Clive

[145] Clive (Kleiw), Robert, geb. den 29. Sept. 1725 auf Styche in Shropshire, einer der außerordentlichen Männer, durch die sich England seit mehr als 2 Jahrh. vor allen anderen Nationen auszeichnet. Er kam 1743 nach Madras als Schreiber in einem Comptoir der ostind. Compagnie; letztere war damals durch die Uebermacht der Franzosen und der mit diesen verbündeten ostind. Fürsten fast zu Grunde gerichtet und zum Abzuge nach Europa bereit. Unter denen, welche sich dem kleinmüthigen Entschlusse widersetzten, war auch C., der als freiwilliger Offizier Proben seiner Kühnheit und Geschicklichkeit ablegte. 1750 eroberte C. mit 300 Sipahis u. 100 Engländern Arcot, dessen Nabob von den Franzosen und einem Prätendenten vertrieben worden war; hierauf vertheidigte er Arcot gegen eine wohl hundertfache Uebermacht, die von franz. Offizieren geleitet und mit Artillerie unterstützt war. Dadurch verschaffte C. den Engländern in der Meinung der Hindu das Uebergewicht über die Franzosen, er selbst wurde reichlich belohnt und kehrte 1753 nach England zurück. Hier mißlangen seine Plane einer politischen Thätigkeit vollständig, er verlor durch Parteiungerechtigkeit seinen Sitz im Unterhause und kehrte deßwegen 1755 nach Ostindien zurück. Zur rechten Zeit; denn der Nabob von Bengalen, Surahja Dowla, hatte Calcutta [145] erobert, gefangene Engländer in der schwarzen Höhle ersticken lassen und bedrohte die wenigen engl. Forts mit ungeheurer Uebermacht. C. jedoch landete mit 2000 Man bei Kalcutta, nahm die Stadt und schlug d. 26. Juni 1757 die 40000 Mann starke Armee des Nabob von Bengalen bei Plassey mit 5000 Mann, eroberte Chandernagor, den Hauptplatz der Franzosen in Bengalen, und als die Holländer von Batavia aus dem von C. eingesetzten aber alsbald abtrünnigen Nabob zu Hilfe kamen, vernichtete C. deren ganze Expedition; so war Englands Uebermacht in Ostindien gegründet. 1760 kehrte C. in die Heimath zurück, wurde mit Auszeichnung empfangen und zum Baron von Plassey erhoben. Er begab sich jedoch bald wieder nach Ostindien und ordnete die Verwaltung der engl. Besitzungen; durch die Beschützung des Großmoguls, des Schattenkaisers in Vorderindien, der ihm die Oberherrlichkeit über Landgebiete einräumte, die der großmogulischen Botmäßigkeit längst nicht mehr angehörten, dehnte C. die engl. Herrschaft über mehr als 15 Mill. Menschen aus. Nach seiner 3. Rückkehr aus Ostindien trafen ihn Parteianfeindungen, als habe er sich von den Nabobs bestechen lassen; zwar wurde der Antrag auf eine Anklage im Unterhause zurückgewiesen u. ausgesprochen, C. habe dem Staate große Dienste geleistet, jedoch ein leichter Tadel beigefügt, den C. wegen einzelner Erpressungen und Gewaltthätigkeiten wirklich verdiente. Sein natürlicher Hang zur Melancholie, der nur vor einer anstrengenden Thätigkeit zurückwich, brach nun mit solcher Gewalt hervor, daß er sich 1774 durch einen Pistolenschuß tödtete. Macaulay hat ihm in seinen »Essais« ein würdiges schriftstellerisches Denkmal errichtet.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 145-146.
Lizenz:
Faksimiles:
145 | 146
Kategorien: