Kosmologie

[311] Kosmologie (gr. kosmologia, von kosmos = Welt und logos = Lehre), die Lehre von der Welt, ist ein Teil der Naturphilosophie; sie untersucht die Entstehung, die Dauer, die Grenzen, die Kräfte und Ursachen der Welt. Kosmogonie (d.h. Weltentstehung) die erste Form der Kosmologie, ist die mythologische Ansicht der Alten von der Entstehung der Welt, in der zugleich die Theogonie, d.h. der genealogische Bericht von der Entstehung der Götter enthalten war. Homer läßt den Okeanos den Ursprung aller Dinge sein (II. XIV, 245). Hesiod läßt in seiner Theogonie die Welt nebst den Göttern aus dem Chaos und der Erde vermittelst des Eros (Liebe) entstehen. Ähnlich leitet die Edda die Welt aus Niflheim, Manus Gesetzbuch aus dem Dunkel ab. – Bei den Griechen entwickelte sich die Vorstellung, daß der Kosmos (das Weltall) die Kugel des Sternenhimmels sei, die sich um die Erde als ihr Zentrum drehe. Aus ihrer Bewegung, welche für vollkommen galt, weil sie Bewegung der Teile mit Ruhe des Ganzen vereinige, ginge alle Bewegung der Elemente und Organismen hervor. Die griechischen Philosophen hielten dann den Kosmos für ein lebendes Wesen, ja die Hylozoisten, Eleaten, Peripatetiker und Stoiker für Gott selbst, die Pythagoreer dagegen für ein Ebenbild desselben voller Schönheit und Harmonie, dessen Teile nach den Intervallen der Musik geordnet seien. Anaximandros und die Epikureer nahmen eine Vielheit von Welten an. Nach Aristoteles (384-322) besteht die Welt aus vielen beweglichen Hohlkugeln, an welchen die Gestirne befestigt sind. Um die Erde bewegen sich der Reihe nach die Sphäre des Mondes, der Venus, der Sonne, des Mars, des Jupiter, des Saturn und zu äußerst der Fixsternhimmel. Dieser besteht aus feurigem Äther, dem feinsten Stoffe, dem 5. Elemente (daher Quintessenz genannt), die Erde hingegen aus dem Niederschlag der gröbsten Stoffe. Diese Ansicht wurde, nachdem sie von Eratosthenes und Ptolemäus mathematisch begründet war, die (ptolemäische) Weltansicht bis auf Kopernikus. Doch schon der Pythagoreer Aristarchos von Samos behauptete, die Sonne sei der Mittelpunkt der Welt, um den sich auch die Erde drehe. Aus der ursprünglich wohl rein poetischen Redeweise, Sonne und Mond seien die Augen des belebten Kosmos, die Erde und die Gebirge sein Leib, der Äther sein Verstand, hat sich die Vorstellung der Naturphilosophen Paracelsus, van Helmont u. a. entwickelt, welche den Kosmos als Makrokosmos, den Menschen als Mikrokosmos[311] (d.h. als große und kleine Welt) ansahen, die einander entsprechen, und wovon jener diesen beeinflussen sollte (Astrologie). Erst durch Kopernikus (1473-1543) trat an die Stelle einer sich umdrehenden Kugel eine unendliche Zahl von Welten und an Stelle des geozentrischen der heliozentrische Standpunkt. Diese von der katholischen Kirche wie von Melanchthon als unchristlich bekämpfte Theorie ward durch Giordano Bruno, Galilei, Kepler und Newton gestützt, durchgebildet und zur Geltung gebracht. Nun drängten sich neue Fragen in den Vordergrund, ob die Welt endlich oder unendlich, ewig oder entstanden sei, ob sie untergehen könne oder nicht, woher die Beseelung stamme, ob ihr Stoff und ihre Energie sowie ihr Wärmevolumen sich ändere usw. Fontenelle behauptete 1686 (»sur la pluralité des mondes«), nicht allein die Erde sei bewohnt, Kant versuchte 1755 in der »Allg. Naturgesch. und Theorie des Himmels« die jetzigen kosmischen Verhältnisse aus einem ursprünglichen Dunstball (Nebularhypothese), auf den die Kräfte der Attraktion und Repulsion wirken und der in Rotation gekommen sei, zu erklären. Der kantischen Hypothese nahe verwandt ist die des Franzosen Laplace (1749 bis 1827), die er in seiner »Exposition du système du monde« gab; doch geht Kant von einem Urnebel des Universums, Laplace von einer bereits in Rotation befindlichen Nebelscheibe unseres Sonnensystems aus; Kant läßt Sonnen und Planeten durch Gravitation entstehen, Laplace läßt Ringe vom Zentralkörper sich durch Zentrifugalkraft ablösen. – Die Kant-Laplacesche Kosmogonie ist von der Naturwissenschaft allgemein angenommen und hat, was unser Sonnensystem betrifft, durch die Spektralanalyse eine kräftige Stütze erhalten. Siehe Geogonie.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 311-312.
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