Erregungstheorie

[603] Erregungstheorie, nennt man gewöhnlich das von John Brown (s.d. Art.) aufgestellte System der Heilkunde. Nach ihm hat der lebende Organismus als Eigenthümlichkeit nur die Erregbarkeit (incitabilitas), d.h. die Fähigkeit, durch äußere Reize (potestates invitantes) so angeregt zu werden, daß dadurch die Erscheinungen des Lebens sich kund geben. Die durch die Reize veranlaßte Thätigkeit der Erregbarkeit nennt er Erregung (incitatio), die eine allgemeine oder örtliche sein kann. Zu den äußern Reizen gehören Luft, Wärme, Nahrungsmittel, Arzneien, das Blut und die Secretionen. Gesundheit ist vorhanden, wenn Erregbarkeit und Reize im gehörigen Verhältnisse sind. Sind die Reize aber zu stark od. zu schwach so wird die Gesundheit gestört, und es entstehen im ersten Falle die Krankheiten [603] mit dem Charakter der Sthenie, eines Uebermaßes an Kraft, im anderen Falle die asthenischen oder Schwächekrankheiten. Die Schwäche, Asthenie, ist entweder eine mittelbare (Asthenia indirecta), als Folge vorausgegangener Ueberreizung, oder eine unmittelbare (Asth. directa), bei ursprünglich mangelnden Reizen. – Eine Diagnose der verschiedenen Krankheitsformen fällt somit hier gänzlich weg, es handelt sich nur um Erforschung des Grades der Asthenie oder Sthenie, und seine Heilmethode, die von aller Heilkraft der Natur absieht, hat bloß zu reizen oder zu schwächen. Das kräftigste Reizmittel ist Opium, sein Gegensatz Aderlaß.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 603-604.
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