Patroclus, S. (1)

[700] 1S. Patroclus, M. (9. Febr., al. 19. Nov., 21. Jan.). Dieser heil. Martyrer hat zu Troyes (Trecae, Tricasium, Augusta Trecarum) in Frankreich gelitten. Hier, nicht in Sens (Senones), war er nach allgemeiner Annahme auch geboren. Seine »Acten«, welche ursprünglich ohne Zweifel viel kürzer waren, sind von Surius zum ersten Mal herausgegeben worden. Gregor von Tours erzählt von mehreren Wundern, die an seinem Grabe sich ereigneten, entscheidet sich aber keineswegs über die Glaubwürdigkeit [700] der wahrscheinlich erst zu seiner Zeit entstandenen, später noch ausgeschmückten Lebensbeschreibung. Nach einer Conjectur des Bollandus ist die Zeit seines Todes in's J. 259 – also nicht erst 273 oder 275 – zu setzen. Nach der Legende war dieser Heilige ein vornehmer, gelehrter, frommer und freigebiger Mann, der durch sein Gebet und seinen Glauben viele Wunder vollbrachte. Er wurde von dem Statthalter Aurelius wegen des christlichen Bekenntnisses gefangen gesetzt und zum Tode verurtheilt. Als ihn die Henker vor die Stadt hinaus führten, entkam er ihnen, ging trockenen Fußes über die Seine und begab sich auf den benachbarten Berg. Als ihn aber die Häscher wieder einholten, verkündete er ihnen Christum und bekehrte Einige von ihnen. Elegius, der Befehlshaber der Rotte, ließ aber den heil. Patroclus an Händen und Füßen fesseln und auf dem Platze enthaupten, am 21. Jan., einem Freitage. Die Häscher entfernten sich und ließen den entseelten Leib liegen. Zwei Greise, die öfter von dem Heiligen Almosen erhalten hatten, trugen den hl. Leib weg und bewahrten ihn bis zum Abend, wo dann der Erzpriester Eusebius und der Diakon Liberius kamen und ihn einhüllten und begruben. Als die Verfolgung der Kirche aufhörte, erbaute derselbe Eusebius ein Kirchlein über dem Grabe. Der heil. Leib wurde im J. 964 nach Soest (Susatium) in Westphalen übertragen, wo zu seiner Ehre eine Kirche erbaut und ein Collegiatstift gegründet wurde. Als Tag der Uebertragung wird der 19. Nov., noch öfter aber der 9. Dec. genannt. Merkwürdig und sehr erbaulich ist das seinen Leiden vorausgegangene erste Verhör, vielleicht der Kern der ganzen Martyrgeschichte. Der Statthalter redete ihn an: »Ich habe von dir gehört, daß du in deiner Unwissenheit allerlei Unangemessenes vollbringst und in thörichter Frömmigkeit einen Solchen als Gott ehrest und anbetest, welcher von den Menschen durch Schläge getödtet worden.« Darauf gab der hl. Mann keine Antwort. Aurelianus fragte: »Wie heißest du?« Er antwortete: »Ich heiße Patroclus.« Aurelianus sprach: »Was hast du für eine Religion und welchen Gott betest du an?« Patroclus erwiderte: »Ich bete den lebendigen und wahren Gott an, welcher im Himmel wohnt, und die irdischen Dinge lenkt und alle Dinge weiß, ehe sie geschehen.« Aurelianus sagte: »Laß ab von dieser Thorheit und bete unsere Götter an und diene ihnen; sie können dir Ehre und Reichthum und einen berühmten Namen verschaffen.« Patroclus entgegnete: »Ich weiß von keinem andern Gott, als von dem Einen und allein wahren, der Himmel und Erde, das Meer und Alles was darin ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, erschaffen hat.« Aurelianus sagte: »Beweise die Wahrheit deiner Aussage.« Patroclus antwortete: »Was ich sage, ist unzweifelhaft wahr, aber ich weiß, daß die Lüge der Wahrheit feind ist.« Aurelianus drohte: »Ich will dich brennen lassen, bis du den Göttern opferst.« Patroclus erwiderte: »Ich opfere Gott das Opfer des Lobes, und mich selbst opfere ich Ihm, als lebendiges Opfer, da er mich gewürdiget hat, zum Zeugnisse für seinen Namen mich zu berufen.« Dieses Opfer vollbrachte er wirklich mit dem staunenswerthen Heldenmuthe, mit welchem Jesus seine Kämpfer begnadiget. Die Uebertragung seiner Reliquien nach Soest wurde seit d.J. 959 betrieben. (Pertz, mon. scr. IV. 280 u. 281.) Der heil. Erzbischof Bruno von Cöln hatte nämlich dem Bischof Aesgisus den Frieden mit den Bürgern der Stadt Troyes vermittelt und sich die Reliquien als Erkenntlichkeit erbeten. Der heil. Patroclus ist Stadtpatron von Soest (man spricht Sohst) und der Schutzheilige der noch bestehenden vormaligen Probsteikirche daselbst. In neuester Zeit haben die Reliquien des Heiligen eine im wildesten Tone gehaltene Kritik auszustehen gehabt. Man sehe z.B.: »Ein evangelisches (!) Wort über den Reliquiendienst nebst Untersuchung in Betreff der angeblichen Gebeine des heil. Patroclus Soest 1855, von Andreä,« und die Gegenschriften von Giesers. Der Sarkophag vom J. 1311–1313, ein Kunstwerk des Goldschmieds Ringefried vom J. 1313 ist weitberühmt. Ob er gegenwärtig noch zu Berlin (im Museum) sich befindet, oder ob die Bitten der Stadtgemeinde um Rückgabe erhört worden sind, wissen wir nicht. Nach Daniel (Hdb. der Geographie IV. 588) wären dieselben fruchtlos gewesen, während Kampschulte (westphäl. K.-Patroc. S. 130) gute Hoffnungen ausspricht. Professor Kayser in Paderborn erzählt darüber im Bonner theol. Lit.-Bl. 1867 S. 337 Folgendes: »Der kostbare Patrocli-Kasten ist, wenn wir nicht irren, erst in den dreißiger Jahren von dem Vorstande der Soester Domkirche unter Genehmigung der vorgesetzten [701] geistlichen Behörde für die Summe von ungefähr 3000 Thlrn. an die Münze (!) zu Berlin verkauft und nur durch die Bemühungen eines westphälischen Kunstkenners und Kunstfreundes vor dem Einschmelzen gerettet und für die königlichen Kunstsammlungen erworben worden.« Der Kasten war so ruinirt, daß die Restauration desselben die Direction der Museen 1800 Thlr. kostete. Man kann also diese nicht, wie vielfach geschehen, ungerechter Vorenthaltung zeihen. Im J. 1866 sivd, wie Kampschulte weiter berichtet, einige Reliquien des heil. Patroclus in die seiner Verehrung geweihte Kapelle zu Löwendorf, Pfarrei Marienmünster, gekommen. Auf Bildern trägt er Panzer, Helm, Schwert und Palme. (II. 342–349.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 700-702.
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