Col-Nidre

[164] Col-Nidre, Anfang und Name eines verrufenen Gebetes der Juden, welches die Vorsänger in den Synagogen am Versöhnungsabend chaldäisch sprechen und dessen Inhalt in den Schlußworten zusammenfassen: »Unsere Gelübde sollen keine Gelübde und unsere Schwüre keine Schwüre sein.« Laut dem canon. Recht der Juden gilt dies nicht von Gelübden und Schwüren, die von einem Nebenmenschen oder Gerichte abgenommen werden, ist somit weder ein Widerspruch zu Levit. XIX, 33–37. noch eine Sanction des Meineides; allein gewiß bleibt, daß der Wortlaut des C. ganz allgemein und die talmudistische Auffassung des Messiasreiches für denselben ist, daß schon 974 n. Chr. die Schrift: »Tana b. Eliahu« durch Eisern gegen Uebervortheilung der Nichtjuden und durch Beispiele die wörtliche Auffassung des C. bestätigte, daß ferner die Erklärung jüdischer Moralisten, das C. gelte nur von Eiden und Gelübden, die aus Zwang oder Uebereilung geschehen seien und bezwecke vorläufige Beruhigung des Gewissens, nicht befriediget und daß endlich dieses für Handel und Wandel wichtige Gebet hinsichtlich der bürgerlichen Stellung der Juden vielfach ein Stein des Anstoßes blieb.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 164.
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