Dionysius Exiguus (66)

[768] 66Dionysius Exiguus, (4. Oct.). Dieser Dionysius, der Kleine (exiguus) genannt – nach Einigen wegen seiner kleinen Körpergestalt, oder der Unbedeutende, wie er nach Andern als Mönch aus klösterlicher Demuth sich selbst nannte – nimmt in der christlichen Kirche unter den ausgezeichneten Männern einen würdigen Rang ein. Er war ein Skythe von Geburt, Mönch oder Abt in einem Kloster zu Rom und ausgezeichnet durch seine Gelehrsamkeit. Bucelin, der ihn in seinem Menologium am 4. Oct. anführt, nennt ihn einen Mönch von Viviers (Vivariensis). Ganz besonders war Dionysius chronologischen Studien zugethan, als deren Frucht die Einführung der christlichen Zeitrechnung, welche von ihm daher die Dionysianische heißt und die Jahre von der Geburt Christi (ab incarnatione Domini) statt nach Olympiaden und Consulaten zählt, zu betrachten ist. Sie findet sich zuerst in seinem Ostercyclus, ist aber, weil mit dem Jahre 541 beginnend, nach dem kritischen Urtheile neuerer Gelehrten (z.B. Sepp, Leben Jesu, Regensburg 1853) um sieben Jahre zurück. Anfangs auf einen kleinen Kreis beschränkt und nur zu Rom beachtet, verschaffte. sich diese Zeitrechnung im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Geltung und Anerkennung, so daß sie im 10. und 11. Jahrhundert nach und nach die andern Zeitrechnungen verdrängte und endlich in der christlichen Welt die Oberhand erhielt. Nicht minder ist der Name unsers Dionysius bekannt durch eine Sammlung kirchl. Satzungen, welche er veranstaltete und in welche er die apostolischen Canonen, die Satzungen [768] mehrerer Concilien und die Decretalbriefe der Päpste von Siricius (384–398) bis Anastasius II. (496–498) aufnahm. Von einer kirchlichen Verehrung dieses ausgezeichneten Dieners Gottes ist wohl nie eine Rede gewesen; wir benützten eben nur den Anlaß, welchen uns Bucelin's Menologium bot, um diesem »frommen Manne«, dem wir die christliche Zeitrechnung verdanken und dessen Tod zwischen 540–550 fällt, ein Plätzchen in unserm Werke einzuräumen.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 768-769.
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