Atheismus

[305] Atheismus, die Leugnung Gottes; die Unterscheidung eines skeptischen A., eines dogmatischen, eines theoretischen [305] und praktischen haben keinen Werth, denn was man A. nennt, ist nur das Zurücksinken des Menschen von dem Glauben an den wahren Gott zu einer unklaren Vorstellung von einer höheren Macht als die menschliche ist, insofern der sogenannte Atheist die Natur, das Schicksal, den Zufall, oder wie er es immer nennen mag, statt Gottes zum Weltgebieter wählt, und sich so einem unbekannten, unvernünftigen, ungerechten und nur allgebietenden Herrn als ein willenloser, aller Gnade baarer Sklave unterwirft. Der Zweifel oder vielmehr die Verzweiflung an allem Wissen und Glauben, an aller Wirklichkeit ist nicht A., denn ein solcher Mensch sagt eigentlich nur: ich weiß nichts, ich kann nicht glauben, aber was ihr wißt oder glaubt, kann dennoch wahr lein. – Der sogenannte praktische A. ist die vollendete Empörung gegen das christliche Sittengesetz; diesen übt der Teufel am vollendetsten, aber »er glaubt an Gott und zittert.«

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 305-306.
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