Weisheit [1]

[690] Weisheit, lat. sapientia, ital. sapienza oder saviezza, frz. sagesse engl. wisdom, nennt man die richtige u. volle Erkenntniß aller Dinge, sowohl nach ihrem Wesen als nach ihrer Zweckbeziehung – göttliche W.; ferner das Streben nach dieser W., welches durch Anwendung der natürlichen Kräfte (natürliche W.) oder durch eine besondere Gnade Gottes (übernatürliche W.) seinem Ziele mehr oder minder näher kommt. Als Anfang und Krone der wahren W. wird in vielen Bibelstellen die Furcht Gottes bezeichnet; daß die W. in der Erkenntniß des Göttlichen wurzle und mit der Tugend unzertrennbar verbunden sei, hierüber sind alle Denkenden einig; die große Verschiedenheit der Ansichten über Gott u. Tugend aber stellen der wahren W., welche der Christ in der Erkenntniß und Verwirklichung seiner Religion findet, die falsche od. Aster-W. gegenüber. – Im allgemeinsten Sinne nennt man W. die besonnene Wahl u. richtige Anwendung der besten Mittel zur Verwirklichung der besten Absichten. Daß die W. bei den Gelehrten und Philosophen häufig nicht zu Hause ist, ist eine Thatsache, über welche sich schon Cicero in derber Weise ausgelassen hat und für die er selber in seinem Leben manchen Beleg lieferte.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 690.
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