Strahlenbrechung

[351] Strahlenbrechung od. Refraction, die Brechung der Lichtstrahlen, welche diese bei ihrem Uebergange aus einem durchsichtigen Medium in ein anderes erleiden (s. Licht). Astronomische S., ist die Brechung der von den Gestirnen kommenden Lichtstrahlen bei ihrem Eintritte in und ihrem Durchgange durch die Erdatmosphäre. Da diese von oben gegen die Erdoberfläche zu beständig an Dichtigkeit zunimmt, so geschieht die Brechung des Lichtstrahls nicht bloß bei seinem Eintritte in die Atmosphäre, sondern auf seinem ganzen Wege durch dieselbe beständig fort, und der Lichtstrahl beschreibt somit keine gerade, sondern eine krumme Linie. Die Richtung der Brechung geht hier (weil durch ein dichteres Medium) nach dem Einfallslothe hin. Diese Brechung des Lichtstrahls bewirkt nun, daß der Beobachter ein Gestirn nicht an der Stelle des Himmels sieht, an welcher es sich wirklich befindet, sondern in der Richtung der Tangente des Endes der krummen Linie, somit etwas höher am Himmel. Die Stärke der Brechung hängt indeß nicht allein von dem brechenden Medium ab, sondern auch von der Größe des Winkels, den der Lichtstrahl mit dem Einfallslothe macht; je größer dieser, desto stärker die Brechung, am stärksten also am Horizonte, von da gegen das Zenith allmälig abnehmend, am Zenith selber = 0. Bei 45° Abstand vom Zenith beträgt die Brechung 1 Minute, am Horizont zwischen 33 und 36 Minuten. Daher kommt es, daß wir die Sonne oder den Mond schon über dem Horizonte sehen, ehe sie wirklich aufgegangen, u. noch über dem Horizont, wenn sie bereits untergegangen. Daher auch die ovale Gestalt der Sonne und des Mondes am Horizont mit scheinbar kürzerem verticalen Durchmesser, weil der untere Rand durch die Brechung etwas stärker gehoben wird, als der höher stehende obere. Man hat eigene Tafeln, sogen. Refractionstafeln, mit Angabe der Stärke der S. für jede Höhe (bei mittlerer Luftdichtigkeit).

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 351.
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