Anselm, St. [1]

[201] Anselm, St., Erzbischof von Canterbury, geb. 1033 zu Aosta in Piemont, ging nach dem Tode seiner Mutter als 16jähriger Jüngling in das Kloster Bec in der Normandie, wo er sich solche Achtung erwarb, daß er zuerst Prior und endlich Abt wurde. Der Flor der Klosterschule und die Leistungen A.s als Schriftsteller, so wie seine Tugenden erwarben ihm nah und fern einen an Verehrung gränzenden Ruhm, und diesem verdankte er 1093 seine Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl von Canterbury. In dieser Stellung verfocht er mit Aufopferung und glücklichem Erfolge die Rechte der Kirche gegen die Ansprüche der normannisch-englischen Könige Wilhelm II. und Heinrich I. und st. den 21. April 1109. A. war durch sein Wirken als engl. Primas eine Säule der Kirche in jener Zeit, durch seine Schriften aber gab er der Wissenschaft neuen Anstoß und Richtung. Bei seinen Forschungen war es ihm Aufgabe, die Harmonie des Glaubens und der Vernunft, sofern alle Erkenntniß aus dem Glauben hervorgeht, zu erweisen und man hat ihn deßwegen den Vater der scholastischen Theologie genannt, die er jedoch der Form nach nicht gründete. Seine bedeutendsten Werke in dieser Richtung sind sein Proslogion und Monologion, in welchem er den bekannten ontologischen Beweis für das Dasein Gottes aufstellte; cur Deus homo (warum ist Gott Mensch geworden)? de libero arbitrio (von dem freien Willen). Wir haben von ihm auch Homilien, Gleichnisse, Meditationen [201] und Gebete, in welchen sich eine wunderbare Tiefe des Gemüthes offenbart, die sich in A. mit der größten Schärfe des Verstandes einigte. Sein Gedächtnißtag ist der 21. April; seine Werke sind von Gerberon herausgegeben, Venedig 1744. Monographie von Hasse »Anselm von Canterbury«; Leipzig 1843–52.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 201-202.
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