X. & XXV.)

1 §. Aeltern. Sein Vater war Menötius, Aktors Sohn, seine Mutter aber Sthenela, des Akastus Tochter, oder, nach andern, Periapis, eine Tochter des Pheres, oder auch Polymelus, Apollod. l. III. c. 12. §. ult. und, nach den dritten, Philomela, von unbekannter Herkunft. Hyg. Fab. 97. Eustath. & alii.

2 §. Thaten. Er kam eines Males nach Opus, und spielete daselbst mit des Amphidamas Sohne, Klysonymus, mit Würfeln, wobey er ihn aber unversehens hinrichtete. Er mußte darausf mit seinem Vater ins Elend gehen, da ihn denn Peleus aufnahm und seinem Sohne, dem Achilles, zugesellete, dessen vertrautester Freund er wurde. Homer. Il. Ψ. v. 85. & Apollod. l. III. c. 12. §. ult. Nachher gab er einen Freyer um die Helena mit ab; Id. ib. c. 9. §. 8. und, da solche von dem Paris entführet worden, so gieng er, nebst dem Achilles, mit zehn Schiffen seiner Leute von Phthia mit vor Troja. Hygin. Fab. 97. Er hielt sich auch hieselbst so wohl, daß er bis drey und funfzig Feinde erlegete. Id. Fab. 114. Unter denselben waren insonderheit Adrastus, Autonous, Echeklus, Perimus, Epistor, Menalippus, Elasus, Mulius, Pylartes. Homer. Il. Π. v. 689. Noch vorher erlegete er in einem besondern Zweykampfe den Feldherrn der Lycier, Sarpedon. [1903] Hygin. Fab. 112. & Homer. l. c. v. 480. Der erste von allen aber, den er erlegete, war Pyrächmes, der seinen Hofmeister Eudorus erleget hatte. Eustat. ad Hom. Il. Α. 610. Er war in der Wundarzeneykunstgut erfahren und heilete den Eurypylus. Hom. Il. Λ. 822. sqq. & Ο. 390. Er soll ein Liebling des Neptuns gewesen seyn, und von diesem selbst die Kunst zu reiten erlernet haben, daher ihn denn Homer insgemein den Reiter nennet. Ptol. Heph. l. I. p. 307.

3 §. Tod. In seinem letztern Gefechte, da er des Achilles Waffen angeleget hatte, war er dreymal bis auf die Mauern der Stadt Troja gekommen. Homer. Il. Π. v. 696. Es fielen bis sieben und zwanzig Trojaner von ihm allein. Id. ib. v. 780. Dieß traf zuletzt auch Priams Sohn, Cebrion, Hektors Wagenführer. Id. ib. v. 728. Endlich aber setzete sich in dem Zweykampfe mit dem Hektor Apollo selbst ihm mit entgegen, und machte, daß ihm der Helm vom Kopfe fiel, der Spieß zerbrach, der Schild entfiel und der Panzer allenthalben aufgieng. Da er also über sich selbst erstaunete, so gab ihm immittelst Euphorbus einen Stoß von hinten zu mit dem Spieße in den Rücken; und, da er sich wieder zu den Seinigen ziehen wollte, so verfolgete ihn Hektor und machte ihn vollends nieder. Id. ib. v. 783. Cf. Dict. Cret. l. III. c. 16. Dieser bemächtigte sich auch so gleich seiner Waffen. Als aber die Trojaner dessen Körper wegschleppen wollten, so erhub sich ein ungemein hartes Gefecht deshalber: doch behaupteten ihn endlich noch die Griechen, und brachten ihn in ihre Schiffe zurück. Homer. Il. P. per integr. & Dict. Cret. l. c.

4 §. Begräbniß. Nachdem die Myrmidonen dessen Körper, auf des Achilles Befehl, abgewaschen und einbalsamiret, Homer. Il. Σ. v. 353. dieser auch dessen Tod an dem Hektor gerächet hatte: Id. ib. Χ. v. 395. so begieng er dessen Leichendienst folgender maßen: Erstlich fuhren alle Myrmidonen dreymal um den in die Mitten gelegten Körper mit [1904] ihren Streitwagen herum, und beweineten denselben, so heftig sie konnten, worauf insonderheit Achilles seine Trauerklage verführete. Er legete Hektors Körper, um seine Rache noch ferner an demselben auszuüben, auf die Erde neben des Patroklus Leichnam, und ließ demselben die Waffen ausziehen. Darauf spanneten die Myrmidonen insgesammt ihre Pferde ab, und hielten ein Todtenmahl zusammen, da indessen Achilles nicht zu bewegen war, Hektors Blut von sich abwaschen zu lassen. Die Nacht darauf erschien ihm des Patroklus Seele, und bath um ihre Bestattung, weil sie sonst nicht über die höllischen Flüsse kommen könnte. Es holeten also die Griechen den folgenden Tag eine große Menge Holz von dem Ida, die Myrmidonen aber schnitten sich die Haare ab und warfen sie auf die Leiche des Patroklus. Nachdem der Holzhausen war errichtet worden, so ließ Achilles noch zwölf junge edle gefangene Trojaner, nebst unterschiedenen Pferden, abschlachten, und zugleich auf denselben mit legen, worauf denn Iris die Winde vermochte, daß sie das Feuer nach Verlangen des Achilles anbliesen. Indem nun solchergestalt der Körper des Patroklus verbrannte, goß Achilles für dessen Seele häufig Wein auf die Erde, mit dergleichen auch das Feuer vollends gelöschet wurde, nachdem das Holz niedergebrannt war. Die übrigen Gebeine wurden sodann in ein goldenes Gefäß gethan, und in einem Gezelte aufbehalten, worauf denn Achilles ganz besondere Leichenspiele anstellete, in denen die griechischen Feldherren meist selbst kämpfeten, und die daher so ansehnlich waren, als sie seyn konnten. Id. ib. Ψ. v. 13. usque ad fin. Cf. Dict. l. III. c. 12. Er bekam darauf sein Begräbniß auf dem sigäischen Vorgebirge, und Achilles das seinige nicht weit von ihm. Strabo l. XIII. p. 596. Gleichwohl hatte des Patroklus Seele von ihm verlanget, daß beyder Gebeine in ein Grab kommen möchten. Homer. l. c. v. 84. Denn da sie im Leben so gar gute Freunde gewesen, so wollten sie auch im Tode nicht getrennet seyn. [1905] Hyg. Fab. 257. Es pries auch Alexander der Große den Achilles bey dessen Grabe darum mit glückselig, daß er dergleichen Freund in seinem Leben gefunden hatte. Plutarch. in Alexandro c. 12.

5 §. Gestalt und Eigenschaften. Er wird beschrieben, daß er eine schöne Gestalt, muntere, große, schwarze Augen gehabt, schamhaft, aufrichtig, klug, freygebig gewesen. Dares Phryg. c. 13. Dabey hatte er weißgelbliches, nicht gar zu starkes Haar, aber starke Augebrauen, eine gerade Nase und weite Naselöcher. Philostrat. Heroic. c. XIX. §. 9. p. 736.

6 §. Verehrung. Diese erwiesen ihm nach der Zeit die Ilienser in so fern, daß sie ihm so, wie dem Achilles und dem Antilochus, bey seinem Grabe sein Opfer brachten. Strabo l. XIII. p. 596. Aller dreyen Gebeine wurden zusammen in einem goldenen Gefäße aufbehalten, welches Bacchus ehemals der Thetis verehrete, da sie ihm vor dem Lykurgus Sicherheit verschaffet hatte. Tzetz. ad Lycophr. v. 273.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1903-1906.
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