Dionysius Carthusianus, V. (61)

[766] [766] 61V. Dionysius Carthusianus, (12. März). Der ehrw. Dionysius, gewöhnlich von seiner Ordensprofession »der Carthäuser« oder von seinem Geburtsort Dionysius Rickel genannt, wurde im Jahre 1403 (nach Butler 1402) in Rickel, einem kleinen Orte bei Looz in der belgischen Provinz Limburg im sogenannten Haspengau (Hasbania), damals zur Diöcese Lüttich gehörig, aus dem altadelichen Geschlechte der von Leuwis oder Leewis, weßhalb er auch unter dem Namen Dionysius von Leuwis vorkommt, geboren. Von Kindheit auf fühlte er einen mächtigen Drang zur Tugend und Wissenschaft, und errang sich auch in der Folge tiefe Kenntnisse in der heil. Schrift und Gottesgelehrsamkeit. Noch hatte er nicht das 18. Lebensjahr erreicht, als er um Aufnahme in die Carthause Zeelem bei Diest, dann in die zu Roermunde nachsuchte, dieselbe jedoch nicht erhalten konnte, weil die Regel der Carthäuser die Aufnahme erst nach Erreichung des 20. Jahres gestattet. Er begab sich deßhalb nach Köln, um auf der damals dort blühenden Universität Philosophie und Theologie zu studiren, betrieb mit ganz besonderm Eifer die biblischen und exegetischen Studien, und schrieb schon dort seine erste Schrift: De ente et essentia. Nachdem er den Doctorgrad erlangt hatte, ging er in seinem 21. Lebensjahre wieder nach Roermunde, trat als Noviz in die dortige Carthause und blieb in derselben bis an seinen Tod, 48 Jahre lang, abgeschieden von der Welt, doch nicht ohne Einfluß auf dieselbe. Sein Biograph, der Carthäuser Theodoricus Loëtius a Stratis († 1554), sagt von ihm: »Er sei ein Mann von starkem Körperbau gewesen, abgehärtet in Nachtwachen und Entsagung, und soll öfters gesagt haben: Ich habe einen eisernen Kopf und einen ehernen Magen« (ego ferreum habeo caput et aeneum stomachum). Entbehrung kannte er nicht, weil er nichts bedurfte; gegen Schmerz war er fast unempfindlich; Hunger und Durst, Kälte und Nachtwachen ertrug er leicht; sinnliches Behagen suchte er nie und körperliche Lust schien in ihm erstorben. Durch seinen unglaublichen Fleiß, seine erstaunliche Ausdauer und eine fast wunderbare Gedächtnißkraft erwarb er sich eine massenhafte, vielseitige und tiefe Gelehrsamkeit, indem er zugleich einen scharfen Verstand und große Gewandtheit in Erörterung schwieriger Fragen besaß. Er hatte eine im Verhältniß zu seinem Körperbau schwache Stimme und stammelte beim Reden, doch wirkte er Wunder durch den Inhalt seiner eindringlichen Ermahnungen und erschütternden Bußpredigten. Seine Gelehrsamkeit und Fruchtbarkeit an Schriften, die sich auf hundert belaufen sollen, wurde nur übertroffen durch seinen Gebetseifer. – Drei und oft mehrere Stunden blieb er stehend und ohne ein Glied zu rühren, in Gebet und Betrachtung versunken. Bei dem steten Umgange mit Gott gerieth er häufig in Verzückungen, weßhalb er den Titel »Doctor ecstaticus« erhielt. Von Nah und Fern horchte man auf seine Worte wie auf Orakelsprüche, und es geschah nicht selten, daß Könige, Kaiser, Fürsten u.s.w. sich mündlich und schriftlich an ihn wendeten; selbst Papst Eugen IV. bewunderte seine Gelehrsamkeit und soll, als er einmal eines seiner Werke gelesen hatte, ausgerufen haben: Laetetur mater Ecclesia, quia talem habet filium. Der Andrang derer, welche bei ihm Rath suchten, wurde so groß, daß die Stille des Klosters darunter zu leiden anfing, weßhalb ihm der Prior das Amt eines Schaffners (Procurator) übertrug, indem er als solcher außerhalb der Clausur wohnen und ungehinderter mit der Welt verkehren konnte. Nun aber wurde der Zulauf zu ihm vollends so groß, daß der Prior gar bald seinen Bitten nachgeben und ihm dieses Amt wieder abnehmen mußte. Dennoch wurde der ehrw. Dionysius wieder aus seiner Zelle hervorgezogen. Denn als sein Ruf bis zu den Ohren des Cardinals Nikolaus de Cusa gedrungen war, und dieser als päpstlicher Legat seine Reise durch Deutschland und die Niederlande antrat, um das gesammte kirchliche Leben, besonders aber die Klöster, einer durchgreifenden Reform zu unterwerfen, rief er den Dionysius zu sich, um sich seines Rathes und seiner Hilfe in einem so schwierigen Werke zu bedienen. Dionysius folgte, jedoch nur ungern, diesem ehrenvollen Rufe und wandte sein Augenmerk besonders auf die Reform der Klöster seines Ordens. Auch Bischöfen und Priestern gab er zweckmäßige und dringende Belehrungen, und strebte mit allem Eifer dahin, die zerfallene Kirchenzucht wieder herzustellen. Wie er den würdigen Cardinal in seinem Werke unterstützte, davon haben wir eine Probe in der eben so freimüthigen als scharfen Rede, mit welcher er dem unwürdigen [767] und kriegslustigen Bischofe von Lüttich seinen unkirchlichen Geist und Wandel vorhielt (sieh das Nähere bei Boll. Tom. II. Mart. pag. 251). Außerdem stiftete er den Frieden zwischen dem Herzog Arnold von Geldern und seinem Sohne Adolph, welcher schon die Waffen gegen seinen Vater ergriffen hatte, und verfaßte nach dem beweinenswerthen Fall von Constantinopel im Jahre 1453 die Epistola ad Principes catholicos, in welchen er zu einem allgemeinen Feldzug gegen die Türken, vor Allem aber zunächst zur Besserung des christlichen Lebens aufrief. Doch dieser Nothschrei aus der Brust eines so edelgesinnten Mannes blieb ungehört, und darum sehen wir noch jetzt die schönsten Länder in den Händen der Türken. Zur Erinnerung an die ehemalige Hauptkirche des griechischen Reiches, welche in eine Moschee verwandelt ward, wurde vorzüglich auf Betrieb des ehrw. Dionysius, kurz vor seinem Lebensende, die Carthause der hl. Sophia bei Herzogenbusch gegründet und er zum ersten Prior derselben ernannt. Doch kehrte er, vom Alter geschwächt und durch den Neubau in seinen stillen Betrachtungen und Arbeiten gestört, bald wieder nach Roermunde zurück und starb daselbst am 12. März 1471, dem Festtage des hl. Papstes Gregorius, in einem Alter von 69 Jahren., Unter seinen Schriften sind das Hauptwerk die Enarrationes oder Commentarii zu sämmtlichen Büchern des alten und neuen Testamentes, welche in 7 Folianten 1530–1536 in Köln erschienen sind. In den Martyrologien der Niederlande, Deutschlands und Frankreichs wird er häufig als »heilig« oder »selig« aufgeführt, und auch Butler gibt ihm das Prädicat »heilig«; allein er wurde von der Kirche noch nicht feierlich unter die Zahl der Heiligen aufgenommen, obgleich sein Fest in der großen Carthause zu Grenoble, wo einige seiner Reliquien zur Verehrung aufgestellt wurden, von jeher mit großer Feierlichkeit begangen wird. (Außer der Vita des Ehrwürdigen, welche die Bollandisten mittheilen, benützten wir vorzüglich die in Wetzer's etc. Lexikon enthaltene gelungene Darstellung Seiters, des Verfassers des Werkes: »Der hl. Bonifacius, der Apostel der Deutschen.«)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 766-768.
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